Entscheidungsstichwort (Thema)
Begriff der „veränderten Umstände” im Zusammenhang mit der Aussetzung der Vollziehung
Leitsatz (redaktionell)
- Veränderte Umstände im Sinne des § 69 Abs. 6 Satz 2 FGO sind nur solche, die eine Änderung des entscheidungserheblichen Sachverhalts oder der maßgebenden Rechtslage bewirken können.
- War bei Ergehen der Ausgangsentscheidung wegen Aussetzung der Vollziehung der Festsetzung von Eingangsabgaben der Ausgang des gegen den Antragsteller geführten korrespondierenden Strafverfahrens wegen gewerbsmäßigen Zigarettenschmuggels noch offen, kann daher dessen nachträgliche strafgerichtliche Verurteilung nicht die Zulässigkeitsvoraussetzungen für die Abänderung des Aussetzungsbeschlusses schaffen.
Normenkette
FGO § 69 Abs. 6 S. 2
Streitjahr(e)
2005
Tatbestand
I.
Der Antragsteller begehrt unter Bezugnahme auf § 69 Abs. 6 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO - die Abänderung des zu dem Aktenzeichen 4 V 2072/05 A (VTa, Z, EU) ergangenen Senatsbeschlusses vom 1. August 2005, mit dem sein Antrag, die Vollziehung des Steuerbescheides des Antragsgegners vom 9. März 2005 auszusetzen, abgelehnt worden war, aufgrund veränderter Umstände.
Wegen des Ausgangssachverhalts wird auf die Darstellung in dem Beschluss vom 1. August 2005 Bezug genommen.
Nach Ergehen dieses Beschlusses hat sich der Sachverhalt wie folgt weiterentwickelt:
Mit Urteil des Landgerichts…vom 4. November 2005 (9 KLs 6 Js 78/04 - K 1/05) wurde der Antragsteller wegen gewerbsmäßigen Schmuggels in fünf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Aus den Gründen des Urteils ergibt sich, dass das Verfahren zu den Fällen 4 und 6 der Anklage vorläufig eingestellt wurde.
Unter II. 5. der Gründe ist der Sachverhalt zu Ziffer 5. der Anklage, der dem angefochtenen Steuerbescheid vom 9. März 2005 zugrunde liegt, wie folgt wiedergegeben:
„Am 29.07.2004 transportierte der Angeklagte 8.054 Stangen unverzollter und unversteuerter Zigaretten der englischen Marke „M” unter einer Tarnladung Küchenmöbel nach Großbritannien, wo er in den frühen Morgenstunden des 30.07.2004 eintraf und die Zigaretten zu einem Lagerhallenkomplex in…brachte. Hier wurden die unverzollten und unversteuerten Zigaretten durch die britischen Behörden sichergestellt. Der Angeklagte wurde kurzfristig festgenommen.”
Mit Einspruchsentscheidung vom 20. März 2006 hat der Antragsgegner den Einspruch des Antragstellers gegen den Steuerbescheid vom 9. März 2005 als unbegründet zurückgewiesen. Hiergegen hat der Antragsteller unter der Bedingung Klage erhoben, dass ihm zur Durchführung des Verfahrens Prozesskostenhilfe bewilligt wird (4 S 1530/06 PKH). Zur Begründung bringt er vor, gegen das Strafurteil sei Revision eingelegt worden. Die strafgerichtlichen Feststellungen würden ausdrücklich bestritten. Insbesondere habe er keine Kenntnis davon gehabt, dass in den von ihm transportierten Möbeln nicht versteuerte Zigaretten durch Dritte eingelegt worden seien. Der steuerlich erhebliche Sachverhalt stehe damit keinesfalls fest.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
unter Abänderung des Beschlusses vom 1. August 2005 die Vollziehung des Steuerbescheides des Antragsgegners vom 9. März 2005 auszusetzen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Er hält den Antrag für unbegründet und verweist auf seine Stellungnahmen in dem Verfahren 4 S 222/06 PKH und im Verfahren 4 V 2072/05 A (VTa, Z, EU).
Entscheidungsgründe
II.
Der Antrag hat keinen Erfolg.
Nach § 69 Abs. 6 Satz 2 FGO kann das Gericht Beschlüsse über Anträge auf Aussetzung der Vollziehung auf Antrag der Beteiligten dann ändern, wenn gegenüber dem ursprünglichen Verfahren veränderte Umstände vorliegen.
Die Voraussetzungen für eine Änderung des Beschlusses vom 1. August 2005 liegen hier aber nicht vor.
der Sachverhalt hat sich gegenüber dem ursprünglichen Verfahren zwar dadurch geändert, dass nach Ergehen des Senatsbeschlusses vom 1. August 2005 das damals noch nicht abgeschlossene Strafverfahren vor dem Landgericht…durch Urteil vom 4. November 2005 - jedenfalls für diese Instanz - beendet worden ist. Ferner ist inzwischen über den vom Antragsteller gegen den Steuerbescheid vom 9. März 2005 eingelegten Einspruch entschieden worden. Hierin kann jedoch ein veränderter Umstand i. S. des § 69 Abs. 6 Satz 2 FGO nicht erblickt werden.
Veränderte Umstände i. S. des § 69 Abs. 6 Satz 2 FGO sind nur solche, die den entscheidungserheblichen Sachverhalt oder die maßgebliche Rechtslage in einem neuen Licht erscheinen lassen (Bundesfinanzhof - BFH -, Beschluss vom 4. Mai 2005 XI S 7/05, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des Bundesfinanzhofs - BFH/NV - 2005, 1605); anders ausgedrückt: es muss sich um Umstände handeln, die eine Änderung des entscheidungserheblichen Sachverhalts oder der maßgebenden Rechtslage bewirken können (BFH, Beschluss vom 16. Februar 2005 IX S 5/04, amtlich nicht veröffentlicht, juris-Dok.-Nr. STRE200550298). Um derartige Umstände handelt es sich nur dann, wenn die ei...