Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindergeldanspruch eines im Inland wohnhaften Arbeitnehmers – Berechtigung bei Zugehörigkeit des Kindes zum Haushalt der Kindesmutter im EU-Ausland
Leitsatz (redaktionell)
- Dem Kindergeldanspruch eines in Deutschland lebender Vaters steht die Zugehörigkeit des Kindes zum Haushalt der Kindesmutter im EU-Ausland nicht entgegen.
- § 64 Abs. 2 Satz 1 EStG gilt nur, wenn prinzipiell mehrere Berechtigte den Anspruch auf Bewilligung des Kindergeldes geltend machen könnten.
- Durch die Fiktion des Art. 60 Abs. 1 Satz 2 VO (EG) Nr. 987/2009 werden keine Ansprüche der im EU-Ausland wohnenden Kindesmutter begründet, die den einem im Inland wohnhaften Arbeitnehmer zustehenden Kindergeldanspruch schmälern oder gänzlich ausschließen.
Normenkette
EStG § 62 Abs. 1 Nr. 1, § 63 Abs. 1 S. 3, § 64 Abs. 2 S. 1, Abs. 3; VO (EG) Nr. 883/2004 Art. 11 Abs. 1; VO (EG) Nr. 883/2004 Art. 11 Abs. 3 Buchst. a; VO (EG) Nr. 883/2004 Art. 11 Abs. 3 Buchst. 3 e; DVO (EG) Nr. 987/2009 Art. 60 Abs. 1 S. 2
Streitjahr(e)
2010, 2011, 2012
Nachgehend
Tatbestand
Der Kläger ist der Vater der am August 2004 geborenen B. Das Kind lebt mit der Kindesmutter in EU-Staat.
Unter dem 28. Mai 2012 beantragte der Kläger die Gewährung von Kindergeld für seine Tochter.
Dabei gab er an, bei der Firma C in Z-Stadt seit dem 13. April 2012 nichtselbständig und zuvor in der Zeit vom 21. Juni 2010 bis zum 20. Februar 2012 als Bauunternehmer selbständig tätig gewesen zu sein.
Dazu überreichte der Kläger einen befristeten Arbeitsvertrag für die Zeit vom 13. April 2012 bis 12. Oktober 2012. Außerdem legte er mehrere Gewerbean- und -abmeldungen vor; die erste Anmeldung stammt vom 21. Juni 2010. Dabei hat der Kläger als Wohnorte durchweg Adressen in Y-Stadt, X-Stadt, W-Stadt und Z-Stadt angegeben. Seit dem 1. Dezember 2011 ist der Kläger für die Z-Straße in Z-Stadt gemeldet. Den entsprechenden Mietvertrag hat er vorgelegt.
Mit Bescheid vom 30. Oktober 2012 lehnte die Rechtsvorgängerin der Beklagten die Gewährung von Kindergeld ab. Zur Begründung machte sie geltend, erfüllten für ein Kind mehrere Personen die Anspruchsvoraussetzungen, so werde das Kindergeld derjenigen Person gewährt, die das Kind in ihren Haushalt aufgenommen habe (§64 Abs. 2 Satz 1 Einkommensteuergesetz –EstG-). Nach den vorliegenden Unterlagen lebe das Kind nicht im Haushalt des Klägers, sondern bei der Kindesmutter in EU-Staat. Daher könne nach §63 Abs. 1 Satz 4 EStG in Verbindung mit §2 Abs. 4 Satz 2 Bundeskindergeldgesetz -BKGG- keine Festsetzung des Kindergeldes an den Kläger erfolgen.
Der Bescheid war adressiert an die Adresse des Klägers in Z-Stadt.
Mit Schreiben vom 7. Januar 2013 wandte sich der Kläger an die Rechtsvorgängerin der Beklagten und trug vor, er habe bis heute keine Antwort bekommen. Er habe im Juni 2012 einen Antrag auf Kindergeld gestellt und alle gewünschten Unterlagen nachgereicht. Er bitte um Prüfung und erneute Berechnung.
Am 4. März 2013 wurde dem Kläger eine Kopie des Bescheides vom 30. Oktober 2012 ausgehändigt. Unter dem 6. März 2013 legte der Kläger daraufhin Einspruch ein.
Mit Einspruchsentscheidung vom 26. März 2013 wies die Rechtsvorgängerin der Beklagten sodann den Einspruch als unbegründet zurück.
Mit der am 25. April 2013 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
Ergänzend macht er geltend, §64 Abs. 2 EStG finde vorliegend keine Anwendung, da keine inländische Kindergeld-Konkurrenzsituation zwischen ihm und der Kindesmutter bestehe. Die in EU-Staat lebende Kindesmutter unterliege nicht den deutschen Anspruchsvoraussetzungen für Kindergeld und sei damit eine Nicht-Berechtigte im Sinne des § 64 Abs. 2 EStG.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 30. Oktober 2012 und der Einspruchsentscheidung vom 26. März 2013 zu verpflichten, ihm ab Juni 2012 Kindergeld für seine Tochter B in der gesetzlichen Höhe zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Mit Schriftsätzen vom 5. Juni 2013 und vom 25. September 2013 haben sich die Beteiligten mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie den beigezogenen Verwaltungsvorgang Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil sich die Beteiligten damit einverstanden erklärt haben (§90 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung –FGO-).
Die Beklagte ist aufgrund eines Organisationsakts (Beschluss des Vorstands der Bundesagentur für Arbeit Nr. 21/2013 vom 18. April 2013 gemäß §5 Abs. 1 Nr. 11 des Finanzverwaltungsgesetzes, Amtliche Nachrichten der Bundesagentur für Arbeit, Ausgabe Mai 2013, S. 6 ff.) im Wege des gesetzlichen Parteiwechsels in die Beteiligtenstellung der Agentur für Arbeit Z-Stadt –Familienkasse- eingetreten (s. dazu Beschlüsse des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 3. März 2011 V ...