Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen für die Gewährung von Kindergeld für ein über 25-jähriges Kind. kein Anspruch auf Kindergeld oder Beweislastumkehr aufgrund sitten- und verfassungswidrigen Verhaltens des Landes Baden-Württemberg. Verfassungsmäßigkeit der Absenkung der Altersgrenze für berücksichtigungsfähige Kinder von 27 auf 25 Jahre
Leitsatz (redaktionell)
1. Für ein Kind, das im Mai 2008 sein 25. Lebensjahr vollendet hat, besteht ein Kindergeldanspruch ausnahmsweise nur dann, wenn es entweder wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten oder den gesetzlichen Grundwehrdienst oder Zivildienst geleistet hat, sich zum Wehrdienst verpflichtet hat oder eine Tätigkeit als Entwicklungshelfer ausgeübt hat.
2. Der Nachweis für das Vorliegen einer Behinderung des Kindes wird durch die Vorlage eines Schwerbehindertenausweises erbracht. Bloße Arztbesuche beim Zahnarzt oder Psychiater ohne Vortrag einer Diagnose sind nicht geeignet, eine Behinderung anzunehmen.
3. Ein Kind ist nicht außerstande, sich selbst zu unterhalten, wenn es ein Fernstudium abgeschlossen hat und im Haushalt seiner Eltern einen Internethandel betreibt.
4. Aus der Behauptung, das Land Baden-Württemberg habe sich sitten- und verfassungswidrig verhalten, ergibt sich für ein über 25-jähriges Kind weder einen Anspruch auf Kindergeld noch eine Beweislastumkehr dahingehend, dass ein irreparabler Gesundheitsschaden des Kindes eingetreten sei.
5. Die zum 1.1.2007 in Kraft getretene Absenkung der Altersbegrenzung für berücksichtigungsfähige Kinder in der Berufsausbildung von 27 auf 25 Jahre durch Artikel 1 Nr. 11 des Steueränderungsgesetzes vom 19.7.2006 (BGBl I 2006, 1652) enthält keinen Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot.
Normenkette
EStG § 32 Abs. 4 S. 1 Nrn. 2a, 3, Abs. 5, §§ 62, 63 Abs. 1 S. 2; SGB IX § 2 Abs. 1; GG Art. 20 Abs. 3
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Soweit der Kläger Kindergeld für Juni 2008 begehrt, wird die Revision zugelassen.
Tatbestand
Der verheiratete Kläger war früher als Lehrer tätig und wurde mit Ablauf des Juli 2006 in den Ruhestand versetzt. Seit 1. August 2006 erhält er Versorgungsbezüge.
Der Kläger hat drei Kinder. Für sein zweitältestes Kind, seinen Sohn X, geboren im Mai 1983, wurde laufend Kindergeld bezahlt, zunächst an die Ehefrau des Klägers, ab 2006 an den Kläger.
X hat weder Wehr- noch Zivildienst geleistet. Er studierte nach seinem Abitur im Jahr 2003 zunächst an der Pädagogischen Hochschule. Aufgrund eines Sportunfalls (Knieverletzung) wurde er ein oder zwei Semester beurlaubt und brach das Studium im zweiten Semester ab. Anschließend nahm er an der Technischen Hochschule in W ein technisches Studium auf, das er wiederum nach ein oder zwei Semestern abbrach. Von April 2006 bis Mai 2008 absolvierte er am B – Institut für Sport, … ein Fernstudium, das unstreitig Berufsausbildung darstellt. Am 19. Mai 2008 legte er die Abschlussprüfung ab. Das Diplomzeugnis wurde am 11. Juni 2008 ausgestellt und X noch im Laufe des Monats Juni 2008 ausgehändigt. Von diesem Zeitpunkt an bis zur mündlichen Verhandlung wohnte X im Haushalt des Klägers und richtete einen Internethandel für Mode ein, den er von dort aus betrieb.
Im Februar 2008 teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass X in Kürze sein 25. Lebensjahr vollenden werde. Die Zahlung des Kindergeldes werde daher ab Juni 2008 eingestellt werden. Falls ein Ausnahmetatbestand vorliege, so werde der Kläger gebeten, dies mitzuteilen.
Mit Schreiben vom 10. Juni 2008 machte der Kläger für X einen Ausnahmetatbestand geltend. Alle seine drei Kinder seien ab 1994, dem Zeitpunkt der rechtswidrigen Veröffentlichung der Daten ihrer Mutter als Lehrerin, an ihren jeweiligen Schulen vom Land „gläsern” gestellt worden. Dadurch seien die Grundrechte, Persönlichkeitsrechte und Bürgerrechte seiner Kinder verletzt worden, insbesondere das Bundesdatenschutzgesetz, das Recht auf informationelle Selbstbestimmung sowie die Grundrechte der Art. 1 bis 6 des Grundgesetzes (GG). Zudem habe das Land § 98 Landesbeamtengesetz (LBG) verletzt. Die Familie des Klägers werde vom „hoheitlichen” Land willkürlich behandelt. Das Land sei zu einem „Horrorarbeitgeber mutiert”, der die Bespitzelungsaffären bei Siemens, Lidl und bei der Telekom bei weitem übertreffe.
Am 16. Juli 2008 forderte der Beklagte den Kläger auf, eine Bescheinigung über Art und Dauer des Wehr- oder Zivildienstes von X vorzulegen.
Mit Bescheid vom 18. Juli 2008 hob der Beklagte die Festsetzung des Kindergelds für X ab Juni 2008 auf. X habe seine Hochschulausbildung im Laufe des Monats Mai 2008 mit der offiziellen Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses beendet.
Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 13. August 2008, das am 15. August 2008 beim Bekla...