Entscheidungsstichwort (Thema)
Festsetzung von Zwangsgeldern wegen Nichtabgabe von Steuererklärungen einer GmbH i.L. für die Zeit bis zum Beginn des Liquidationszeitraums
Leitsatz (redaktionell)
1. § 151 AO 1977 erfasst nicht den Fall der Handlungsunfähigkeit, denn in Fällen, in denen ein zur Steuererklärung verpflichtetes Rechtssubjekt - hier: die GmbH - nicht handlungsfähig ist, haben die gesetzlichen Vertreter oder andere natürliche Personen für das nicht handlungsfähige Rechtssubjekt zu handeln. Im Fall der (organschaftlichen) Vertretung einer GmbH ist grundsätzlich der Geschäftsführer oder -im Fall der Liquidation- der Liquidator als Steuerpflichtiger i.S. des § 151 AO 1977 anzusehen.
2. Der Liquidator einer GmbH hat die Pflicht, zur Erfüllung der ihm obliegenden Steuererklärungspflicht notfalls auch eigene Mittel einzusetzen, um einen Dritten, insbesondere einen Steuerberater, einschalten zu können.
Normenkette
AO 1977 § 328 Abs. 1, §§ 151, 34 Abs. 1; GmbHG § 70
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen die Festsetzung von Zwangsgeldern wegen Nichtabgabe der Steuererklärungen 1994 und 1995.
Die Klägerin ist die … (GmbH). Gegenstand des Unternehmens waren zunächst der Verkauf, die Planung und die Vermittlung von Immobilien. Im November 1995 wurde der Unternehmensgegenstand in Reisevermittlung geändert. Im Januar 1997 wurde die GmbH aufgelöst, der bisherige Geschäftsführer abberufen und seine Ehefrau als Liquidatorin bestellt. Für die GmbH wurden für 1994 und 1995 keine Steuererklärungen abgegeben.
Der Beklagte (das Finanzamt –FA–) drohte der GmbH mit –der Liquidatorin bekannt gegebenen– Bescheiden vom 21. März 1997 Zwangsgelder wegen Nichtabgabe der Steuererklärungen für 1994 und 1995 an und setzte die Zwangsgelder mit Bescheiden vom 11. April 1997 fest. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.
Eine Petition an den Landtag von Baden-Württemberg, die der frühere Geschäftsführer der GmbH eingereicht und mit der er u. a. die Einstellung von Zwangsmaßnahmen nach den §§ 328 ff. Abgabenordnung (AO) 1977 bei der GmbH für die Jahre 1994 und 1995 begehrt hatte, blieb ebenfalls ohne Erfolg.
Nachdem die Steuererklärungen weiterhin nicht abgegeben wurden, drohte das FA der GmbH am 2. Oktober 1997 erneut die Festsetzung von Zwangsgeldern an und setzte mit Bescheiden vom 23. Oktober 1997 Zwangsgelder wegen Nichtabgabe der Steuererklärungen 1994 und 1995 fest. Aufgrund des Einspruchs nahm das FA das Zwangsgeld wegen Nichtabgabe der Vermögensteuererklärung 1995 und der Vermögensaufstellung 1995 zurück. Im übrigen blieb der Einspruch ohne Erfolg.
Mit den gegen die Festsetzung der Zwangsgelder erhobenen Klagen macht die Klägerin geltend, die Zwangsgeldandrohung sowie die anschließende Zwangsgeldfestsetzung sei jeweils ermessensfehlerhaft. Die Klägerin habe zu keinem Zeitpunkt geäußert, dass sie der öffentlich-rechtlichen Verpflichtung (zur Abgabe der Steuererklärungen) nicht nachkommen wolle. Die Vertretungsorgane hätten die –während des Klageverfahrens eingereichten– Jahresabschlüsse aufgestellt und seien lediglich fachlich nicht in der Lage, die Verpflichtung (zur Abgabe der Steuererklärung) zu erfüllen. Die Klägerin habe keine Möglichkeit gehabt, fachkundige Dritte mit dieser Aufgabe zu betrauen. Der Steuerfall wäre längst erledigt, wenn das FA die Klägerin auf die Regelung des § 151 AO 1977 hingewiesen und entsprechend dieser Vorschrift die Abgabe der Erklärung zur Niederschrift unter Mithilfe der Behörde zugelassen hätte. Die Zwangsmittel gingen ins Leere mit der Folge, dass die angefochtenen Verwaltungsakte aufzuheben seien. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Klagebegründung vom 30. Januar 1998 und die nachfolgend eingereichten Schriftsätze verwiesen.
Die Klägerin beantragt,
die Zwangsgeldfestsetzungen vom 11. April 1997 und vom 23. Oktober 1997 sowie die dazu ergangenen Einspruchsentscheidungen aufzuheben.
Das FA beantragt,
die Klagen abzuweisen.
Das FA trägt zur Begründung vor: Die Klägerin sei für die Jahre bis zum Beginn des Liquidationszeitraums im Januar 1997 unverändert zur Abgabe der Steuererklärungen verpflichtet. Eine Erleichterung komme lediglich für den Liquidationszeitraum in Betracht. Im Hinblick auf die weitere Entwicklung des Umlaufvermögens und unter Berücksichtigung des erweiterten Unternehmensgegenstandes (Reisevermittlung), der eine Weiterführung des Betriebs zu einem späteren Zeitpunkt nicht ausschließe, sei die Anforderung der Steuererklärungen geboten. Die Klägerin sei nach eigenen Angaben nicht überschuldet. Den im Umlaufvermögen vorhandenen Eigentumswohnungen und Kfz-Stellplätzen mit einem Verkehrswert von 1.290.000 DM stünden angeblich Verbindlichkeiten in Höhe von 1.147.152 DM gegenüber. Die Klägerin erziele nach eigenen Angaben Mietumsätze von ca. 5.000 DM monatlich, die an die Bank abgetreten seien. Es sei nicht glaubhaft, wenn die Klägerin behaupte, keine Mittel zur Verfügung zu haben, um die Steuererklärungen anfertigen zu lassen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Berichterstatt...