rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an die Erkennbarkeit einer mit dem Steuerbescheid verbundenen abweichenden Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen. Einkommensteuer 1993
Leitsatz (amtlich)
1. Wird eine niedrigere Festsetzung der Steuer aus Billigkeitsgründen (§ 163 AO) mit dem Steuerfestsetzungsverfahren verbunden, muss im Wege der Auslegung klar erkennbar sein, ob und in welchem Umfang vom Ansatz gesetzlicher Steuern abgewichen worden ist.
2. Dazu muss in den Erläuterungen zum Steuerbescheid zum Ausdruck kommen, dass die Steuer aus Billigkeitsgründen niedriger festgesetzt worden ist, und es muss der Umfang des Erlasses ersichtlich sein, mithin die Höhe der Steuer ohne Erlass und nach Erlass.
Normenkette
AO 1977 § 163 Abs. 1 Sätze 3, 1, § 155
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger.
Tatbestand
Der Kläger (Kl) ist von Beruf und wohnt mit seiner Ehefrau, der Klägerin (Klin), in. Seine praxis betreibt er in.
In der gemeinsamen Einkommensteuer (ESt)-Erklärung der Kl für das Streitjahr ist in der Zeile 32 der Anlage GSE (Einkünfte aus selbständiger Arbeit) folgendes vermerkt: „gemäß F-Bescheid”
Darüber hinaus führten die Kl in einer Anlage zur Anlage GSE 1993 folgendes aus:
„Hiermit rege ich zu 1993 die billigkeitshalber niedrigere Einkünftefestsetzung nach § 163 an.
Im Jahre 1993 erkrankte ich an einer heimtückischen Krankheit der; im Dezember 1993 wurde es akut. Seit Januar 1994 habe ich deshalb einen Vertreter in der Praxis; ich mußte meine Zeit in Kliniken und Krankenhäusern zubringen, einschließlich Operation. So ist voraussichtlich 1993 mein letztes gutes Einkünfte-Jahr. 1994 wird in den nächsten Wochen gebucht, so daß die Einkünfte 1994 bald ebenfalls vorliegen.
Mein Vorschlag im Sinne von § 163: DM.
Derselbe Antrag wurde auch beim Finanzamt gestellt.
03.03.1995.”
Im ESt-Bescheid für 1993 vom 1. August 1995 ging der Beklagte (Bekl) bei der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen von Einkünften des Kl aus selbständiger Arbeit in Höhe von DM aus. Nähere Ausführungen hierzu finden sich in den Erläuterungen zu diesem ESt-Bescheid nicht.
Am 29. August 1995 ging beim beklagten Finanzamt (FA) eine Mitteilung über die gesonderte Gewinnfeststellung 1993 für die praxis des Kl vom zuständigen FA ein. In den Feststellungen werden Einkünfte des Kl aus freiberuflicher Tätigkeit in Höhe von DM ausgewiesen.
Unter „Begründung und Nebenbestimmungen” in dieser Mitteilung findet sich folgender handschriftliche Vermerk:
„Ihrem Antrag auf abweichende Festsetzung von Steuern aus Billigkeitsgründen nach § 163 AO konnte im Rahmen der gesonderten Gewinnfeststellung nicht entsprochen werden. Es besteht die Möglichkeit, ggf. beim Wohnsitzfinanzamt einen Erlaßantrag aus Billigkeitsgründen gemäß § 227 AO zu stellen.”
Im nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO geändertem ESt-Bescheid für 1993 vom 15. September 1995 ging der Bekl bei der Ermittlung der ESt-Schuld der Kl nunmehr von Einkünften des Kl aus selbständiger Arbeit in Höhe von DM aus.
Hiergegen richtete sich der Einspruch der Kl vom 22. September 1995.
Der mit dem außergerichtlichen Rechtsbehelf angegriffene ESt-Änderungsbescheid wurde am 17. April 1997 erneut nach § 129 AO hinsichtlich der fehlerhaften Gewährung eines Behinderten-Pauschbetrages geändert.
Mit Einspruchsentscheidung vom 25. Februar 1999 wurde der Einspruch der Kl als unbegründet zurückgewiesen.
Mit der hiergegen gerichteten Klage vom 24. März 1999 wird vorgetragen, daß beim Kl ein lebenswichtiges Organ durch Transplantation habe erneuert werden müssen. Deshalb habe er seinen Beruf im Jahre 1994 nicht mehr ausüben können. Seine Praxis sei notdürftig mit Hilfe eines Vertreters aufrechterhalten worden. Tatsächlich habe er in 1994 nur noch knapp DM Einkünfte erzielt. Bei den beiden für ihn zuständigen Finanzämtern habe er deshalb DM Billigkeitserlaß für 1993 nach § 163 AO beantragt. Das beklagte FA habe diesem Antrag stattgegeben, indem es am 1. August 1995 einen ESt-Bescheid 1993 mit DM selbständigen Einkünften erteilt habe. Damit habe der Bekl billigkeitshalber gewisse steuererhöhende Merkmale nach § 163 AO außer Ansatz gelassen.
Dieser finanzamtliche Verwaltungsakt habe der Anregung der Kl vom 3. März 1995 entsprochen. Eines stärkeren oder gesonderten Amtsvorgangs bedürfe das Verfahren nach § 163 AO nicht. Der Hinweis des Bekl auf eine Schätzungsbefugnis gehe fehl, denn vorliegend seien alle Besteuerungsgrundlagen gegeben gewesen. Zur Schätzung nach § 162 AO habe es mithin an der gesetzlichen Voraussetzung gefehlt.
Die Kl beantragen,
die ESt-Änderungsbescheide vom 15. September 1995 und vom 17. April 1997 sowie die Einspruchsentscheidung vom 25. Februar 1999 aufzuheben.
Der Bekl beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er vertritt die Auffassung, daß über den Antrag der Kl auf abweichende Steuerfestsetzung gemäß § 163 AO bislang noch nicht entschieden worden sei.
Die Entscheidung über eine niedrigere Steuerfestsetzung stelle einen gesonderten Verwaltungsakt dar, der zwar mit einem Steuerb...