Entscheidungsstichwort (Thema)
Verkehrsgutachter kein Freiberufler
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Gesetzesregelung des § 18 EStG beachtet, soweit sie sich auch auf „ähnliche Berufe” erstreckt, die rechtsstaatlichen Grundsätze der Normenklarheit und Justitiabilität.
2. Der Gesetzgeber bewegt sich im Bereich verfassungsrechtlich zulässiger Differenzierungen, soweit er Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit, insbesondere von Einkünften aus Gewerbebetrieb unterscheidet und an diese Unterscheidung ungleiche Rechtsfolgen knüpft.
3. Zur Beurteilung der Frage, ob ein Verkehrsgutachter eine freiberufliche Tätigkeit ausübt, kann das FG nicht nur auf die Ausbildung, sondern auch auf die ausgeübte Tätigkeit abstellen.
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3; EStG § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 2
Verfahrensgang
BFH (Beschluss vom 18.12.1989; Aktenzeichen IV R 114/87) |
FG Baden-Württemberg (Urteil vom 16.10.1987; Aktenzeichen XIII K 57/86) |
FG Baden-Württemberg (Urteil vom 26.08.1987; Aktenzeichen XIII K 57/86) |
Gründe
Die Verfassungsbeschwerde hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, denn sie verletzt den Beschwerdeführer nicht in seinen Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten.
Soweit der Gesetzgeber Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit, insbesondere von Einkünften aus Gewerbebetrieb unterscheidet und an diese Unterscheidung ungleiche Rechtsfolgen knüpft, bewegt er sich im Bereich verfassungsrechtlich zulässiger Differenzierungen. Insbesondere ist es ihm erlaubt, bei der Aufstellung des Katalogs der freien Berufe von seiner Gestaltungsfreiheit Gebrauch zu machen (vgl. BVerfGE 37, 38 ≪49≫; 46, 224 ≪239 ff.≫). Dabei beachtet die Gesetzesregelung des § 18 EStG, soweit sie sich auch auf „ähnliche Berufe” erstreckt, die rechtsstaatlichen Grundsätze der Normenklarheit und Justitiabilität. Die Auslegungsbedürftigkeit nimmt der gesetzlichen Regelung nicht ihre rechtsstaatlich gebotene Bestimmtheit (vgl. BVerfGE 21, 73 ≪79≫; 63, 312 ≪323≫).
Auch die Anwendung des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG durch die Finanzgerichte begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Die Auslegung des einfachen Rechts, die Würdigung und Subsumtion des festgestellten Sachverhalts sind grundsätzlich allein Sache der Steuergerichte (vgl. BVerfGE 18, 85 ≪92≫). Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG kann hier nur angenommen werden, wenn die Rechtsanwendung so fehlerhaft erscheint, daß sie nicht mehr verständlich ist und sich dadurch der Schluß aufdrängt, daß sie auf sachfremden Erwägungen beruht (vgl. BVerfGE 54, 117 ≪125≫; 67, 90 ≪94≫) oder wenn ein Beruf als freiberuflich nicht anerkannt wird, obwohl dieser Beruf den anerkannten freien Berufen so nahesteht, daß eine Nichtanerkennung sachlich nicht zu erklären wäre (vgl. BVerfGE 46, 224 ≪242≫). Ein solcher Verstoß ist jedoch im Falle des Beschwerdeführers nicht gegeben.
Die angegriffenen und durch den Bundesfinanzhof bestätigten Entscheidungen des Finanzgerichts lassen sich mit hinreichenden sachlichen Gründen rechtfertigen. Das Finanzgericht stellt darauf ab, daß die selbständige Berufstätigkeit eines Ingenieurs voraussetzt, daß der Steuerpflichtige die aufgrund der Ingenieurgesetze der Länder vorgeschriebene Berufsausbildung abgeschlossen hat. Die Ausbildung ist in aller Regel ein zulässiges und sachlich einleuchtendes Differenzierungskriterium für die Zuordnung zu einem Katalogberuf des § 18 EStG. Soweit der Beschwerdeführer die Ähnlichkeit seiner Tätigkeit mit der eines Ingenieurs geltend macht, hat das Finanzgericht nicht nur auf die Ausbildung, sondern insbesondere auf die von dem Beschwerdeführer ausgeübte Tätigkeit abgestellt. Dabei ist es zu dem Ergebnis gelangt, daß die praktische Tätigkeit des Beschwerdeführers keine mathematisch-technischen Kenntnisse voraussetze, die üblicherweise nur durch eine Berufsausbildung als Ingenieur vermittelt würden. Der Schwerpunkt der Tätigkeit des Beschwerdeführers liegt danach nicht in einem für den Ingenieurberuf wesentlichen oder typischen Bereich. Es ist nicht erkennbar, daß die Entscheidungen des Finanzgerichts insoweit objektiv schlechthin unvertretbar oder sachlich ohne Bezug auf den Maßstab des Gesetzes sind.
Soweit der Beschwerdeführer sich auf Wettbewerbsverzerrungen beruft, hat die Verfassungsbeschwerde ebenfalls keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Daß Verkehrsgutachten, die das Schwergewicht der Tätigkeit des Beschwerdeführers darstellen, typischerweise von Ingenieuren mit einer Hochschulausbildung erstellt werden, ist weder vorgetragen noch erkennbar. Das Finanzgericht verweist in seinen Urteilen ausdrücklich darauf, daß ein großer Teil der Kraftfahrzeug-Sachverständigen nicht freiberuflich tätig sei. Auch die höchstrichterliche Rechtsprechung hat vielfach die freiberufliche Tätigkeit von Kraftfahrzeug-Sachverständigen verneint (vgl. BFH, Urteil vom 7. September 1989 – IV R 156/86 –, STRK EStG 1975, § 18 Abs. 1 R. 44). Wettbewerbsverzerrungen zwischen Angehörigen der freien Berufe und den übrigen Kraftfahrzeug-Sachverständigen infolge der Belastung mit Gewerbesteuern liegen danach in der Regel nicht vor.
Auch im übrigen ist eine Verletzung von Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten des Beschwerdeführers nicht erkennbar.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Fundstellen