Entscheidungsstichwort (Thema)
Unzulässige Verfassungsbeschwerde gegen Nichtaussetzung des Strafverfahrens
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine Vorabentscheidung des BVerfG gemäß § 90 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG kommt im Verfahren wegen Unterlassens einer Aussetzung des beim Amtsgericht anhängigen Strafverfahrens gem. § 396 AO 1977 nicht in Betracht, wenn sich nicht einmal verläßlich sagen läßt, daß im Ausgangsstrafverfahren eine schwierige steuerrechtliche Frage entscheidungserheblich wäre.
2. Der gemäß § 93a Abs. 2 BVerfGG berufene Ausschuß sieht Anlaß zu dem Bemerken, daß die Strafgerichte die Aussetzungsfrage (§ 396 AO 1977) gegebenenfalls – sollten schwierige steuerrechtliche Fragen entscheidungserheblich werden – nach pflichtgemäßem Ermessen auch von Amts wegen zu prüfen haben werden.
Normenkette
BVerfGG § 90 Abs. 2; AO 1977 § 396
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil sie unzulässig ist.
Damit ist der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung gegenstandslos.
Gründe
Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig; ihr steht der Grundsatz ihrer Subsidiarität entgegen (vgl. § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG; BVerfGE 33, 247 (258); 59, 63 (83)). Danach muß eine Verfassungsbeschwerde erforderlich sein, um eine Grundrechtsverletzung zu verhindern oder auszuräumen. Das ist grundsätzlich nicht der Fall, wenn eine anderweitige Möglichkeit besteht, eine Verletzung verfassungsmäßiger Rechte zu beseitigen oder sonst ohne Inanspruchnahme des Bundesverfassungsgerichts im praktischen Ergebnis dasselbe zu erreichen (BVerfGE a.a.O.). Dem liegt im Blick auf den Zweck des § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG u.a. die Erwägung zugrunde, daß das Bundesverfassungsgericht vor seiner Entscheidung Gelegenheit haben soll, zunächst die Fallanschauung und die Rechtsauffassung der Fachgerichte kennenzulernen (vgl. BVerfGE 9, 3 ≪7 f.≫; 51, 386 ≪396≫). Der Beschwerdeführer hat sich demgemäß im sachnäheren Strafverfahren um die Durchsetzung seines Begehrens zu bemühen. Er kann seinen Aussetzungsantrag jederzeit erneuern (vgl. auch BGH, NStZ 1985, S. 126).
Eine Vorabentscheidung (gemäß § 90 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG) kommt hier nicht in Betracht. Ihr steht derzeit schon entgegen, daß es an hinreichend konkreten Feststellungen, insbesondere auch zum Inhalt und zur Bedeutung des in Rede stehenden Gutachtens sowie zur subjektiven Tatseite, fehlt; es läßt sich daher nicht einmal verläßlich sagen, daß im Ausgangsstrafverfahren eine schwierige steuerrechtliche Frage entscheidungserheblich wäre (vgl. BVerfGE 8, 222 ≪226 ff.≫; 13, 284 ≪289≫). Demnach kann hier auf sich beruhen, ob dem Beschwerdeführer durch die Teilnahme an einer erstinstanzlichen Hauptverhandlung ein schwerer, unabwendbarer Nachteil erwüchse. Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht für den Verwaltungsprozeß bereits darauf hingewiesen, ein solcher könne nicht in den allgemeinen Nachteilen gesehen werden, die durch die Rechtsverfolgung in einem Prozeß entstünden (siehe BVerfGE 1, 69 f.; 8, 222 ≪226≫), und dies wird auch für die Rechtsverteidigung im Strafverfahren grundsätzlich entsprechend gelten (vgl. dazu BVerfG (Vorprüfungsausschuß), NJW 1984, S. 1451 ≪1452≫).
Der gemäß § 93a Abs. 2 BVerfGG berufene Ausschuß sieht Anlaß zu dem Bemerken, daß die Strafgerichte die Aussetzungsfrage (§ 396 AO) gegebenenfalls – sollten schwierige steuerrechtliche Fragen entscheidungserheblich werden – nach pflichtgemäßem Ermessen auch von Amts wegen zu prüfen haben werden (siehe dazu u.a.: Kohlmann, Festschrift für Ulrich Klug (1983), Bd. II S. 507 ff.; von Wallis, DStZ 1983, S. 135; Blumers, DB 1983, S. 1571; List, BB 1984, S. 460 ≪464 ff.≫).
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Fundstellen