Entscheidungsstichwort (Thema)
Bemessung des Verspätungszuschlags bei gesonderter Gewinnfeststellung nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b AO 1977
Leitsatz (amtlich)
Bei der Bemessung des wegen der Nichtabgabe der Erklärung zur gesonderten Feststellung nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b AO 1977 festgesetzten Verspätungszuschlags ist auf die konkrete einkommensteuerliche Auswirkung beim Steuerpflichtigen abzustellen. Davon zu unterscheiden ist die im Verfahren der einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung mögliche Schätzung der steuerlichen Auswirkung mit 25 v.H. des festgestellten Gewinns.
Normenkette
AO 1977 § 152 Abs. 4, 1, 2 S. 1, Abs. 3, § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b
Tenor
Die drei Bescheide über die Festsetzung eines Verspätungszuschlags vom 7. Oktober 1998 und die Einspruchsentscheidung vom 10. Januar 2000 werden aufgehoben.
Das FA trägt die Kosten des Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.
Dem FA wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in der festzusetzenden Höhe abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger betrieb in den Streitjahren ein Gewerbe für Eisenflechterei. Er wird bei einem außerbremischen FA zur ESt veranlagt. Da er die Erklärungen zur gesonderten Festellung nach § 180 Abs. 2 AO für die Streitjahre nicht abgab, führte das beklagte FA die Veranlagungen 1994, 1995 und 1996 am 7. Oktober 1998 auf den Schätzungswege durch und setzte mit gesonderten Bescheiden vom 7. Oktober 1998 folgende Verspätungszuschläge fest:
für das Kalenderjahr 1994 |
1.000,– DM |
für das Kalenderjahr 1995 |
1.000,– DM |
für das Kalenderjahr 1996 |
500,– DM |
Gegen die drei Bescheide, durch die die Verspätungszuschläge festgesetzt worden waren, legte der Kläger am 16. Oktober 1998 Einspruch mit der Begründung ein, daß die Bescheide unvollständig begründet sein. Allein der Hinweis auf die Nichtabgabe der Steuererklärungen erfülle den Begründungszwang nicht.
Mit Einspruchsentscheidung vom 10. Januar 2000 wies das FA „die Einsprüche” als unbegründet zurück. In den Gründen heißt es: Nach § 152 Abs. 1 AO stehe es im Ermessen der Finanzbehörde, ob und in welcher Höhe ein Verspätungszuschlag festgesetzt werde.
Das FA beabsichtige durch die Festsetzung des Verspätungszuschlages, die Steuerpflichtigen für die Zukunft zur rechtzeitigen Abgabe der Steuererklärung anzuhalten. Diese Erwägung entspreche den Zweck des § 152 Abs. 1 AO. Wegen des Nichteinreichens der Erklärungen für die Streitjahre sei die Festsetzung der Verspätungszuschläge geboten gewesen, zumal laut telefonischer Auskunft des Beraters die Erklärungen für die Streitjahre auch nicht mehr eingereicht werden sollten. Auch die Steuererklärungen für die Jahre 1997 und 1998 seien bis heute nicht beim FA eingegangen. Das der Finanzbehörde zustehende Ermessen umfasse neben den Entschließungsermessen auch einen Ermessensspielraum hinsichtlich der Höhe des Verspätungszuschlages innerhalb der durch § 152 Abs. 2 Satz 1 AO gezogenen Grenzen und unter Abwägung sämtlicher in § 152 Abs. 2 Satz 2 AO bezeichneten Gesichtspunkte. Bei der Ausübung des Ermessens über die Höhe des Verspätungszuschlages seien der Zweck des Zuschlages, die Dauer der Fristüberschreitung, die Höhe des sich aus der Steuerfestsetzung ergebenen Zahlungsanspruchs, die aus der verspäteten Abgabe der Steuererklärung gezogene Vorteile sowie das Verschulden und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen zu berücksichtigen. Diese Ermessenskriterien seien grundsätzlich gleichwertig, doch die Gewichtung dieser Kriterien könne unterschiedlich erfolgen. Beim Verspätungszuschlag gehe der eigentlich Druck auf den Steuerpflichtigen nicht von der Wegnahme des erlangten wirtschaftlichen Vorteils, sondern von der darüber hinaus greifenden Auferlegung einer Geldsanktion aus.
Der Kläger habe zwar einen materiellen Vorteil aus der Nichtabgabe der Feststellungserklärungen in diesem Verfahren nicht gezogen, doch seien die anderen Kriterien zu würdigen. Zweck der Festsetzung des Verspätungszuschlags sei es gewesen, den Kläger zur Einhaltung der Abgabefrist anzuhalten. Dies gelte insbesondere, da es sich hier nicht um ein einmaliges Versäumnis halte. Ab dem Kalenderjahr 1994 seien die Gewinnfeststellungserklärungen bisher nicht beim FA eingereicht worden. Im Rahmen des Verschuldens sei weiterhin zu berücksichtigen, daß der Kläger regelmäßig die ihm nach seinen persönlichen Verhältnissen zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen habe, insbesondere indem er das Mahnverfahren, die Androhung von Zwangsgeldern sowie die Schätzung zur Besteuerungsgrundlagen nicht zum Anlaß genommen habe, sein Abgabeverhalten gesetzeskonform zu gestalten. Zudem sei nach Aktenlage – die USt-Erklärungen für die Kalenderjahre 1994 bis 1996 lägen vor – seine erkennbare wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu berücksichtigen. Die hier zu prüfende Zuschlagsfestsetzungen seien der Höhe nach unter Ermessensgesichtspunkten nicht zu...