Entscheidungsstichwort (Thema)
Zurechnung von Zinseinkünften aufgrund eines verdeckten Treuhandverhältnisses. Tatbestands- und Verbotsirrtum bei einem ausländischen Steuerpflichtigen
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein zur abweichenden Zurechnung von Einkünften aus Kapitalvermögen führendes verdecktes Treuhandverhältnis ist nur wirksam, wenn es eindeutig vereinbart worden und nachweisbar ist; andernfalls erfolgt gem. § 159 Abs. 1 S. 1 AO die Zurechnung nicht beim Treugeber, sondern beim Treuhänder.
2. Weigert sich der Steuerpflichtige bei der Aufklärung eines Sachverhalts, der sich auf Vorgänge außerhalb des Geltungsbereichs der AO bezieht, mitzuwirken, ist das FG nach § 76 Abs. 1 S. 4 FGO i.V.m. § 90 Abs. 2 AO zur weiteren Sachverhaltsermittlung nicht verpflichtet.
3. Der Besteuerung ausländischer Kapitaleinkünfte im Inland steht Art. 11 DBA Türkei nicht entgegen.
4. War ein türkischer Steuerpflichtiger als geprüfter Übersetzer und vereidigter Dolmetscher für die Sprache Deutsch tätig, scheidet aufgrund seiner Sprachkenntnisse eine nur leichtfertige Steuerverkürzung aus, da zumindest ein Eventualvorsatz gegeben ist.
5. Werden ausländische Kapitaleinkünfte unter eigenem Namen im Rahmen eines verdeckten Treuhandverhältnisses vereinnahmt, ist auch für den juristischen Laien ersichtlich, dass der Treuhänder die Einkünfte zu versteuern hat, so dass ein Tatbestandsirrtum nach § 16 StGB ausscheidet.
6. Ein Verbotsirrtum nach § 17 StGB scheidet aus, wenn ein türkischer Dolmetscher bei der Fertigung seiner Einkommensteuererklärungen und der für ihn somit ohne Sprachbarriere verständlichen Frage nach ausländischen Kapitaleinkünften bei der ihm zumutbaren Anspannung seines Gewissens die Einsicht hätte gewinnen können, dass diese Einkünfte in Deutschland der Einkommensbesteuerung unterliegen.
Normenkette
DBA Türkei Art. 11; AO § 39 Abs. 2 Nr. 1 S. 2, § 159 Abs. 1 S. 1, § 169 Abs. 2, § 173 Abs. 1 Nr. 1, § 370 Abs. 1 Nr. 1; FGO § 76 Abs. 1 S. 1; EStG § 20 Abs. 1 Nr. 7, § 34c Abs. 1-2; StGB §§ 16-17
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten sind die geänderten Einkommensteuerfestsetzungen der Veranlagungszeiträume 1995, 1997, 1998, 1999 und 2001 infolge nachträglich bekannt gewordener Zinserträge aus ausländischen Quellen sowie hinsichtlich des Veranlagungszeitraums 2003 die erstmals festgesetzte Einkommensteuer aufgrund der für diesen Veranlagungszeitraum geschätzten Einkünfte aus Kapitalvermögen streitig.
Der steuerlich nicht vertretene verheiratete Kläger wohnte in den Streitjahren in – X – und wurde mit seiner Ehefrau zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger war bis zum 8. Juli 2001 selbstständig als geprüfter Übersetzer und vereidigter Dolmetscher für die Sprachen Deutsch und Türkisch berufstätig. Seine Ehefrau arbeitete als Krankenschwester und ist seit 1. April 2002 in Rente. Die Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre 1995, 1997, 1998, 1999 und 2001 gingen am 1. April 1996, 7. Mai 1998, 28. Januar 1999, 12. Mai 2000 und 4. Oktober 2002 beim Beklagten ein. Für das Streitjahr 2003 wurde keine Erklärung abgegeben. In den vorgenannten Einkommensteuererklärungen wurden unter anderem Einnahmen des Klägers aus einer türkischen Rente, jedoch keine Einnahmen aus Kapitalvermögen erklärt.
Dem Beklagten wurde durch Ermittlungen der zuständigen Steuerfahndungsstelle bei der … (YZ) am 5. Mai 2003 mitgeteilt, dass der Kläger am 8. Juli 1994 zweimal je 20.000 DM, am 10. Juni 1994 zweimal je 20.000 DM und am 24. Juli 1994 einmal 10.000 DM Bankeinzahlungen getätigt habe. Der Kläger wurde am 1. September 2003 um Auskunft ersucht. Nach wiederholter Aufforderung erklärte der Kläger am 13. Oktober 2005 Zinseinnahmen als Treuhänder aus einem Treuhandverhältnis mit seinem Schwager. Die im Veranlagungszeitraum 1996 zunächst dem Kläger zugerechneten Zinsen wurden im Verlauf des nachfolgenden Rechtsbehelfsverfahrens dem Schwager zugerechneten und dem Einspruch hinsichtlich der geänderten Einkommensteuerfestsetzung des Veranlagungszeitraums 1996 abgeholfen.
Der Kläger reichte am 2. November 2005 Kontounterlagen in Kopie der YZ über Zinserträge für die Kalenderjahre 1995, 1997, 1998 und 1999 in Höhe von 80.085 DM, 50.076 DM, einen 50.767 DM und 54.469 DM nach. Die Einkommensteuerbescheide der Veranlagungszeiträume 1995, 1997, 1998 und 1999 wurden daher nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) am 6. Dezember 2005 geändert und die nachträglich erklärten Zinsen als Einnahmen aus Kapitalvermögen angesetzt. Gegen diese Änderungsbescheide wurde am 12. Dezember 2005 jeweils Einspruch erhoben.
Zum Verbleib des in 1999 abgeflossenen Kapitals in Höhe von umgerechnet 1.795.593 DM wurden auch auf Nachfrage des Beklagten keine Angaben gemacht. Der Beklagte ging daher unter Abzug eines jährlichen Verbrauchs in Höhe von 50.000 DM bzw. 25.000 EUR und den Anschaffungskosten einer Wohnung in 2002 in Höhe von 35.000 EUR von einer zweijährigen...