Entscheidungsstichwort (Thema)
Berücksichtigungsfähigkeit des Antrags auf Ermäßigung des Einkommensteuerbescheids nach § 35 EStG nur bis zur Bestandskraft des Bescheids. Erbschaftsteuerbescheid kein Grundlagenbescheid für die Einkommensteuerveranlagung. Einkommensteuer 1995 und 1996
Leitsatz (amtlich)
1. Der Antrag auf Ermäßigung der Einkommensteuer wegen Doppelbelastung der Einkünfte mit Einkommensteuer und Erbschaftsteuer muss bis zur Bestandskraft des Steuerbescheids gestellt werden.
2. Der Erbschaftsteuerbescheid ist hinsichtlich des Antrags auf Ermäßigung der Einkommensteuer nach § 35 EStG kein Grundlagenbescheid für die Einkommensteuerveranlagung.
Normenkette
EStG § 35; AO 1977 § 175 Abs. 1 S. 1 Nrn. 1-2
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Gewährung einer Steuerermäßigung nach § 35 Einkommensteuergesetz (EStG).
Die Kläger sind vom beklagte Finanzamt (FA) zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Eheleute. Der Kläger ist neben seiner Mutter Miterbe seines am 28. April 1994 verstorbenen Vaters. Das FA Urach stellte für die Erbengemeinschaft mit Bescheiden vom 13. Februar 1997 sowie 17. Februar 1998 für die Jahre 1995 und 1996 Einkünfte gemäß § 24 Nr. 2 i.V.m. § 19 EStG einheitlich fest. Nach den ESt 4 B Mitteilungen entfielen von diesen 58.549 DM (1995) sowie 74.985 DM (1996) auf den Kläger, die das FA in den Einkommensteuerbescheiden 1995 und 1996 vom 25. April 1997 sowie 26. Mai 1998 erklärungsgemäß berücksichtigte. Nach Änderungen am 5. Februar 1998 (Einkommensteuerbescheid 1995) sowie am 24. Juli 1998 (Einkommensteuerbescheid 1996) wurden diese Bescheide bestandskräftig.
Am 5. Januar 1999 beantragten die Kläger Ermäßigung der Einkommensteuer 1995 sowie 1996 gemäß § 35 EStG durch Berücksichtigung der im Bescheid des FA vom 23. Oktober 1998 gegen den Kläger festgesetzten Erbschaftsteuer i.H.v. 40.780 DM. Die anteiligen begünstigten Einkünfte des Klägers ergeben sich aus den gegen die Erbengemeinschaft ergangenen Feststellungsbescheiden des FA. Der Antrag auf Ermäßigung der Einkommensteuer habe erst aufgrund des Erbschaftsteuerbescheids vom 23. Oktober 1998 gestellt werden können, welcher Grundlagenbescheid für die Einkommensteuerbescheide 1995 und 1996 sei. Die Folgebescheide, für die Festsetzungsverjährung noch nicht eingetreten sei, seien nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Abgabenordnung (AO) auch anzupassen, wenn diese bereits bestandskräftig geworden seien. Der Antrag nach § 35 EStG sei nicht fristgebunden. Damit die Antragsfrist nicht versäumt werde, werde bereits jetzt hilfsweise Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 110 AO beantragt.
Durch Bescheid vom 6. April 1999 lehnte das beklagte FA den Antrag auf Ermäßigung der Einkommensteuer ab. Der verspätet gestellte Antrag sei unzulässig, da die Veranlagungen zur Einkommensteuer 1995 sowie 1996 bestandskräftig seien. Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand lägen nicht vor. Diese sei erst nach Bestandskraft der Einkommensteuerbescheide 1995 und 1996 am 23. Februar 1999 beantragt worden. Die Jahresfrist des § 110 Abs. 3 AO sei somit verstrichen. Entschuldigungsgründe für die Fristversäumung seien weder vorgetragen noch erkennbar. Bei rechtzeitigem Antrag wäre die Einkommensteuer mangels konkreter Erbschaftsteuerschuld nach § 165 AO vorläufig festgesetzt worden. Nach der Rechtsauffassung der Kläger hätte der Wiedereinsetzungsantrag innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Erbschaftsteuerbescheids – Wegfall des Hindernisses –, somit spätestens Ende Oktober 1998, gestellt werden müssen. Dies sei jedoch nicht geschehen.
Zur Begründung des hiergegen am 20. April 1999 eingelegten Einspruchs trugen die Kläger vor, die Wiedereinsetzungsfrist sei für 1996 eingehalten worden. Ein Irrtum über Verfahrensvorschriften sei ein Wiedereinsetzungsgrund. Denn trotz vorhandener Sorgfalt sei die Frist nicht erkannt worden. Der Antrag nach § 35 EStG sei sehr selten. Auch ergebe sich aus dem Gesetz keine Antragsfrist. Wiedereinsetzung sei auch deshalb zu gewähren, weil der Erbschaftsteuerfall Schweizer Recht unterlegen habe. Erst nachdem die Schweizer Erbschaftsteuer Mitte 1997 festgesetzt worden sei, habe die deutsche Erbschaftsteuererklärung Anfang 1998 erstellt und abgegeben werden können. Nach langer Bearbeitungsdauer sei der Erbschaftsteuerbescheid des FA am 23. Oktober 1998 ergangen. Erst zu diesem Zeitpunkt habe die deutsche Erbschaftsteuer festgestanden und deren Anrechnung nach § 35 EStG beantragt werden können. Aus der langen Bearbeitungsdauer der Erbschaftsteuerangelegenheit dürfte ihnen kein Nachteil erwachsen. Jedenfalls für 1996 sei folglich der Antrag innerhalb eines Monats nach Wegfall des Hindernisses gestellt worden. Das FA hielt an seiner Auffassung fest und wies den Einspruch durch Entscheidung vom 13. Dezember 1999 als unbegründet zurück.
Zur Begründung ihrer am 10. Januar 2000 erhobenen Klage lassen die Kläger folgendes...