Entscheidungsstichwort (Thema)
Verdeckte Gewinnausschüttung, Steueranrechnung, Unvereinbarkeit § 8a Abs. 1 Nr. 2 KStG mit Gemeinschaftsrecht
Leitsatz (amtlich)
Artikel 43 EG ist dahin auszulegen, dass er einer Maßnahme wie der in § 8a Absatz 1 Nummer 2 des Körperschaftsteuergesetzes enthaltenen entgegensteht.
Normenkette
KStG § 8a; EG Art. 43 (früher Art. 52 EGVtr)
Beteiligte
Verfahrensgang
Tatbestand
Niederlassungsfreiheit - Steuerrecht - Körperschaftsteuer - Verdeckte Gewinnausschüttung - Steueranrechnung - Kohärenz des Steuersystems - Steuerumgehung
In der Rechtssache C-324/00
betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 234 EG vom Finanzgericht Münster (Deutschland) in dem bei diesem anhängigen Rechtsstreit
Lankhorst-Hohorst GmbH
gegen
Finanzamt Steinfurt
vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung von Artikel 43 EG
erlässt
DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Wathelet (Berichterstatter) sowie der Richter C. W. A. Timmermans, D. A. O. Edward, P. Jann und A. Rosas,
Generalanwalt: J. Mischo
Kanzler: L. Hewlett, Hauptverwaltungsrätin
unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen
- der deutschen Regierung, vertreten durch W.-D. Plessing und T. Jürgensen als Bevollmächtigte,
- der dänischen Regierung, vertreten durch J. Molde als Bevollmächtigten,
- der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch J. E. Collins als Bevollmächtigten im Beistand von R. Singh, Barrister,
- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch R. Lyal als Bevollmächtigten im Beistand von Rechtsanwalt R. Bierwagen,
aufgrund des Sitzungsberichts,
nach Anhörung der mündlichen Ausführungen der Lankhorst-Hohorst GmbH, vertreten durch die Steuerberater J. Schirmer und J. A. Schirmer, der deutschen Regierung, vertreten durch W.-D. Plessing und G. Müller-Gatermann als Bevollmächtigte, der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch J. E. Collins im Beistand von R. Singh, und der Kommission, vertreten durch R. Lyal im Beistand von R. Bierwagen, in der Sitzung vom 30. Mai 2002,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 26. September 2002,
folgendes
Urteil
1.
Das Finanzgericht Münster hat mit Beschluss vom 21. August 2000, beim Gerichtshof eingegangen am 4. September 2000, gemäß Artikel 234 EG eine Frage nach der Auslegung des Artikels 43 EG zur Vorabentscheidung vorgelegt.
2.
Diese Frage stellt sich in einem Rechtsstreit zwischen der Lankhorst-Hohorst GmbH (im Folgenden: Lankhorst-Hohorst) mit Sitz in Rheine (Deutschland) und dem Finanzamt Steinfurt über die Veranlagung zur Körperschaftsteuer für die Geschäftsjahre 1997 und 1998.
Nationaler rechtlicher Rahmen
3.
Das Körperschaftsteuergesetz (im Folgenden: KStG) enthält in der in den Jahren 1996 bis 1998 geltenden Fassung einen mit Gesellschafter-Fremdfinanzierung überschriebenen § 8a, der in Absatz 1 Folgendes vorsieht:
Vergütungen für Fremdkapital, das eine unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaft von einem nicht zur Anrechnung von Körperschaftsteuer berechtigten Anteilseigner erhalten hat, der zu einem Zeitpunkt im Wirtschaftsjahr wesentlich am Grund- oder Stammkapital beteiligt war, gelten als verdeckte Gewinnausschüttungen,
…
2. wenn eine in einem Bruchteil des Kapitals bemessene Vergütung vereinbart ist und soweit das Fremdkapital zu einem Zeitpunkt des Wirtschaftsjahrs das Dreifache des anteiligen Eigenkapitals des Anteilseigners übersteigt, es sei denn, die Kapitalgesellschaft hätte dieses Fremdkapital bei sonst gleichen Umständen auch von einem fremden Dritten erhalten können oder es handelt sich um Mittelaufnahmen zur Finanzierung banküblicher Geschäfte;
…
4.
Aus dem Vorlagebeschluss ergibt sich, dass allgemein vom Recht zur Steueranrechnung zum einen gebietsfremde Anteilseigner ausgeschlossen sind und zum anderen die von der Körperschaftsteuer befreiten juristischen Personen deutschen Rechts, d. h. öffentlich-rechtliche Körperschaften sowie Körperschaften, die auf einem speziellen Gebiet wirtschaftlich tätig sind und als förderungswürdig angesehene Aufgaben erfüllen.
Ausgangsverfahren und Vorabentscheidungsfrage
5.
Lankhorst-Hohorst befasst sich mit dem Vertrieb von Schiffszubehör, Wassersportartikeln, Freizeit- und Bastelartikeln, Freizeit- und Berufskleidung, Dekorationsgegenständen sowie Eisenwaren und ähnlichen Gegenständen. Ihr Stammkapital wurde im August 1996 auf 2 Mio. DM erhöht.
6.
Alleinige Gesellschafterin von Lankhorst-Hohorst ist die Lankhorst-Hohorst BV (im Folgenden: LH BV) mit Sitz in Sneek in den Niederlanden. Alleinige Gesellschafterin dieser Firma ist die Lankhorst Taselaar BV (im Folgenden: LT BV) mit Sitz in Lelystad, ebenfalls in den Niederlanden.
7.
Mit Vertrag vom 1. Dezember 1996 gewährte die LT BV Lankhorst-Hohorst ein Darlehen in Höhe von 3 Mio. DM, das in zehn Raten zu 300 000 DM jährlich, beginnend mit dem 1...