Entscheidungsstichwort (Thema)
Rentenbesteuerung nach dem AltEinkG ist verfassungsgemäß
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Besteuerung der Renten nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa EStG i.d.F. des AltEinkG mit mehr als dem Ertragsanteil verstößt nicht gegen das verfassungsrechtlich normierte Gebot des Gleichbehandlungsgrundsatzes.
2. Soweit mit der Neuregelung durch das AltEinkG für Bestandsrentner und -pensionäre eine in abgemilderter Form fortgeltende Ungleichbehandlung zu sehen ist, ist diese wegen des Anpassungsbedarfs der komplexen und lange Zeit praktizierten unterschiedlichen Besteuerungsregelungen und damit durch sachliche Gründe gerechtfertigt.
3. Es ist nicht zu beanstanden, dass das Gesetz den Besteuerungsanteil der Sozialversicherungsrenten nach dem Renteneintrittsalter bestimmt und für die gesamte Laufzeit des Rentenbezugs gleichbleibend festschreibt.
Normenkette
EStG § 22 Nr. 1 S. 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa; EStG § 22 Nr. 1 S. 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb; GG Art. 3 Abs. 1; AltEinkG
Nachgehend
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.
Die Kosten des Verfahrens werden den Klägern auferlegt.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Verfassungsmäßigkeit des Alterseinkünftegesetzes (BGBl. I 2004, 1427 – AltEinkG) streitig.
Der Kläger und seine im Jahr 2014 verstorbene Ehefrau (im folgenden Kläger) sind Ehegatten und wurden im Streitjahr 2009 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Beide Kläger erzielten im Jahr 2009 Renteneinkünfte – der Kläger als Ingenieur in Höhe von EUR 19.616, die Klägerin als Ägyptologin in Höhe von EUR 9.273. Der Kläger erzielte zudem Versorgungsbezüge aus einem Pensionsfonds und Einnahmen aus Kapitalvermögen; das zu versteuernde Einkommen betrug EUR 56.973.
Mit Bescheid vom 30. Juni 2010, aufgrund nicht streitbefangener Positionen geändert durch Bescheid vom 22. Juli 2010, wurden die Renteneinkünfte des Klägers mit 50 % (EUR 10.081) und der Klägerin mit 54 % (EUR 5.081) der Einkommensbesteuerung unterworfen. Hiergegen legten die Kläger Sprungklage ein; der Beklagte stimmte zu.
Mit der Klage begehren die Kläger die Änderung des Einkommensteuerbescheids für 2009. Die Kläger tragen vor:
Mit der Neuregelung des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst aa EStG habe der Gesetzgeber den ihm eingeräumten Gestaltungsspielraum zur Generalisierung, Typisierung und Vereinfachung überschritten, so dass die Norm wegen Verstoßes gegen Artikel 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) verfassungswidrig sei und die Renten folglich auch weiterhin nur mit ihrem Ertragsanteil zu besteuern seien. Denn mit der Neuregelung der Rentenbesteuerung durch das Alterseinkünftegesetz habe der Gesetzgeber Ungerechtigkeiten der Vergangenheit nicht beseitigt. Vielmehr sei er bei den Erwägungen, die zu der Neugestaltung des Besteuerungssystems geführt haben, von falschen Parametern ausgegangen.
Für die Ermittlung der Höhe des Rentenbesteuerungsanteils während der Übergangsphase habe die vom Gesetzgeber beauftragte Sachverständigenkommission Modellrechnungen auf Grundlage von statistischen Angaben, die zum Teil falsch übernommen und verwendet worden seien, durchgeführt. Ungeachtet dessen sei dabei vom typischen Fall („Leitbild”) eines rentenversicherungspflichtigen ledigen Arbeitnehmers (bzw. eines vergleichbaren Selbständigen) ausgegangen worden, der während seiner gesamten Erwerbsphase immer den Höchstbetrag in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt habe, d.h. mindestens ein Einkommen in Höhe der Beitragsbemessungsgrenze erzielt habe. Dieser sogenannte typisierte Pflichtversicherte sei auch Grundlage für die Modellrechnungen (Kontrollrechnungen) des Bundesministeriums für Finanzen (BMF) gewesen. Gegenstand der Berechnungen sei jedoch nur eine mögliche Doppelbesteuerung, nicht die Überprüfung einer möglichen Ungleichbehandlung gewesen.
Bei der Ausgestaltung des AltEinkG und den Berechnungen, die dem AltEinkG zugrunde lägen, sei u.a. auf Zahlenmaterial des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zurückgegriffen worden, welches zum Teil auf der Verwendung von falschen Daten beruht hätte:
Den Beweis, dass Pensionäre gegenüber Rentnern im Ruhestand steuerlich benachteiligt würden, führe das BVerfG in seiner Entscheidung vom 6. März 2002 (BVerfG-Urteil – 2 BvL 17/99, a.a.O.) im Wesentlichen über vier Tabellen. Die in den Tabellen dargestellten und zugrundegelegten Renten- und Pensionshöhen, Zusatzeinkommen und statistischen Angaben seien zum Teil nicht möglich, entsprächen nicht den Angaben der genannten Quellen (z.B. Statistisches Bundesamt) oder seien fehlerhaft verwendet worden, so dass die daraus gezogenen Schlussfolgerungen unzutreffend seien.
In Tabelle 1 (Abs. 104 des BVerfG-Urteils) verwende das BVerfG Renten und Pensionen, die in den genannten Höhen real nicht existierten. Grundlage hierfür seien Renten und...