Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulassungsvoraussetzungen für Steuerberaterprüfung. § 36 Abs. 2 StBerG gilt nicht für Bedienstete der Gemeindefinanzverwaltung
Leitsatz (redaktionell)
1. Die mit der Steuerberatung verbundene Berufsaufgabe dient der Steuerrechtspflege, die ein wichtiges Gemeinschaftsgut ist, zu deren Schutz der Gesetzgeber Anforderungen an die persönliche Eignung des Berufsbewerbers stellen und insbesondere den Nachweis der für eine sachgerechte Berufsausübung als Steuerberater benötigten Kenntnisse und Fähigkeiten verlangen kann (subjektive Zulassungsvoraussetzung).
2. Daß nur bei Beamten und Angestellten des gehobenen Dienstes der staatlichen Finanzverwaltung, nicht aber der Gemeindefinanzverwaltung von einer im Verhältnis zu § 36 Abs. 1 StBerG gleichwertigen Vorbildung als Zulassungsvoraussetzung zur Steuerberaterprüfung ausgegangen werden kann, ist mit Art. 12 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar.
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1; StBerG § 36 Abs. 2, 1
Verfahrensgang
BFH (Beschluss vom 03.02.1987; Aktenzeichen VII B 137/85) |
FG München (Urteil vom 19.09.1985; Aktenzeichen IV 115/85 StB) |
Gründe
Der Beschwerdeführer rügt, auch wenn er § 36 Abs. 2 StBerG mittelbar angreift, nicht die Verfassungswidrigkeit dieser Norm als solcher, sondern die Auslegung des Tatbestandsmerkmals „Finanzverwaltung” durch die angegriffenen Entscheidungen. Diese Rüge geht fehl.
1. Die Anwendung und Auslegung der Norm obliegt den Fachgerichten und ist durch das Bundesverfassungsgericht nur eingeschränkt zu überprüfen (vgl. BVerfGE 18, 85 ≪92 f.≫; 42, 143 ≪148 f.≫; 43, 130 ≪135 f.≫). Selbst bei Anlegung eines strengeren Prüfungsmaßstabes wegen der Beschränkung der Berufsfreiheit des Beschwerdeführers ist nicht ersichtlich, daß die Finanzgerichte die Ausstrahlungswirkung des Art. 12 Abs. 1 GG verkannt hätten. Eine ausdrückliche gesetzliche Regelung mit dem jetzt durch Auslegung ermittelten Inhalt der Norm wäre von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden.
a) Der Zugang zum Beruf des Steuerberaters ist nach § 36 Abs. 2 StBerG an die Erfüllung bestimmter Voraussetzungen in der Person des Berufsbewerbers geknüpft. Eine solche Regelung, die die Aufnahme der Berufstätigkeit von dem Erfordernis einer qualifizierten und im einzelnen geregelten Ausbildung und des Nachweises der erworbenen Fähigkeiten und Kenntnisse durch die Ablegung einer Prüfung abhängig macht, ist als subjektive Zulassungsregel nur gerechtfertigt, soweit dadurch ein überragendes Gemeinschaftsgut, das der Freiheit des Einzelnen vorgeht, geschützt werden soll (vgl. BVerfGE 55, 185 ≪196≫; 69, 209 ≪218≫). Das Bundesverfassungsgericht hat bereits mehrfach entschieden, daß die mit der Steuerberatung verbundenen Berufsaufgaben der Steuerrechtspflege dienen, die ein wichtiges Gemeinschaftsgut ist (vgl. BVerfGE 21, 173 ≪179≫; 55, 185 ≪195≫). Die Regelung der Befugnis zur Steuerberatung berücksichtigt das Interesse der Steuerpflichtigen, sich bei der Erledigung ihrer Steuerangelegenheiten der Hilfe anderer Personen zu bedienen, sowie das Interesse der Allgemeinheit, daß im Steuerwesen nur Personen tätig werden, denen die Bearbeitung öffentlicher Angelegenheiten ohne Sorge anvertraut werden kann (BverfGe 55, 185 ≪196≫). Zum Schutz des Gemeinschatsgutes Steuerrechtspflege steht dem Gesetzgeber die Befugnis zu, Anforderungen an die persönliche Eignung der Berufsbewerber zu stellen und insbesondere den Nachweis der für eine sachgerechte Berufsausübung als Steuerberater benötigten Kenntnisse und F'ähigkeiten zu verlangen.
b) Gegen die gerügte Auslegung der Norm bestehen am Maßstab des Art. 12 Abs. 1 GG keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Die von den Fachgerichten vorgenommene ständige Auslegung des § 36 Abs. 2 StBerG steht nicht außer Verhältnis zu dem angestrebten Zweck der ordnungsgemäßen Erfüllung der Berufstätigkeit und stellt keine übermäßige, unzumutbare Belastung dar (vgl. BVerfGE 7, 377 ≪406 f.≫; 64, 72 ≪82≫; 69, 209 ≪218≫).
Die vorgenommene Auslegung der Norm ist geeignet, den angestrebten Zweck für das allgemeine Wohl zu erreichen. Bei der Festschreibung, daß der Nachweis des fachlichen Könnens durch eine bestimmte Ausbildung und die Ablegung einer bestimmten Prüfung erbracht werden muß, darf nach Maßgabe formalisierter Qualifikationsnachweise differenziert werden (vg:. BVerfGE 13, 97 ≪115≫). Die Beschränkung der Zulassung auf Beamte und Angestellte des gehobenen Dienstes der Finanzverwaltung ist geeignet,um sicherzustellen, daß nur Personen zur Prüfung zugelassen werden, bei denen aufgrund des breiten Tätigkeitsbereichs und der Erfahrung in Steuersachen die zu den späteren Berufsaufgaben eines Steuerberaters gehören, von einer im Verhältnis zu den Voraussetzungen des § 36 Abs. 1 StBerG gleichwertigen Vorbildung ausgegangen werden kann.
Auch unter dem Gesichtspunkt der Erforderlichkeit bestehen keine durchgreifenden Bedenken. Bei der Auslegung des Gesetzes hinsichtlich der Zugangsvoraussetzungen zur Steuerberaterprüfung für Beamte und Angestellte des gehobenen Dienstes darf von durchschnittlich gerechtfertigten Qualifikationserfordernissen ausgegangen werden (vgl. BVerfGE 13, 97 ≪117≫). Die mit der angegriffenen Auslegung angenommenen Zulassungsvoraussetzungen stehen weder nach ihrer Art noch nach Ihrem Ausmaß außer Verhältnis zu dem Ziel, die ordnungsgemäße Berufsausübung der Steuerberater durch eine umfassende praktische Vorbildung möglichst sicherzustellen. Dies wird auch von dem Beschwerdeführer nicht in Frage gestellt. Soweit er meint, er müsse zur Steuerberaterprüfung zugelassen werden, da sein Qualifikationsstand dem der Angehörigen der Finanzverwaltung entspreche, kann ihm nicht gefolgt werden. Es ist gerade Kennzeichen der Typisierung, daß andere als die zulässigerweise vom Gesetzgeber geforderten Qualifikationsnachweise nicht berücksichtigt werden können.
Bei der Beurteilung der Zumutbarkeit ist nicht die Interessenlage des Einzelnen maßgebend, sondern eine generalisierende Betrachtungsweise geboten (vgl. BVerfGE 30, 292 ≪316≫; 68, 193 ≪219≫). Die Möglichkeit allein, daß eine generelle Regelung im Einzelfall den Zugang zu einem weiteren Beruf sehr erschwert, rechtfertigt es nicht, sie unter dem Gesichtspunkt der Unzumutbarkeit von Verfassungs wegen zu beanstanden. Die Auffassung, unter Finanzverwaltung im Sinne des § 36 Abs. 2 StBerG sei nur die staatliche Finanzverwaltung zu verstehen, ist seit Jahrzehnten in Rechtsprechung und Literatur unumstritten. Davon mußte der Beschwerdeführer bei seinem Wechsel in die kommunale Finanzverwaltung ausgehen. Bei der Frage der Zumutbarkeit ist auch zu berücksichtigen, daß dem Beschwerdeführer der Beruf des Steuerberaters nicht endgültig versperrt ist. Es bleibt ihm der Weg, die Zulassung zur Prüfung nach den allgemeinen Zulassungsvoraussetzungen des § 36 Abs. 1 StBerG zu betreiben.
2. Es verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG, wenn die Zulassung zur Steuerberaterprüfung auf solche Personen beschränkt wird, die sieben Jahre in der Finanzverwaltung des Bundes und der Länder tätig waren. Der Gleichheitssatz verbietet es, eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders zu behandeln, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, daß sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (vgl. BVerfGr, 55, 72 ≪88≫; 64, 229 ≪239≫; 65, 104 ≪112≫; 71, 146 ≪154 f.≫. Diese verfassungsrechtlichen Anforderungen sind im vorliegenden Fall gewahrt. Die Stellungnahmen der Bundesregierung und des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen führen zutreffend aus, daß die Nichtaufnahme von Bediensteten der Gemeinden in die Vergänstigung des § 36 Abs. 2 StBerG sachlich begründet ist. Die Tätigkeit der Beamten in der gemeindlichen Steuerverwaltung erstreckt sich in aller Regel auf Gebiete, mit denen ein Steuerberater im Rahmen seiner Berufsausübung nur sehr selten zu tun hat. Diese unterschiedlichen Tätigkeitsgebiete der Angehörigen der beiden Gruppen rechtfertigen eine ungleiche Behandlung bei der Ausnahmeregel des § 36 Abs. 2 StBerG. Dem Einwand des Beschwerdeführers, anstelle von formaler müsse nach materialer Qualifikation entschieden werden, kann nicht gefolgt werden. Keine Regelung, die die Zugangsvoraussetzungen für eine Prüfung festlegt, kommt ohne formale Qualifikationsanforderungen aus. Die hier in Rede stehende Differenzierung beruht auf sachlichen Gesichtspunkten und ist deshalb mit Art. 3 GG vereinbar.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Fundstellen