Entscheidungsstichwort (Thema)
Im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung Nachweis der Steuerfreiheit von im Lohnsteuerabzugsverfahren zu Unrecht als steuerpflichtig behandelten Zuschlägen für tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit zulässig
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Steuerbefreiung nach § 3b EStG tritt nur ein, wenn die neben dem Grundlohn gewährten Zuschläge für tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit gezahlt worden sind, und setzt grundsätzlich Einzelaufstellungen der tatsächlich erbrachten Arbeitsstunden an Sonntagen, Feiertagen oder zur Nachtzeit voraus. Hieran fehlt es, wenn die Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit nur allgemein pauschaliert abgegolten wird, da hierdurch weder eine Zurechnung der Sache nach (tatsächlich geleistete Arbeit während begünstigter Zeiten) noch der Höhe nach (Steuerfreistellung nur nach Vom-Hundert-Sätzen des Grundlohns) möglich ist.
2. Wurden die Zuschläge für Arbeit an den nach § 3b EStG begünstigten Zeiten infolge eines Fehlers bei der Umstellung des EDV-Systems des Arbeitgebers im Lohnsteuerabzugsverfahren nicht als steuerfrei behandelt, kann der Arbeitnehmer im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung die Steuerbefreiung beantragen und die Erfüllung der Voraussetzungen des § 3b EStG nachträglich nachweisen (im Streitfall: u. a. durch Zeugenaussage und Bescheinigung des Arbeitgebers).
3. Da nach Abschluss des Lohnkontos des Arbeitnehmers –spätestens am 28. Februar des Folgejahres– der Lohnsteuerabzug nicht mehr geändert werden kann, sind Fehler beim Lohnsteuerabzug im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung zu berichtigten, bei der keine Bindung an den Inhalt der Lohnsteuerbescheinigung besteht.
Normenkette
EStG § 3b Abs. 1, 2 S. 1, § 41b Abs. 1 S. 1
Nachgehend
Tenor
1. Der Beklagte wird verpflichtet, den Bescheid über die Einkommensteuer für den Veranlagungszeitraum 2013 vom 1. Dezember 2014, geändert mit Bescheid vom 26. September 2016, in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28. Oktober 2015 mit der Maßgabe zu ändern, dass der Bruttoarbeitslohn i. H. eines (weiteren) Betrags von 2.960,13 Euro als steuerfrei behandelt wird und der Beklagte die danach festzusetzende Einkommensteuer zu berechnen hat. Der Beklagte hat den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mitzuteilen; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekannt zu geben.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann der Vollstreckung widersprechen, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung in Höhe des durch Kostenfestsetzungsbeschluss festgesetzten Erstattungsbetrags Sicherheit leistet. Ist durch Kostenfestsetzungsbeschluss ein Erstattungsbetrag von insgesamt mehr als 1.500 Euro festgesetzt, hat der Kläger in Höhe des durch Kostenfestsetzungsbeschluss insgesamt festgesetzten Erstattungsbetrags Sicherheit zu leisten.
Tatbestand
Streitig ist die Steuerfreiheit von Zuschlägen für Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit.
Der Kläger erzielte im Streitjahr 2013 unter anderem Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit als Angestellter der X GmbH. Er arbeitete als Incident Manager in einem Drei-Schicht-System. Neben seinem Grundlohn erhielt er unstreitig steuerfreie Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit auf der Grundlage des Manteltarifvertrags. Daneben zahlte ihm sein Arbeitgeber nach Maßgabe einer Betriebsvereinbarung Schichtzulagen in Höhe von 3.754 EUR, für die Lohnsteuer abgeführt wurde.
Im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung 2013 machte der Kläger diese Schichtzulagen als steuerfreie Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit nach § 3b des Einkommensteuergesetzes (EStG) geltend. Im unter Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen Einkommensteuerbescheid 2013 vom 1. Dezember 2014 erkannte das beklagte Finanzamt (FA) die Steuerfreiheit der Schichtzulagen nicht an. Die Einkommensteuerfestsetzung 2013 wurde aus hier nicht streitgegenständlichen Gründen mit Bescheid vom 26. September 2016 geändert.
Mit Bescheid vom 23. Februar 2015 lehnte es das FA ab, die Schichtzulagen nach der Betriebsvereinbarung als steuerfrei zu behandeln. Das vom Kläger vorgelegte Schreiben der X AG (HR –Human Resources– Business Service) vom 14. Januar 2015 bestätige nicht, dass die Schichtzulagen von insgesamt 3.754 EUR für tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit des Klägers gezahlt worden seien. Es handle sich vielmehr um pauschal gewährte Zulagen.
Mit seinem hiergegen erhobenen Einspruch legte der Kläger zwei Schreiben seines Arbeitgebers vom 24. Juli und 7. August 2015 vor. Dem Schreiben vom 24. Juli 2015 war ein „Ausdruck der Berechnung aus dem Steuertool” beigefügt, der eine nach Tag und Uhrzeit geordnete Auflistung der vom Kläger in 2013 geleisteten Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit enthält, wo...