Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozietätsverbote für Anwaltsnotare: Gleichbehandlungsgrundsatz und Berufsfreiheit
Leitsatz (amtlich)
1. Es verstößt gegen Art. 3 Abs. 1 GG, Anwaltsnotaren die Sozietät mit einem Steuerberater, der gleichzeitig Rechtsanwalt ist, zu gestatten, sie ihnen aber mit einem Nur-Steuerberater zu untersagen.
2. Dasselbe gilt, soweit Anwaltsnotaren die Sozietät mit Rechtsanwälten erlaubt wird, mit Kammerrechtsbeiständen dagegen nicht.
Leitsatz (redaktionell)
Grundsätzlich sind die Assoziierungsverbote für Anwaltsnotare mit Art. 12 Abs. 1 GG jedoch formell und materiell vereinbar; es handelt sich insoweit um Berufsausübungsregelungen, denen eine hinreichend erkennbare und bestimmte gesetzliche Regelung – wenn auch erst aufgrund richterlicher Rechtsfindung und Auslegung von §§ 1, 3 Abs. 1, § 9 Abs. 1 und § 14 BNotO zugrunde liegt.
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 S. 2; BNotO §§ 1, 3 Abs. 1-2, § 9 Abs. 1, § 14 Abs. 1, 3, § 78 Nr. 5; NotRL § 1; BRAO §§ 43, 209; StBerG § 57; BRAGebOÄndG 5 Art. 2 Abs. 5; BRAGebOÄndG 5 Art. 3; BeurkG § 3 Abs. 1 Nr. 5
Verfahrensgang
BGH (Beschluss vom 10.08.1987; Aktenzeichen NotZ 4/87) |
OLG Celle (Beschluss vom 17.11.1986; Aktenzeichen Not 21/86) |
BGH (Beschluss vom 14.10.1985; Aktenzeichen NotZ 3/85) |
OLG Celle (Beschluss vom 29.04.1985; Aktenzeichen Not 28/84) |
Tenor
1. Der Bescheid des Niedersächsischen Ministers der Justiz vom 12. November 1984 – 3835 Hannover 103.21/84 –, der Beschluß des Oberlandesgerichts Celle vom 29. April 1985 – Not 28/84 – und der Beschluß des Bundesgerichtshofs vom 14. Oktober 1985 – NotZ 3/85 – verletzen das Grundrecht des Beschwerdeführers zu 1) aus Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes. Sie werden aufgehoben. Das Verfahren wird an den Bundesgerichtshof zurückverwiesen.
2. Der Bescheid des Präsidenten des Oberlandesgerichts Celle vom 3. Juli 1986 – 10 P 130 BH III –, der Beschluß des Oberlandesgerichts Celle vom 17. November 1986 – Not 21/86 – und der Beschluß des Bundesgerichtshofs vom 10. August 1987 – NotZ 4/ 87 – verletzen das Grundrecht des Beschwerdeführers zu 2) aus Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes. Sie werden aufgehoben. Das Verfahren wird an den Bundesgerichtshof zurückverwiesen.
3. Die Bundesrepublik Deutschland und das Land Niedersachsen haben den Beschwerdeführern zu 1) und 2) jeweils die Hälfte der notwendigen Auslagen zu erstatten.
Tatbestand
A.
Die Verfahren betreffen die Frage, ob ein Anwaltsnotar eine Sozietät mit dem Angehörigen eines anderen Berufsstandes eingehen darf, der nicht Rechtsanwalt ist.
I.
1. Nach § 1 der Bundesnotarordnung (BNotO) vom 24. Februar 1961 (BGBl. I S. 98) ist der Notar unabhängiger Träger eines öffentlichen Amtes, der für die Beurkundung von Rechtsvorgängen und andere Aufgaben auf dem Gebiete der vorsorgenden Rechtspflege bestellt wird. § 3 Abs. 1 BNotO schreibt seine hauptberufliche Bestellung (Nur-Notar) als Regelfall vor. Daneben werden in bestimmten Gerichtsbezirken Rechtsanwälte als Notare zu gleichzeitiger Amtsausübung neben dem Beruf des Rechtsanwalts (Anwaltsnotare) bestellt (§ 3 Abs. 2 BNotO). Die allgemeinen Berufspflichten des Notars regelt das Gesetz folgendermaßen.
§ 14
(1) Der Notar hat sein Amt getreu seinem Eide zu verwalten. Er ist nicht Vertreter einer Partei, sondern unparteiischer Betreuer der Beteiligten.
(2) …
(3) Der Notar hat sich durch sein Verhalten innerhalb und außerhalb seines Berufes der Achtung und des Vertrauens, die seinem Beruf entgegengebracht werden, würdig zu zeigen. …
(4) …
Für die Beurkundungstätigkeit des Notars enthält § 3 Abs. 1 des Beurkundungsgesetzes (BeurkG) vom 28. August 1969 (BGBl. I S. 1513) ein Mitwirkungsverbot:
§ 3
(1) Ein Notar soll an einer Beurkundung nicht mitwirken, wenn es sich handelt um
1. bis 4. …
5. Angelegenheiten einer Person, die den Notar in derselben Angelegenheit bevollmächtigt hat oder zu der er in einem ständigen Dienst- oder ähnlichen ständigen Geschäftsverhältnis steht.
(2) und (3) …
Standespflichten der Notare sind in den „Allgemeinen Richtlinien für die Berufsausübung der Notare” geregelt, die aufgrund des § 78 Nr. 5 BNotO von der Bundesnotarkammer am 8. Dezember 1962 erlassen wurden. In § 1 dieser Richtlinien heißt es:
(1) Der Notar hat sich innerhalb und außerhalb seines Berufes der Achtung und des Vertrauens würdig zu erweisen, die seinem Stand entgegengebracht werden. Er hat seine persönliche und wirtschaftliche Lebensführung danach einzurichten.
(2) Als unabhängiger Betreuer der Beteiligten hat der Notar die Pflicht, schon den Anschein der Parteilichkeit zu vermeiden. Er hat hierauf besonders zu achten, wenn er eine größere Zahl gleichartiger Rechtsgeschäfte beurkundet, an denen jeweils dieselbe Person beteiligt oder interessiert ist. …
2. Ausdrückliche Regelungen darüber, ob ein Anwaltsnotar sich zur gemeinsamen Berufsausübung mit Angehörigen anderer freier Berufe verbinden darf, enthält die Bundesnotarordnung nicht. Lediglich für Nur-Notare bestimmt § 9 Abs. 1 BNotO, daß sie sich mit einem Rechtsanwalt weder zur gemeinsamen Berufsausübung verbinden noch mit ihnen gemeinsame Geschäftsräume haben dürfen. Zur Zulässigkeit von Sozietäten zwischen einem Anwaltsnotar und Angehörigen anderer freier Berufe ebenso wie zur Zulässigkeit der gleichzeitigen Ausübung eines anderen freien Berufs durch einen Anwaltsnotar liegen jedoch Entscheidungen des Bundesgerichtshofs vor, die sich wie folgt zusammenfassen lassen:
Die gemeinsame Berufsausübung eines Anwaltsnotars mit Angehörigen eines anderen Berufsstandes ist grundsätzlich verboten, damit eine Gefährdung, ja sogar der bloße Anschein einer Gefährdung der Unabhängigkeit oder Unparteilichkeit des Notaramts vermieden wird. Ausgenommen von diesem Verbot ist lediglich die Sozietät mit einem Rechtsanwalt. Dabei ist es unschädlich, wenn dieser gleichzeitig Steuerberater ist, weil diese Tätigkeit in aller Regel nicht die ausschlaggebende sein wird und zu erwarten ist, daß die strengere Berufsauffassung des Rechtsanwalts als Organ der Rechtspflege auf seine Tätigkeit als Steuerberater durchschlägt. Auch die gleichzeitige Ausübung eines anderen freien Berufs ist dem Anwaltsnotar nicht gestattet mit Ausnahme der Steuerberatertätigkeit, weil es sich dabei um einen Ausschnitt der dem Rechtsanwalt erlaubten Berufstätigkeit handelt (vgl. BGHZ 53, 103; 64, 214; 75, 296; 78, 237).
3.a) Das vom Bundesgerichtshof ausgesprochene Verbot einer Sozietät zwischen einem Anwaltsnotar und einem Wirtschaftsprüfer (BGHZ 64 a. a. O.) wurde vom Bundesverfassungsgericht als verfassungsgemäß beurteilt (BVerfGE 54, 237), weil sich aus der Gesamtregelung der Bundesnotarordnung und des Beurkundungsgesetzes unter Berücksichtigung ihrer Auslegung in Rechtsprechung und Schrifttum eine hinreichend erkennbare und bestimmte, den Anforderungen des Art. 12 Abs. 1 GG genügende Regelung der Berufsausübung ergebe. Insbesondere aus § 1, § 3 Abs. 1, § 9 Abs. 1 und § 14 BNotO sowie aus § 3 Abs. 1 Nr. 5 BeurkG sei zu entnehmen, daß der Gesetzgeber jeder Beeinflussung der Unparteilichkeit durch wirtschaftliche Interessen habe entgegentreten wollen und daher andere Sozietätsmöglichkeiten als zwischen Rechtsanwalt und Anwaltsnotar nicht in Betracht kämen.
b) Die – auch im Verfahren 1 BvR 1460/85 umstrittene – Sozietät zwischen einem Anwaltsnotar und einem Steuerberater, der nicht Rechtsanwalt ist, beurteilte der Bundesgerichtshof in einer Entscheidung aus dem Jahre 1980 als unzulässig (BGHZ 78, 237). Er berief sich auf die vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Grundsätze (BVerfGE 54, 237) und führte weiter aus: Dem Verbot stehe nicht entgegen, daß ein Rechtsanwalt, der Steuerberater sei und mit dem sich ein Anwaltsnotar verbinden dürfe, inhaltlich dieselbe Tätigkeit entfalten könne wie ein Steuerberater, der nicht Rechtsanwalt sei. Der Rechtsanwalt sei umfassendes, unabhängiges Organ der Rechtspflege und habe damit eine herausgehobene Position, auch gegenüber dem Steuerberater. Deshalb sei die denkbare Gefährdung der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des assoziierten Notars auch unterschiedlich zu beurteilen. Zumindest der Anschein einer solchen Gefährdung sei bei einem Nur-Steuerberater stärker, für ihn die Hilfeleistung in Steuersachen mit allen Begleiterscheinungen ganz überwiegender, wenn nicht ausschließlicher Inhalt seiner Berufstätigkeit sei. Im übrigen sei zu erwarten, daß bei einem Rechtsanwalt die strengere Berufsauffassung als Organ der Rechtspflege auch auf seine Tätigkeit als Steuerberater durchschlage und es damit zu weniger Konfliktlagen für ihn, wenn er selbst Notar sei, oder für den mit ihm beruflich verbundenen Anwaltsnotar kommen könne. Schließlich werde durch das Sozietätsverbot verhindert, daß das Berufsbild des Anwaltsnotars sich von dem des Nur-Notars noch weiter entferne, als dies ohnehin schon der Fall sei.
II.
1. Das Verfahren 1 BvR 1460/85
a) Der im Jahre 1974 als Rechtsanwalt zugelassene Beschwerdeführer übt seinen Beruf in Sozietät mit einem Anwaltsnotar und mit dessen Ehefrau, die Steuerberaterin ist, sowie mit einer weiteren Rechtsanwältin aus. Im Jahre 1984 beantragte er seine Bestellung zum Notar. Dieser Antrag wurde von der Justizverwaltung abgelehnt, weil der Beschwerdeführer sich zur gemeinschaftlichen Berufsausübung mit einer Steuerberaterin verbunden habe. Darauf, daß dem ebenfalls der Sozietät angehörenden Rechtsanwalt und Notar unter Erteilung von Auflagen gestattet worden sei, weiterhin mit seiner als Steuerberaterin tätigen Ehefrau zur gemeinschaftlichen Berufsausübung verbunden zu bleiben, könne sich der Beschwerdeführer nicht berufen. Dabei handele es sich um eine unter dem Gesichtspunkt des Bestands- und Vertrauensschutzes getroffene Ausnahmeregelung.
Den Antrag des Beschwerdeführers auf gerichtliche Entscheidung wies das Oberlandesgericht zurück. Auch seine sofortige Beschwerde blieb erfolglos. Der Bundesgerichtshof berief sich auf die in BVerfGE 54, 237 und BGHZ 78, 237 entwickelten Grundsätze und führte zusätzlich folgendes aus:
Aus der für zulässig erachteten Möglichkeit der Verbindung eines Rechtsanwalts mit „artverwandten” Berufen wie denen des Steuerberaters und Wirtschaftsprüfers lasse sich nichts für oder gegen berufsrechtliche Assoziierungsverbote für Anwaltsnotare entnehmen. Nach der Bestellung zum Notar übe der Rechtsanwalt zwei getrennte Berufe aus, die verschiedene Aufgaben innerhalb der Rechtsordnung erfüllten und deshalb berufsrechtlich unterschiedlich geregelt werden könnten. Soweit die Landesjustizverwaltungen vor der Entscheidung BGHZ 78, 237 Sozietäten der vom Beschwerdeführer angestrebten Art „über Jahre” für unbedenklich gehalten haben sollten, folge daraus nichts für die Beantwortung der Frage, welche Auslegung der Bundesnotarordnung richtig sei. Was die Klarheit und Erkennbarkeit des Sozietätsverbots betreffe, müsse berücksichtigt werden, daß bei Beschränkungen, die sich auf die Zuwahl eines zweiten, dritten oder weiteren Berufs bezögen, von Verfassungs wegen nicht so strenge Anforderungen gestellt würden wie bei der Wahl eines Erstberufs. Dem Argument des Beschwerdeführers, eine solche Sozietät könne schon deswegen die Unabhängigkeit des Anwaltsnotars nicht gefährden, weil die Ausübung beider Berufe in einer Person erlaubt sei, werde insbesondere durch die Erwägung der Boden entzogen, daß die strengere Berufsauffassung des Rechtsanwalts auf seine Tätigkeit als Steuerberater durchschlage.
b) Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung seiner Rechte aus Art. 12 Abs. 1, Art. 9 Abs. 1, Art. 101 Abs. 1 Satz 2 und Art. 103 Abs. 1 GG.
Dazu trägt er vor: Ein Sozietätsverbot entspreche nicht der verfassungsrechtlich geforderten Regelungsklarheit; denn die Verbotsnorm entziehe sich der Erkennbarkeit durch ihren Adressatenkreis. Darüber hinaus sei die Erwägung, die strengere Berufsauffassung des Rechtsanwalts, der gleichzeitig Steuerberater sei, schlage auf die Ausübung des Steuerberaterberufs durch, ohne Grundlage im Gesetz. Für den gesamten Bereich der Steuerberatung bestehe zwischen beiden Berufsbildern Deckungsgleichheit nach Wertigkeit und Pflichtenstrenge. Wenn es einem Anwaltsnotar nach Anwalts-, Steuerberater- und Notarrecht gestattet sei, alle Berufe in einer Person auszuüben, und der Anwaltsnotar seinen Beruf auch in Sozietät mit einem Rechtsanwalt ausüben dürfe, der gleichzeitig Steuerberater sei, dann müsse es ihm genauso gestattet sein, steuerberatend in Sozietät mit einem Steuerberater tätig zu werden.
Indem der Bundesgerichtshof das Sozietätsverbot in den Rang einer Zugangsvoraussetzung zum Notarberuf erhebe, greife er im übrigen in die Ausübung seines Anwaltsberufs ein und entscheide eine Frage des anwaltlichen Berufsrechts. Insoweit sei der Notarsenat des Bundesgerichtshofs nicht der gesetzliche Richter.
Schließlich habe der Bundesgerichtshof seine Rechte aus Art. 103 Abs. 1 GG verletzt, weil er seinen Vortrag nicht argumentativ gewürdigt, sondern die Entscheidung ausschließlich aus Postulaten hergeleitet habe.
c) Zu der Verfassungsbeschwerde sind zahlreiche Stellungnahmen eingegangen. Während der Niedersächsische Ministerpräsident namens der Niedersächsischen Landesregierung und der Präsident der Bundesnotarkammer die Verfassungsbeschwerde für unbegründet halten, teilen die Rechtsanwaltskammer für den Oberlandesgerichtsbezirk Celle und der Deutsche Anwaltverein die Auffassung des Beschwerdeführers. Die Bundessteuerberaterkammer hält das Sozietätsverbot zwar zum Schutze der Unabhängigkeit des Notariats für geboten, steht aber auf dem Standpunkt, daß die vom Bundesgerichtshof vorgenommene Differenzierung zwischen Nur-Steuerberatern und Steuerberatern, die gleichzeitig Rechtsanwalt seien, unbefriedigend sei.
2. Das Verfahren 1 BvR 1239/87
a) Der Beschwerdeführer ist seit 1983 Anwaltsnotar. Er übt seinen Beruf in Sozietät mit einem Rechtsbeistand aus, der Mitglied der Rechtsanwaltskammer ist. Im Juli 1986 gab der Präsident des Oberlandesgerichts ihm auf, diese Sozietät unverzüglich zu lösen, und drohte ihm für den Fall, daß er der Verfügung nicht nachkomme, ein förmliches Disziplinarverfahren mit dem Ziel der Amtsenthebung an. Zur Begründung verwies er auf die Rechtsprechung zur Sozietätsfähigkeit von Anwaltsnotaren, wonach auch die gemeinsame Berufsausübung mit einem Rechtsbeistand untersagt sei. Daran habe sich durch die inzwischen eröffnete Möglichkeit, daß Rechtsbeistände Mitglied der Rechtsanwaltskammer werden könnten, nichts geändert.
Den Antrag des Beschwerdeführers auf gerichtliche Entscheidung wies das Oberlandesgericht zurück. Es stellte sich auf den Standpunkt, die nach wie vor bestehenden tiefgreifenden Unterschiede zwischen Rechtsanwalt und Kammerrechtsbeistand ließen es nicht zu, diese Berufe in der Frage der Zulässigkeit einer Sozietät mit einem Anwaltsnotar gleichzubehandeln. Die Tätigkeit des Rechtsbeistandes habe wegen der ihm auferlegten Beschränkungen regelmäßig eine schmalere wirtschaftliche Grundlage, als dies bei einem Rechtsanwalt der Fall sei. Schon dadurch könne ein Anwaltsnotar, der mit ihm eine Sozietät eingehe, in seiner Unabhängigkeit und Unparteilichkeit stärker beeinträchtigt werden als in der Sozietät mit einem Rechtsanwalt. Auch hinsichtlich seiner Eigenschaft als Mitglied einer Rechtsanwaltskammer bleibe die Stellung eines Rechtsbeistandes hinter der eines Rechtsanwalts zurück. Dieser sei Zwangsmitglied; eine Trennung von Beruf und Kammerzugehörigkeit sei nicht möglich. Demgegenüber könne ein Kammerrechtsbeistand sich der mit der Kammermitgliedschaft verbundenen Aufsicht jederzeit durch seinen Austritt entziehen, ohne seinen Beruf als Rechtsbeistand aufgeben zu müssen.
Die dagegen eingelegte sofortige Beschwerde wies der Bundesgerichtshof zurück. Neben der Wiederholung von Argumenten der Vorinstanz führte er aus:
Das weitreichende Verbot der gemeinsamen Berufsausübung mit Angehörigen anderer freier Berufe, das als Regelung der Berufsausübung dem Gesetzesvorbehalt des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG genüge, gelte auch für den Zusammenschluß eines Anwaltsnotars mit einem Kammerrechtsbeistand. Der Umstand, daß die Tätigkeit des Rechtsbeistands der Sache nach zum Aufgabenbereich des Rechtsanwalts gehöre und daß der durch die berufsständische Organisation bedingte Unterschied zwischen beiden Berufen mit der Aufnahme des Rechtsbeistands in die Kammer aufgehoben werde, reiche nicht aus, die Unterschiede auszugleichen, die nach Vor- und Ausbildung bestünden. Es sei nicht willkürlich, in der durch seine besondere Ausbildung erworbenen beruflichen Qualifikationen des Rechtsanwalts eine wesentliche Voraussetzung dafür zu sehen, daß bei einem beruflichen Zusammenwirken mit einem Anwaltsnotar der Anschein einer Gefährdung von dessen Unabhängigkeit und Unparteilichkeit vermieden werde. Hinzu komme, daß der Rechtsanwalt nach Ablauf bestimmter Wartezeiten selbst Anwaltsnotar werden könne; außerdem dürfe er Richter bei den Gerichten der Ehrengerichtsbarkeit sein, und es sei ihm gestattet, als Kammermitglied die Berufsbezeichnung Rechtsanwalt zu führen. All dies sei dem Rechtsbeistand versagt.
b) Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 12 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG. Dazu macht er geltend:
Der Beruf des Kammerrechtsbeistandes sei dem des Rechtsanwalts derart ähnlich, daß sich ohne ausdrückliche gesetzliche Bestimmung allein aus dem „Regelungszusammenhang” der verschiedenen Berufe kein den Anforderungen des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG genügendes gesetzliches Verbot entnehmen lasse. Auch die unterschiedliche Vor- und Ausbildung von Rechtsbeistand und Rechtsanwalt sei kein maßgeblicher Gesichtspunkt. Entscheidend könne nicht die Ausbildung sein, sondern allein das Berufsbild, wie es sich tatsächlich darstelle. Dies decke sich aber so weitgehend mit dem des Rechtsanwalts, daß das Sozietätsverbot auch den Gleichheitsgrundsatz verletze. Soweit darauf hingewiesen werde, daß sich der Rechtsbeistand durch Austritt aus der Kammer jederzeit der Aufsicht entziehen könne, werde überdies der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht beachtet. Ihm könne ohne weiteres die Auflage erteilt werden, die Sozietät wieder aufzulösen, falls sein Sozius aus der Kammer ausscheide.
c) Während der Präsident des Oberlandesgerichts Celle, der Präsident der Bundesnotarkammer und die Bundesrechtsanwaltskammer die angegriffenen Entscheidungen verteidigen, hält der Deutsche Anwaltverein die Verfassungsbeschwerde für begründet, weil es keine Rechtsgrundlage für das Sozietätsverbot gebe und eine Ungleichbehandlung von Kammerrechtsbeistand und Rechtsanwalt nicht gerechtfertigt sei.
Entscheidungsgründe
B.
Die Verfassungsbeschwerden sind begründet.
Die Sozietätsverbote erfüllen zwar die Anforderungen, die das Grundgesetz an solche Einschränkungen der Berufsfreiheit stellt (I.), sie verletzen die Beschwerdeführer jedoch in ihrem verfassungsrechtlichen Anspruch auf Gleichbehandlung (II.). Verstöße gegen Verfahrensgewährleistungen, die der Beschwerdeführer zu 1) rügt, liegen demgegenüber nicht vor (III.).
I.
Die den Beschwerdeführern auferlegten Verbote sind formell und inhaltlich mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar. Es handelt sich um Berufsausübungsregelungen (1.), die dem Rechtssatzvorbehalt des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG genügen (2.) und durch vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls gedeckt sind (3.).
1. Betroffen ist die Berufsausübung; denn die Sozietätsverbote versperren nicht den Zugang zu einem eigenständigen Beruf. Untersagt wird lediglich, den beruflichen Aufgaben in einer bestimmten Weise, nämlich gemeinsam mit Angehörigen eines anderen freien Berufs, nachzugehen. Diese berufliche Verbindung verleiht der notariellen Tätigkeit keinen neuen, eigenständigen Charakter.
Die Qualität einer Berufswahlbeschränkung gewinnt das Verbot im Falle des Beschwerdeführers zu 1) auch nicht dadurch, daß er wegen der bestehenden Sozietät nicht zum Notarberuf zugelassen wird. Der Staat hindert ihn nicht, den Beruf des Notars als solchen zu ergreifen, er darf ihn nur nicht als Sozius einer Steuerberaterin aufnehmen. Das Berufszulassungshindernis ist also nur Folge der Nichteinhaltung einer mit dem Notarberuf verbundenen Pflicht, die unabhängig von dieser Folge beurteilt werden muß.
Ähnliches gilt für den Beschwerdeführer zu 2). Ihm droht wegen der Sozietät die Amtsenthebung und damit der Verlust des Notarberufs. Diese Sanktion selbst betrifft zwar die Ebene der Berufswahl, hebt die Pflicht, an deren Verletzung sie anknüpft, aber nicht ebenfalls auf diese Stufe.
2. Den Verboten liegt eine hinreichend erkennbare und bestimmte gesetzliche Regelung im Sinne des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG zugrunde.
Zwar äußert sich die Bundesnotarordnung nicht ausdrücklich zu dieser Frage. Der Bundesgerichtshof bewegt sich jedoch im Rahmen herkömmlicher Rechtsfindung, wenn er die Verbote im Anschluß an Grundsätze, die das Bundesverfassungsgericht entwickelt hat (BVerfGE 54, 237 (245 f.)), aus dem Regelungszusammenhang der Bundesnotarordnung und des Beurkundungsgesetzes ableitet. Indem er – wie seinerzeit das Bundesverfassungsgericht – insbesondere § 1, § 3 Abs. 1, § 9 Abs. 1 und § 14 BNotO entnimmt, daß der Gesetzgeber die Unabhängigkeit des Notaramtes soweit wie irgend möglich sichern und jeder Beeinflussung der Unparteilichkeit durch wirtschaftliche Interessen entgegentreten wollte, und daraus schließt, daß für den Anwaltsnotar grundsätzlich keine anderen Sozietätsmöglichkeiten als mit einem Rechtsanwalt in Betracht kommen, gewinnt er einen Rechtssatz, der mit diesem Inhalt bereits im geschriebenen Recht angelegt ist. Es handelt sich um keine vom Gesetz so weit losgelöste Rechtsfindung, daß sie nicht mehr mit dem Vorbehalt des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG vereinbar wäre. Dabei ist es unschädlich, daß die Sozietätsverbote erst unter Berücksichtigung des Inhalts, den die einschlägigen Normen durch richterliche Auslegung erhalten haben, hinreichende Konturen bekommen; denn die Konkretisierung gesetzlicher Tatbestandsmerkmale gehört zu den anerkannten Aufgaben der Rechtsprechung, die sie auch im Interesse der verfassungsrechtlich geforderten Rechtssicherheit wahrnimmt. Entscheidend ist, daß die Berufsausübungsbeschränkungen aus den genannten Vorschriften selbst und ihrem Regelungszusammenhang ableitbar sind.
3. Auch inhaltlich halten die Sozietätsverbote den Anforderungen des Art. 12 Abs. 1 GG stand.
Sie sind von der Erwägung getragen, die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Notaramts zu wahren und bereits dem Anschein einer Gefährdung dieser Rechtsgüter vorzubeugen. Dies liegt im Interesse einer geordneten Rechtspflege und dient dem Allgemeinwohl. Zu diesem Zweck stehen die Sozietätsverbote nicht außer Verhältnis. Insoweit gelten unverändert die Grundsätze, die das Bundesverfassungsgericht zum Verbot der gemeinsamen Berufsausübung zwischen einem Anwaltsnotar und einem Wirtschaftsprüfer dargelegt (BVerfGE a.a.O., S. 249 f.) und die sich der Bundesgerichtshof auch hier zu eigen gemacht hat.
II.
Verfassungswidrig sind die in Rede stehenden Verbote dennoch, weil sie die Beschwerdeführer in einer sachlich nicht gerechtfertigten Weise ungleich behandeln (Art. 3 Abs. 1 GG). Es ist nicht nachvollziehbar, warum die Sozietät eines Anwaltsnotars mit einem Steuerberater, der gleichzeitig Rechtsanwalt ist, erlaubt sein soll, die mit einem Nur-Steuerberater dagegen nicht (1.). Desgleichen ist unverständlich, warum ein Kammerrechtsbeistand nicht ebenso sozietätsfähig sein soll wie ein Rechtsanwalt (2.).
1. Die Unterschiede zwischen einem Nur-Steuerberater und einem Rechtsanwalt-Steuerberater sind nicht von solcher Art und solchem Gewicht, daß sie diese Ungleichbehandlung rechtfertigen können (vgl. zu diesem Prüfungsmaßstab BVerfGE 55, 72 (88); st. Rspr.).
Die Steuerberatung ist bloßer Ausschnitt der Tätigkeit des Rechtsanwalts. Dessen Aufgabenfeld ist lediglich umfassender gestaltet. Maßgeblich für die hier zu entscheidende Frage ist daher, ob bei einem Rechtsanwalt von einer höheren Pflichtenbindung oder strengeren Berufsauffassung ausgegangen werden kann, die auf einen gleichzeitig ausgeübten Steuerberaterberuf – wie der Bundesgerichtshof es ausdrückt – „durchschlägt”; allein dann gäbe es einen sinnvollen Bezug zu dem mit dem Sozietätsverbot verfolgten Ziel, dem Anschein einer Gefährdung der Unabhängigkeit oder Unparteilichkeit des Notars vorzubeugen oder ihn nicht zu verstärken. Dies ist indessen nicht belegbar.
Abgesehen davon, daß die Steuerberatung ein Teil der Rechtsberatung ist, gleichen sich Stellung und Organisation beider Berufsstände. Bei beiden ist ausdrücklich geregelt oder anerkannt, daß sie neben der Interessenvertretung eine unabhängige Organstellung in der (Steuer-) Rechtspflege einnehmen (für den Rechtsanwalt: § 1 BRAO; für den Steuerberater: vgl. Späth in: Bonner Handbuch der Steuerberatung, Teil B, Rdnr. 20 vor § 1 StBerG). Sowohl Rechtsanwälte wie auch Steuerberater sind in Kammern zusammengeschlossen, die im Rahmen der ihnen eingeräumten Selbstverwaltung die Einhaltung der beruflichen Pflichten überwachen. Daneben sind sie gleichermaßen einer Berufsgerichtsbarkeit unterworfen. Die sie treffenden Standespflichten sind überwiegend parallel geregelt und decken sich weitgehend (§§ 57 ff. StBerG; §§ 43 ff. BRAO). Jedenfalls ist keine den Rechtsanwalt treffende Standespflicht erkennbar – eine solche wird vom Bundesgerichtshof auch nicht genannt –, die ihn in einer gleichzeitig ausgeübten Steuerberatungstätigkeit einschränken würde und damit den Notar dem Anschein einer zusätzlichen Gefährdung seiner Unabhängigkeit oder Unparteilichkeit entzöge. Der Bundesgerichtshof selbst hat in einer früheren Entscheidung (BGHZ 53, 103 (107)) zu Recht ausgeführt, daß der Beruf des Steuerberaters ebenso wie der des Rechtsanwalts ein freier Beruf sei und kein Gewerbe, daß es sich um einen gehobenen Beruf handele, der jedenfalls nach dem Steuerberatungsgesetz grundsätzlich auch eine akademische Ausbildung voraussetze, und daß daher keine Rede davon sein könne, er sei geringerwertiger als der des Rechtsanwalts einzuschätzen und schon deshalb nicht mit dem Amt des Notars zu vereinbaren.
Die Erwägung, daß eine strengere Berufsauffassung der Rechtsanwälte bestehe und auf eine gleichzeitig ausgeübte Steuerberatertätigkeit durchschlagen könnte, erweist sich somit als nicht stichhaltig. Damit entbehrt auch die Erwartung der Grundlage, bei der Sozietät mit einem Rechtsanwalt-Steuerberater könne es zu weniger Konfliktlagen als bei derjenigen mit einem Nur-Steuerberater kommen.
Es bleibt allerdings das auch vom Bundesverfassungsgericht für die gemeinsame Berufsausübung mit einem Wirtschaftsprüfer genannte Argument, die Zulassung solcher Sozietäten könne dazu führen, daß sich das Berufsbild des Anwaltsnotars von dem des Nur-Notars noch weiter entferne, als dies ohnehin der Fall sei. Diese Erwägung kann entscheidend sein, soweit es darum geht, ob ein weiterer Beruf überhaupt zusammen mit dem des Notars ausgeübt werden darf. Stellt sich jedoch allein das Problem, ob dieser weitere Beruf nur von einem assoziierten Rechtsanwalt in Personalunion ausgeübt wird oder auch von einem Sozius, der nicht Rechtsanwalt ist, kann dieser Gesichtspunkt keine Rolle spielen. Zumindest hat er dann nicht mehr solches Gewicht, daß er die Ungleichbehandlung rechtfertigen könnte; denn das Bild, das die berufliche Tätigkeit des Notars nach außen bietet, wird insoweit vorrangig, wenn nicht ausschließlich durch die Art der von seinen Sozien ausgeübten beruflichen Tätigkeiten geprägt und nicht dadurch, ob die Sozien diese Tätigkeiten gleichzeitig oder arbeitsteilig wahrnehmen.
2. Ebensowenig sachgerecht ist die Differenzierung, die in derselben Frage zwischen Rechtsanwälten und Kammerrechtsbeiständen vorgenommen wird.
Durch die mit der Neuregelung ihres Berufsrechts (Art. 2 und 3 des Fünften Gesetzes zur Änderung der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte vom 18. August 1980 (BGBl. I S. 1503)) geschaffene Möglichkeit, als Inhaber einer Vollerlaubnis auf Antrag Mitglied der Rechtsanwaltskammer zu werden (§ 209 BRAO i. d. F. des Art. 2 Abs. 5 des ÄndG), wurden für die Rechtsbeistände, die von dieser Möglichkeit Gebrauch machen, die Unterschiede beseitigt, die ihre Ungleichbehandlung mit Rechtsanwälten hinsichtlich ihrer Sozietätsfähigkeit mit Anwaltsnotaren gerechtfertigt hatten. Während den Rechtsbeiständen früher nicht einmal erlaubt war, eine berufliche Verbindung mit Rechtsanwälten einzugehen, weil sie ausnahmslos der staatlichen Aufsicht des zuständigen Amts- oder Landgerichtspräsidenten unterlagen, wird eine solche berufliche Verbindung nunmehr einhellig für zulässig gehalten, soweit der Rechtsbeistand Mitglied der Rechtsanwaltskammer ist (Beschluß der 53. Hauptversammlung der Bundesrechtsanwaltskammer vom 27. Mai 1983 (BRAK-Mitteilungen 1983, S. 117); Zuck in: Lingenberg/ Hummel/Zuck/Eich, Kommentar zu den Grundsätzen des anwaltlichen Standesrechts, 2. Aufl., Rdnrn. 32 ff. zu § 30; BGH, BRAK-Mitteilungen 1986, S. 223). Maßgeblich für die gewandelte Auffassung ist, daß der G e s e t z g e b e r für den „verkammerten” Rechtsbeistand wesentliche Teile der Bundesrechtsanwaltsordnung für anwendbar erklärt hat, indem er ihn von der Aufsicht der Justizverwaltung befreit, den für Rechtsanwälte geltenden standesrechtlichen Pflichten unterworfen sowie der Aufsicht der Rechtsanwaltskammer und der Ehrengerichte unterstellt hat (vgl. § 209 i. V. m. den §§ 43 ff., 60 ff. und 113 ff. BRAO). Im Rahmen seiner Befugnisse ist der Kammerrechtsbeistand damit unabhängiger und eigenverantwortlicher Berater und Vertreter der Rechtsuchenden (vgl. BGH, MDR 1983, S. 312 (313)). Als Gewerbe läßt sich seine Tätigkeit endgültig nicht mehr einordnen; anderenfalls wäre die gemeinsame Mitgliedschaft mit den freiberuflichen Rechtsanwälten in einer Kammer nicht vorstellbar. Wegen dieser Angleichung der Berufe ist die Annahme ihrer gegenseitigen Sozietätsfähigkeit nur konsequent. Dem entspricht auf der anderen Seite, daß bei der Entscheidung über die Aufnahme eines Rechtsbeistandes in die Rechtsanwaltskammer dieselben Versagungsgründe wie für die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft beachtet werden müssen (vgl. BGHZ 83, 350 (354)). Für die Rechtsstellung nach der Aufnahme in die Kammer sowie die Aufhebung oder das Erlöschen der Erlaubnis des Rechtsbeistandes gelten nach § 209 Satz 2 BRAO sinngemäß die Vorschriften dieses Gesetzes mit Ausnahme der §§ 4 bis 6, 12 und 18 bis 36. Das bedeutet auch, daß der Kammerrechtsbeistand dieselbe Unabhängigkeit aufweisen muß, wie sie vom Rechtsanwalt gefordert wird (§ 7 Nr. 8 BRAO – BGH a.a.O.).
Angesichts dieses Befundes läßt sich die unterschiedliche Behandlung von Kammerrechtsbeiständen und Rechtsanwälten hinsichtlich ihrer Sozietätsfähigkeit mit Anwaltsnotaren nicht mehr rechtfertigen. Zwar verfügen Kammerrechtsbeistände regelmäßig über eine geringere fachliche Qualifikation als Rechtsanwälte. Das ist für die hier zu entscheidende Frage jedoch unerheblich. Da ein Rechtsbeistand mit Ausnahme der Vor- und Ausbildung alle Voraussetzungen erfüllen muß, welche für die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft erforderlich sind, um in die Kammer aufgenommen zu werden, und da er als Kammermitglied denselben Standespflichten wie ein Rechtsanwalt unterliegt, könnte nur dann eine höhere Gefährdung für die korrekte Amtsführung des Notarsozius angenommen werden, wenn seine geringere berufliche Qualifikation es eher möglich erscheinen ließe, daß er seine beruflichen Pflichten weniger ernst nimmt als ein Rechtsanwalt. Eine solche Vermutung ist aber unzulässig. Mit der gesetzlich eröffneten Kammerzulassung ist wie mit der Zulassung als Rechtsanwalt gleichermaßen die durch die Erfüllung der gesetzlichen Zulassungsvoraussetzungen begründete Erwartung verbunden, daß der Berufstätige die ihm auferlegten Pflichten erfüllen wird. Ein „Mißtrauensvorschuß” für den verkammerten Rechtsbeistand läßt sich damit nicht vereinbaren.
Die Ungleichbehandlung wird auch nicht dadurch gerechtfertigt, daß der Bundesgerichtshof nicht von einer objektiven Beeinträchtigung der Unabhängigkeit oder Unparteilichkeit spricht, sondern von einem bloßen Anschein. Ein solcher Anschein böte allenfalls dann eine hinreichende Grundlage für eine Differenzierung zwischen Kammerrechtsbeistand und Rechtsanwalt, wenn es für ihn konkrete Anhaltspunkte gäbe. Diese nennt der Bundesgerichtshof nicht. Er erwähnt ausschließlich die geringeren Befugnisse des Rechtsbeistandes. Allein der Umstand, daß dieser nur einen Ausschnitt der dem Rechtsanwalt zugestandenen Aufgaben wahrnehmen darf, macht den Anschein einer größeren Gefährdung für die korrekte Amtsführung des assoziierten Notars aber nicht plausibel.
Im Zusammenhang damit steht die Erwägung, die dem Rechtsbeistand auferlegten Beschränkungen verengten im Regelfall die wirtschaftliche Grundlage und begründeten daher eine größere Gefahr für die Amtsführung des Sozius. Selbst wenn dieses Argument von seinem tatsächlichen Ausgangspunkt her zutreffend sein sollte, rechtfertigte dies allein nicht eine solch weitgehende Annahme. Auch der Hinweis, der Kammerrechtsbeistand könne sich der mit der Kammermitgliedschaft verbundenen besonderen Aufsicht jederzeit durch seinen Austritt entziehen, ohne seinen Beruf als Rechtsbeistand aufgeben zu müssen, bildet keine zureichende Grundlage für die vorgenommene Differenzierung; denn durch den Austritt aus der Kammer verliert er seine Sozietätsfähigkeit.
Soweit der Bundesgerichtshof schließlich darauf verweist, daß ein Rechtsanwalt nach Ablauf einer Wartezeit selbst Notar werden, Richter in der Ehrengerichtsbarkeit sein könne und der Kammerrechtsbeistand nicht die Berufsbezeichnung Rechtsanwalt führen dürfe, wird nicht deutlich, welchen Bezug diese Tatsachen zu der maßgeblichen Frage aufweisen. Sie könnten allenfalls Bedeutung für die – in den angegriffenen Entscheidungen allerdings nicht ausgesprochene – Erwägung haben, daß sie die berufliche Tätigkeit des Rechtsanwalts in die Nähe des Berufsbildes des Notars rücken und klar von der des Kammerrechtsbeistandes abheben. Aber auch das wäre kein zureichender Grund für die in Rede stehende Ungleichbehandlung. Die Anerkennung der Sozietätsfähigkeit weiterer Berufe neben dem des Rechtsanwalts mag das Berufsbild des Notars diffuser erscheinen lassen. Da bei dem mit einem Notar assoziierten Rechtsanwalt aber die gleichzeitige Ausübung des Steuerberaterberufs erlaubt ist, ist die Sozietätsfähigkeit ohnehin nicht auf den Rechtsanwalt beschränkt. Sie umfaßt danach auch artverwandte Berufe, deren Aufgaben sich als Ausschnitt der dem Rechtsanwalt erlaubten Berufstätigkeit darstellen. So verhält es sich auch hinsichtlich des Kammerrechtsbeistandes; insoweit – und nur darauf kommt es hier an – ist sein Beruf dem des Steuerberaters vergleichbar.
Der festgestellte Verstoß der angegriffenen Entscheidungen gegen das verfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgebot bedeutet nicht, daß der Gesetzgeber gehindert wäre, Anwaltsnotaren die Sozietät mit Angehörigen anderer freier Berufe, sogar mit dem des Rechtsanwalts, vollständig zu verbieten. Er ist aber gehindert, bei der Zulassung von Sozietäten ohne hinreichenden sachlichen Grund zu differenzieren.
III.
Die weitere Rüge des Beschwerdeführers zu 1), der Bundesgerichtshof habe in seinem Fall verfassungsrechtliche Verfahrensgewährleistungen mißachtet, greift demgegenüber nicht durch.
1. Zu Unrecht rügt er, seinem gesetzlichen Richter entzogen worden zu sein. Im Streit war allein seine Zulassung zum Notarberuf. Da sich die Zuständigkeit des Spruchkörpers nach diesem Streitgegenstand richtet, ist die Zuweisung der Sache an den Notarsenat nicht zu beanstanden.
2. Ebensowenig ist eine Verletzung seines Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs erkennbar. Art. 103 Abs. 1 GG gewährleistet, daß das Gericht den Vortrag der Parteien zur Kenntnis nimmt und in Erwägung zieht. Das Bundesverfassungsgericht kann einen Verstoß gegen diese Pflicht nur dann feststellen, wenn sich dies aus den besonderen Umständen des Falles ergibt (BVerfGE 22, 267 (274); st. Rspr.). Solche Umstände sind hier nicht ersichtlich. Vielmehr verlangt der Beschwerdeführer zu 1), daß die Richter sich mit seinem Vorbringen in einer Weise auseinandersetzen, die er selbst für richtig hält. Diese Auffassung findet in Art. 103 Abs. 1 GG keine Grundlage.
Fundstellen
Haufe-Index 1552227 |
DNotZ 1989, 627 |