Entscheidungsstichwort (Thema)
Hinzurechnung der nicht abziehbaren Schuldzinsen unter Berücksichtigung eines „Startguthabens” zu dem Gewinn – Verfassungsmäßigkeit des § 4 Abs. 4a Einkommensteuergesetz (EStG) unter dem Blickwinkel des Nettoprinzips
Leitsatz (redaktionell)
- Bei der Ermittlung der Überentnahmen i.S. des § 4 Abs. 4a Satz 2 EStG mindert ein Übergangsverlust aus dem Wechsel von der Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich zur Einnahme-Überschussrechnung das steuerunschädliche Entnahmepotential.
- Tätigkeitsvergütungen an Mitunternehmer, die auf ein privates Konto des Gesellschafters gezahlt werden, sind als Entnahmen i.S. des § 4 Abs. 4a EStG zu behandeln.
Normenkette
EStG i.d.F. d. StBereinG 1999 § 4 Abs. 1; EStG i.d.F. d. StBereinG 1999 § 4 Abs. 3; EStG i.d.F. d. StBereinG 1999 § 4 Abs. 4a S. 4; EStG i.d.F. d. StBereinG 1999 § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2
Streitjahr(e)
1999
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob der Beklagte (das Finanzamt – FA –) bei der gesonderten und einheitlichen Feststellung der freiberuflichen Einkünfte für das Streitjahr 1999 den – ansonsten unstreitigen – Gesamtgewinn (313.851,34 DM) um einen Hinzurechnungsbetrag wegen nicht abziehbarer Schuldzinsen nach § 4 Abs. 4a EStG i.d.F. des Steuerbereinigungsgesetzes 1999 (StBereinG 1999) vom 22.12.1999 (Bundesgesetzblatt – BGBl – I 1999, 2601, Bundessteuerblatt – BStBl – I 2000, 13) i.H. von 34.129 DM auf 347.980,34 DM erhöhen durfte.
Die Klägerin ist eine Personengesellschaft (GbR), die im Wirtschaftsjahr 1999 von der Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich (§ 4 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes – EStG –) zur Gewinnermittlung durch Einnahme-Überschussrechnung (§ 4 Abs. 3 EStG) überging. Die Klägerin erklärte (zunächst) einen festzustellenden Gewinn von 312.967,22 DM. Derselbe beruhte u.a. auf der Einnahme-Überschussrechnung, in der Schuldzinsen i.H. von 62.495,43 DM als Betriebsausgaben abgezogen waren, sowie der Ermittlung eines – unstreitigen – Übergangsverlustes wegen Wechsels der Gewinnermittlungsart i.H. von 606.285,72 DM.
Das FA ging (zunächst) davon aus, dass der erklärte Gewinn um einen Hinzurechnungsbetrag nach § 4 Abs. 4a EStG i.H. von (Gewinn 312.967,22 DM./. Entnahmen 931.028,21 DM = Überentnahmen 618.060,89 DM x 6 v.H. =) 37.083,65 DM zu erhöhen sei. Demgemäß stellte es im erstmaligen Feststellungsbescheid 1999, der unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) erging, die Einkünfte auf 350.050 DM fest.
Die Klägerin beantragte mit Schreiben vom 12.2.2002 eine Änderung dahin, dass die Hinzurechnung nach § 4 Abs. 4a EStG entfalle. Insgesamt seien Unterentnahmen i.H. von 67.617,78 DM entstanden. Der Übergangsverlust sei bei der Ermittlung der Überentnahmen i.S. des § 4 Abs. 4a EStG nicht einzubeziehen. Ferner seien Einlagen aus Sonderbilanzen der Gesellschafter (79.392,95 DM) zu berücksichtigen.
Das FA lehnte den Änderungsantrag mit Bescheid vom 19.4.2002 ab.
Dagegen richtete sich der fristgerecht eingelegte Einspruch der Klägerin. Wegen ihres Vorbringens im Vorverfahren wird auf die Darstellung des Vorbringens in der Einspruchsentscheidung sowie die in der Einspruchsentscheidung (s. dort S. 3 unten) im Einzelnen aufgeführten Schreiben der Klägerin Bezug genommen.
Der Einspruch hatte nur teilweise Erfolg. Das FA stellte mit Einspruchsentscheidung vom 27.7.2004, die unter Aufrechterhaltung des Vorbehalts der Nachprüfung erging, die Einkünfte auf 347.980,34 DM fest. Es ging dabei von einem Gesamtgewinn vor Anwendung des § 4 Abs. 4a EStG i.H. von 313.851,34 DM aus und erhöhte diesen um einen Hinzurechnungsbetrag nach § 4 Abs. 4a EStG i.H. von 34.129 DM. Letzteren ermittelte das FA ausgehend von der bereits um Einlagen gekürzten „Summe der Entnahmen” (882.667,95 DM), dem Gewinn vor Anwendung des § 4 Abs. 4a EStG (313.851,34 DM) und den sich daraus ergebenden Überentnahmen für das Streitjahr 1999 (568.816,61 DM). Wegen der Berechnungen und Ausführungen des FA wird auf die Einspruchsentscheidung Bezug genommen.
Dagegen richtet sich die fristgerecht erhobene Klage. Wegen des Vorbringens der Klägerin wird auf die Schriftsätze vom 10.11.2004, 25.2.2005, 29.9.2006 und 15.1.2007 verwiesen.
Das FA erließ einen in Bezug auf die Gewinnverteilung geänderten Feststellungsbescheid 1999 vom 15.12.2004 (unter Aufrechterhaltung des Vorbehalts der Nachprüfung), der nach § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des Klageverfahrens wurde.
Die Klägerin beantragt,
das FA unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 19.4.2002 und der Einspruchsentscheidung vom 27.7.2004 zu verpflichten, den Feststellungsbescheid 1999 vom 15.12.2004 dahin abzuändern, dass die Einkünfte aus selbständiger Arbeit mit 313.851,34 DM festgestellt und entsprechend S. 2 des Schriftsatzes vom 10.11.2004 auf die Gesellschafter verteilt werden.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und ...