rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirksame Bekanntgabe von Steuerbescheiden eines Vereins an eine als faktischer Vorstand und Empfangsbevollmächtigter aufgetretene Person. Keine Wiedereinsetzung ohne ausreichenden Nachweis der behaupteten Erkrankung. Feststellungslast eines Vereins für Voraussetzungen der Gemeinnützigkeit
Leitsatz (redaktionell)
1. Das Finanzamt kann einen Verein betreffende Steuerbescheide wirksam einer Person bekanntgeben, die als faktischer Vorstand und Empfangsbevollmächtigter für den Verein aufgetreten ist, wenn diese Person u. a. die zentrale und lenkende Figur innerhalb des Vereins war, alle wesentlichen Entscheidungen selbst getroffen oder daran zumindest mitgewirkt hat, den Verein nach außen vertreten hat, und wenn die sonstigen Vorstände nach dem Gesamtbild der Verhältnisse nur vorgeschoben waren und ihre Position nur pro forma bekleidet haben.
2. Der vom Verein mit der Erkrankung des faktischen Vorstands begründete Antrag auf Wiedereinsetzung in die versäumte Einspruchfrist kann keinen Erfolg haben, wenn weder genaue Angaben zur Dauer der Erkrankung gemacht werden noch ein ärztliches Attest vorgelegt oder ggf. eine eidesstattliche Versicherung einer dritten Person über Art und Dauer der Erkrankung eingereicht wird.
3. Die Aussagen des faktischen Vorstands, die Bescheide seien an einer unzutreffenden Adresse abgegeben worden, sind nicht glaubhaft, wenn der Verein und sein faktischer Vorstand es nach der Erfahrung und zur Überzeugung des Gerichts durch Vorhalten verschiedener Adressen permanent darauf angelegt haben, die Bekanntgabe und die Zustellung ihnen missliebiger behördlicher Schreiben zu erschweren bzw. unmöglich zu machen.
4. Will ein Verein als gemeinnützig anerkannt werden, trägt er die Feststellungslast u. a. dafür, dass seine tatsächliche Geschäftsführung in den Streitjahren den Anforderungen des § 63 Abs. 1 AO entsprochen hat. Sind Geschäfts- und Tätigkeitsberichte nicht angefertigt worden, sind trotz mehrfacher Aufforderung auch keine anderen vergleichbaren Unterlagen als Nachweis der Tätigkeit des Vereins vorgelegt worden und ist daher nicht erkennbar, ob und in welcher Weise der Verein seinen Satzungszweck erfüllt hat, geht das zu Lasten des Vereins.
Normenkette
AO § 34 Abs. 1 S. 1, § 35 Abs. 1, §§ 355, 122 Abs. 1 S. 3, Abs. 2 Nr. 1, § 63 Abs. 1, §§ 79, 80 Abs. 1 S. 1, § 110 Abs. 1; KStG § 5 Abs. 1 Nr. 9; BGB § 26 Abs. 1 S. 2
Nachgehend
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit von Steuerbescheiden, die infolge einer Steuerfahndungsprüfung ergangen sind. Insbesondere ist die Frage im Streit, ob die Bescheide ordnungsgemäß bekannt gegeben worden sind.
Der Kläger ist ein eingetragener Verein und wurde 1992 gegründet. Er wird im Vereinsregister des Amtsgerichts P. unter der Nr. VR … P geführt. Nach der Vereinssatzung ist der Kläger eine Einrichtung der kulturellen, politischen, technischen und kreativen Aus-, Fort- und Weiterbildung für Jugendliche und Erwachsene.
Im September 1993 wurden Herr A. als Vorsitzender des Vorstands des Klägers sowie die Herrn B. und Dr. C. als Stellvertreter in das Vereinsregister eingetragen. Im März 1998 wurden Herr D. als Vorsitzender des Vorstands und Herr E. anstelle des ausscheidenden Herrn Dr. C. als Stellvertreter in das Vereinsregister eingetragen. Auf der Mitgliederversammlung im September 1998 wurde die Auflösung des Vereins beschlossen; dies wurde im Juli 2000 in das Vereinsregister eingetragen. Auf einer Mitgliederversammlung im September 2001 wurde die Fortsetzung der Vereinsarbeit beschlossen. Zum Vorstandsvorsitzenden wurde Herr A., zu Stellvertretern wurden die Herren F. und G. gewählt. Eine Eintragung in das Vereinsregister erfolgte nicht, da Angaben zu den Personalien der Vorstandsmitglieder fehlten. Im August 2004 wurden Herr A. als Vorstandsvorsitzender und die Herren H. sowie I. als Stellvertreter in das Vereinsregister eingetragen. Die Protokolle sämtlicher Mitgliederversammlungen wurden von Herrn Dr. C. unterschrieben.
Aufgrund eines von Herrn Dr. C. unterzeichneten Antrags im März 1993 stellte das Finanzamt X. im Oktober 1993 eine vorläufige Bescheinigung aus, wonach der Kläger ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen Zwecken im Sinne der §§ 51 ff. Abgabenordnung – AO – diene; in der Bescheinigung wurde deutlich auf ihren vorläufigen Charakter hingewiesen.
Mit einem im Oktober 1996 beim Beklagten eingegangenen Schreiben teilte der Kläger mit, dass der Ort der Geschäftsleitung nach H. verlegt worden sei. Mit einem Schreiben im November 1996 teilte der Kläger „nochmals mit, dass der Ort der Geschäftsführung geändert” worden sei und teilte als neue Adresse die W.str. in H. mit. Die Schreiben wurden vermutlich von einem Herrn J. unterschrieben.
Nachdem der Kläger die vom Beklagten mehrfach angeforderten Unterlagen zum Nachweis der Gemeinnützigkeit nicht vorge...