Dr. Jürgen Spliedt, Dr. Alexander Fridgen
Rn 11a
Durch die Beantragung der Eigenverwaltung und den damit verbundenen Eintritt ins Eröffnungsverfahren gemäß § 270a sowie durch die Bestellung eines vorläufigen Sachwalters nach Abs. 1 Satz 2 tritt keine Änderung in der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis bezüglich des Schuldnervermögens ein. Das Eingehen von schuldrechtlichen Verpflichtungen bleibt dem Schuldner ohnehin unbenommen. Unterschiedlich diskutiert wurde jedoch, ob einer vom Schuldner nach Eintritt in das Eröffnungsverfahren begründeten Verbindlichkeit nach Verfahrenseröffnung die Qualität einer Masseverbindlichkeit zukommt oder ob es lediglich eine Insolvenzforderung ist. Die grundsätzliche Annahme einer Masseverbindlichkeit wurde mit dem Argument begründet, dass Abs. 1 Satz 2 ausdrücklich auf die entsprechende Anwendung § 275 verweise, der im eröffneten Verfahren klarstelle, dass vom Schuldner begründete Verbindlichkeiten grundsätzlich im Außenverhältnis nicht von einer Zustimmung eines Sachwalters abhängen. Diese Meinung ist aber abzulehnen, weil § 275 lediglich das Verhältnis zwischen dem Schuldner und dem Sachwalter regelt, nicht aber die Qualität einer Forderung im Außenverhältnis. Die entsprechende Anwendung des § 275 im Rahmen des Abs. 1 Satz 2 bedeutet daher, dass der Schuldner auch im Eröffnungsverfahren Verbindlichkeiten nur mit Zustimmung bzw. bei fehlendem Widerspruch des vorläufigen Sachwalters eingehen soll und dass der vorläufige Sachwalter das Kassenführungsrecht an sich ziehen kann. Eine Außenwirkung kommt dem jedoch nicht zu. Mangels einer dem § 270b Abs. 3 entsprechenden Vorschrift, wonach durch den Schuldner im Schutzschirmverfahren Masseverbindlichkeiten begründet werden, begründet der Schuldner im Eröffnungsverfahren (außerhalb des Schutzschirmverfahrens) daher grundsätzlich Insolvenzforderungen (§ 38: zur Zeit der Verfahrenseröffnung begründeter Vermögensanspruch).
Insbesondere zum Zweck der Insolvenzgeldfinanzierung besteht aber auch im Eröffnungsverfahren bei Eigenverwaltung die Notwendigkeit, dass ein Verfahrensbeteiligter Verbindlichkeiten begründen kann, die auch die spätere Insolvenzmasse verpflichten. Diese Notwendigkeit muss auch bei der Eigenverwaltung in geeigneter Weise befriedigt werden, weil sonst das Verfahren der Eigenverwaltung gegenüber dem Standardinsolvenzeröffnungsverfahren einen deutlichen Nachteil hat. Von Bedeutung ist daher, dass § 270 Abs. 1 Satz 2 auf die allgemeinen Vorschriften verweist. Hierzu zählt auch § 21 Abs. 1, wonach das Insolvenzgericht alle Maßnahmen zu treffen hat, die erforderlich erscheinen, um bis zur Entscheidung über den Eröffnungsantrag eine den Gläubigern nachteilige Veränderung in der Vermögenslage des Schuldners zu verhüten. Das Insolvenzgericht kann daher entsprechend der Rechtsprechung zur Einzelermächtigung eines vorläufigen Insolvenzverwalters für bestimmte Geschäfte dazu ermächtigen, Masseverbindlichkeiten zu begründen. Eine unbegrenzte Ermächtigung des Schuldners zur Begründung von Masseverbindlichkeiten, wie das im Schutzschirmverfahren gemäß § 270b Abs. 3 vorgesehen ist, dürfte ohne ausdrückliche gesetzliche Grundlage jedoch nicht zulässig sein. Adressat der Ermächtigung ist der Schuldner, nicht der vorläufige Sachwalter, weil anderenfalls dem vorläufigen Sachwalter eine umfassendere Kompetenz zukäme als dem Sachwalter im eröffneten Verfahren. Das war aber im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens gerade abgelehnt worden. Zur Sicherung der zukünftigen Insolvenzmasse kann das Insolvenzgericht im Einzelfall nach §§ 270 Abs. 1 Satz 2, 21 außerdem die Einzelermächtigung an die Zustimmung des vorläufigen Sachwalters knüpfen, was – soweit damit eine Verfügungsbeschränkung im Außenverhältnis einher gehen soll – gemäß § 23 veröffentlicht werden muss. Die Anordnung eines Zustimmungsvorbehaltes entsprechend § 277 ist mangels Erwähnung in Abs. 1 Satz 2 im Eröffnungsverfahren nicht möglich. Die Anordnung eines Zustimmungsvorbehaltes gemäß dem im Eröffnungsverfahren ohnehin vollständig geltenden § 275 kommt lediglich Innenwirkung zwischen dem Schuldner und dem vorläufigen Sachwalter zu. Wegen der Anwendbarkeit des § 21 ist ein Rückgriff auf diese beiden Vorschriften auch nicht notwendig.