Entscheidungsstichwort (Thema)
Erst nach Bestandskraft des Einkommensteuerbescheids gestellter Antrag auf Erlass eines Verlustfeststellungsbescheids zur Berücksichtigung von Bürgschaftsaufwendungen als Auflösungsverlust nach § 17 EStG
Leitsatz (redaktionell)
1. Wird die Eröffnung des Konkursverfahrens an einer Kapitalgesellschaft, an der der Steuerpflichtige wesentlich beteiligt ist, mangels Masse abgelehnt, so ist die Gesellschaft aufgelöst und ein möglicher Auflösungsverlust i.S. von § 17 Abs. 2, 4 EStG entstanden. Bei der Ermittlung eines Auflösungsverlustes ist die Verpflichtung des Gesellschafters aus einer Bürgschaft bereits dann zu berücksichtigen, wenn der Gläubiger seinen Anspruch aus der Bürgschaft geltend gemacht hat oder wenn mit einer Inanspruchnahme des Bürgen ernstlich zu rechnen ist. Dass die Zahlungen infolge der Bürgschaft erst in einem späteren Veranlagungszeitraum beginnen, ist insoweit unbeachtlich.
2. Wurde im Verlustentstehungsjahr nur der Verlust des Stammkapitals als Auflösungsverlust geltend gemacht, wegen der Unvollständigkeit der erst im Einspuchsverfahren nachgereichten Steuererklärung aber vom FA kein Verlust nach § 17 EStG berücksichtigt und ist der einen positiven Gesamtbetrag der Einkünfte ausweisende, zu einer Steuer von null DM führende Einkommensteuerbescheid bestandskräftig geworden, so kann der erst nach mehreren Jahren gestellte, auf den erstmaligen Erlass eines Bescheids, in dem der Auflösungsverlust unter Berücksichtigung der hohen Bürgschaftsaufwendungen gesondert festgestellt wird, gerichtete Antrag nur dann Erfolg haben, wenn der bestandskräftige Einkommensteuerbescheid noch nach den Korrekturvorschriften der §§ 172 ff. AO geändert werden kann.
3. Bei dem unter 2. vorliegenden Sachverhalt ist die verspätete Geltendmachung der Bürgschaftsaufwendungen durch den Steuerpflichtigen bzw. seinen Steuerberater grob fahrlässig und schließt deswegen eine Änderungsmöglichkeit nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO aus. Dass die Ratenzahlungen infolge der Bürgschaft erst in einem späteren Jahr aufgenommen werden, ist hinsichtlich der Höhe des Auflösungsverlusts kein auf das Verlustentstehungsjahr zurückwirkendes Ereignis i.S. von § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO.
Normenkette
EStG § 10d Abs. 3 S. 1, § 17 Abs. 2, 4, § 1 S. 1; AO §§ 172, 173 Abs. 1 Nr. 2, § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, § 356 Abs. 2
Nachgehend
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden den Klägern auferlegt.
Tatbestand
Mit der im Jahr 1996 beim Beklagten eingereichten Einkommensteuererklärung für 1994, bei deren Anfertigung der Prozessbevollmächtigte mitgewirkt hatte, erklärte der Kläger u.a. einen Verlust aus Gewerbebetrieb i.S.d. § 17 EStG in Höhe von 25.000 DM. Diesen berücksichtigte der Beklagte mit Änderungsbescheid vom 29. April 1997 – nach dem Vermerk auf der Anlage GSE aufgrund fehlender Gewinn- und Verlustrechnung sowie Umsatzsteuererklärung – nicht, sondern beließ vielmehr die Schätzung der Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit mit 3.000 DM bestehen. Die festgesetzte Steuer betrug 0 DM bei einem Gesamtbetrag der Einkünfte von 39.758 DM. Der Bescheid wurde nicht angefochten.
Der Kläger war Gesellschafter der B. & A. GmbH und nach Aktenlage mit 50 bzw. 40 % am Stammkapital beteiligt. Das Konkursverfahren über das Vermögen der Gesellschaft wurde am 8. Dezember 1994 mangels Masse eingestellt und der Kläger in den Folgejahren insbesondere aufgrund selbstschuldnerischer Bürgschaften aus Bankdarlehen an die Gesellschaft in Anspruch genommen. Er hat insoweit am 3. Mai 1996 Schuldanerkenntnisse über 46.500 DM und 311.100 DM abgegeben.
Am 15. August 2000 beantragten die Kläger die Änderung des Einkommensteuerbescheides 1994 nach § 175 Abs.1 Nr.2 Abgabenordnung (AO) wegen nachträglicher Anschaffungskosten nach § 17 Einkommensteuergesetz (EStG). Das hat der Beklagte mit Bescheid vom 31. Januar 2001 abgelehnt und den dagegen eingelegten Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 4. September 2003 als unzulässig verworfen.
Die Kläger beantragten bereits am 30. Juli 2002 den Erlass eines „Verlustfeststellungsbescheides für 1994”. Den Einspruch gegen den ablehnenden Bescheid vom 1. September 2003 wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 27. September 2004 als unbegründet zurück.
Mit der dagegen erhobenen Klage machen die Kläger im Wesentlichen geltend, in der Einkommensteuererklärung 1994 sei ein zu niedriger Verlust, d.h. nur für das eingezahlte Stammkapital von 25.000 DM, eingetragen worden, da der genaue Betrag zum Zeitpunkt der Erstellung der Einkommensteuererklärung noch nicht festgestanden habe. Das Finanzamt hätte nach § 10d Abs.1 EStG einen Verlustrücktrag durchzuführen und nach § 10d Abs. 3 EStG einen verbleibenden Verlustvortrag von Amts wegen festzustellen, müssen solange die allgemeinen Festsetzungsfristen i.V.m. § 181 Abs. 5 AO nicht abgelaufen seien. Der Vorwurf groben Verschuldens sei angesichts der Komplizie...