Entscheidungsstichwort (Thema)
Freibetrag. Lohnsteuerkarte. Wesentliche Beteiligung. Angehörige. Bürgschaft. Eintragung eines Freibetrages auf die Lohnsteuerkarte 2002
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Verfahren über die Eintragung eines Freibetrages in eine Lohnsteuerkarte erledigt sich durch Zeitablauf erst am 31. März des Folgejahres. Die Prüfungsintensität ist den Zielen und zeitlichen Restriktionen des Freibetragsverfahrens als zeitnahes und vereinfachtes Vorauszahlungsverfahren für die Einkommensteuer von Arbeitnehmern anzupassen.
2. Sind nahe Angehörige am Stammkapital einer GmbH nicht wesentlich beteiligt, so ist es im Falle einer Kapitalerhöhung grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn sich nur einer der nahen Angehörigen an der Kapitalerhöhung beteiligt und dadurch zum wesentlich Beteiligten wird.
3. Durch die Inanspruchnahme eines Gesellschafters aus einer Bürgschaft für Verbindlichkeiten der GmbH können nachträgliche Anschaffungskosten für seine Anteile entstehen. Diese fallen aber nicht durch die Geltendmachung der Forderungen gegenüber dem Bürgen, sondern erst durch dessen Zahlung und den Ausfall seiner Rückgriffsforderung gegen die GmbH an.
Normenkette
EStG §§ 2, 17, 39a Abs. 2
Nachgehend
Tenor
1. Unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 29. Juli 2002 wird dem Beklagten aufgegeben, einen Freibetrag auf der Lohnsteuerkarte 2002 in Höhe von 250.000 DM (127.823 EUR) einzutragen.
2. Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.
3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet.
Tatbestand
Der Kläger und seine Ehefrau (künftig: Frau L.) waren als Treugeber über Treuhandverträge an der GmbH (künftig: X.) zusammen mit Dritten beteiligt. Über das Vermögen der X. ist 1995 das Konkursverfahren eröffnet worden. Der anhängige Rechtsstreit geht um die Eintragung eines steuerfreien Jahresbetrages auf der Lohnsteuerkarte 2002 i.H.v. 250.000 DM wegen eines vorgetragenen Verlustes nach § 17 Einkommensteuergesetz – EStG – aus der Beteiligung an der X., der 1998 entstanden sein soll.
Die X. wurde am 20. November 1981 gegründet und verfügte zum 12. Mai 1989 über ein Stammkapital von 800.000 DM. Gesellschafter waren S. und W. zu gleichen Teilen. S. hielt seinen Stammkapitalanteil i.H.v. 400.000 DM über 200.000 DM treuhänderisch für den Kläger und über 100.000 DM für dessen Ehefrau. Am 23. April 1987 hat der Kläger gegenüber der Bank eine zeitlich und betragsmäßig nicht begrenzte Bürgschaft für Verbindlichkeiten der X. übernommen. Die GmbH erwirtschaftete bis zum 31. Dezember 1993 Gewinne, ab 1994 Verluste. Bis zum 28. Dezember 1994 war der Kläger an der X. mit 25,0 % nicht „wesentlich” i.S.d. § 17 Abs. 1 EStG beteiligt.
Am 28. Dezember 1994 beschloss die Gesellschafterversammlung die Erhöhung des Stammkapitals um 2.000.000 DM auf 2.800.000 DM. Zur Übernahme des erhöhten Kapitals wurden S. und W. mit jeweils 1.000.000 DM zugelassen (Bl. 28 ff. Dok). Die Kapitalerhöhung wurde mit der Versicherung, dass das gesamte erhöhte Stammkapital in bar geleistet ist, zur Eintragung im Handelsregister angemeldet (Bl. 30 u. 31 Dok). Die Nominal-Anteile aus der Kapitalerhöhung sind von den Gesellschaftern W. und S. zu je 1.000.000 DM übernommen worden. W. hat auf seinen Anteil lediglich 600.000,– DM eingezahlt, S. hat keine Zahlungen auf seinen Anteil geleistet. Am 27. Dezember 1994 nahm der Kläger ein Darlehen über 1.400.000 DM auf. Der Vertrag trägt den Vermerk: „Erhöhung des Stammkapitals der Firma X. GmbH”.
Am 14. Februar 1995 schlossen der Kläger und S. einen weiteren Treuhandvertrag, wonach S. von dem Geschäftsanteil über 300.000 DM einen Anteil i.H.v. 100.000 DM aus eigenem Recht und i.H.v. 200.000 DM treuhänderisch für den Kläger hält. Aus dem weiteren Geschäftsanteil von 1.000.000 DM hält S. einen Anteil i.H.v. 250.000 DM aus eigenem Recht und i.H.v. 750.000 DM treuhänderisch für den Kläger (Bl. 143 ff. Dok). Gleichzeitig schloss Frau L. mit S. einen Treuhandvertrag, wonach S. den Geschäftsanteil von 100.000 DM, den er von Frau L. erwirbt, treuhänderisch für Frau L. hält (Bl. 10a ff. RbH).
Nachdem die X. auch 1995 einen Verlust erwirtschaftete, wurde am 1. November 1995 auf Antrag der X. das Konkursverfahren eröffnet. Im September 1996 wurden der Kläger und W. aus einer Bürgschaft mit je 62.500,– DM in Anspruch genommen. Weiterhin machte die Bank gegenüber dem Kläger im Februar 1998 1.835.600,– DM (zuzüglich Zinsen seit dem 1. Januar 1997) aus der Bürgschaft geltend. Das Konkursverfahren der X. ist noch nicht abgeschlossen.
In seiner Einkommensteuererklärung 1995 machte der Kläger einen Verlust aus wesentlicher Beteiligung gemäß § 17 Abs. 1 EStG i.H.v. 1.775.000 DM geltend (Bl. 62 ESt). Nachdem der Beklagte der Erklärung zunächst im Wesentlichen g...