Entscheidungsstichwort (Thema)
Zeitpunkt des Vorsteuerabzugs bei berichtigter Rechnung
Leitsatz (amtlich)
Die Berichtigung einer Rechnung entfaltet keine Rückwirkung. Der Vorsteuerabzug kann erst zu dem Zeitpunkt vorgenommen werden, in dem eine ordnungsgemäße Rechnung vorliegt.
Normenkette
UStG § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 1, §§ 14, 14a
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten im einstweiligen Rechtsschutzverfahren über die Berechtigung zum Vorsteuerabzug. Die Antragstellerin ist ein Unternehmen der ... In ihren Umsatzsteuer-Voranmeldungen für die Monate August und September 2010 berücksichtigte sie Vorsteuerbeträge in Höhe von 9.140,76 € (für August) und 57.112,68 € (für September) aus Rechnungen der A GmbH. Der Antragsgegner ordnete mit Bescheid vom 30. März 2011 eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung für die Voranmeldungszeiträume Juli 2010 bis Februar 2011 bei der Antragstellerin an. Während der Prüfung teilte die Antragstellerin dem Antragsgegner am 09. Mai 2011 mit, dass sie ihre Geschäftsleitung ab dem 01. Mai 2011 verlegt habe. Ihre neue Anschrift laute X-Straße ..., B. Der Prüfer des Antragsgegners bat daraufhin am 10. Mai 2011 das nunmehr zuständige Finanzamt B um einen Prüfungsauftrag, um die Prüfung zu beenden und die Mehrsteuern festsetzen zu können. Mit Schreiben vom 13. Mai 2011 erteilte das Finanzamt B dem Antragsgegner gemäß § 26 Satz 2 der Abgabenordnung (AO) die Zustimmung zur Fortführung des Verwaltungsverfahrens der Umsatzsteuer-Sonderprüfung bei der Antragstellerin. Nach dem Bericht über die Umsatzsteuer-Sonderprüfung vom 18. Mai 2011 weisen die Rechnungen der A GmbH aus den Monaten August und September 2010 weder eine Steuernummer noch eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer auf. Der Prüfer kam deshalb zu dem Schluss, dass die in den Rechnungen ausgewiesene Steuer nicht als Vorsteuer abziehbar sei. Mit Bescheid vom 27. Mai 2011 änderte der Antragsgegner die Umsatzsteuer-Voranmeldung für den Monat August 2010 gemäß § 164 Abs. 2 AO und setzte eine Umsatzsteuer-Vorauszahlung von 5.816,83 € fest. In den Erläuterungen zum Bescheid ist ausgeführt, dass Vorsteuern in Höhe von 9.140,76 € gemäß dem Bericht der Umsatzsteuer-Sonderprüfung nicht abziehbar seien. Mit Bescheid vom selben Tage änderte der Antragsgegner die Umsatzsteuer-Voranmeldung für den Monat September 2010 gemäß § 164 Abs. 2 AO und setzte eine Umsatzsteuer-Vorauszahlung in Höhe von 58.477,98 € fest. In den Erläuterungen zum Bescheid ist ausgeführt, dass Vorsteuern in Höhe von 57.112,68 € laut Bericht zur Umsatzsteuer-Sonderprüfung nicht abziehbar seien. Die Antragstellerin legte gegen beide Bescheide am 09. Juni 2011 Einspruch ein und beantragte Aussetzung der Vollziehung. Die Firma A GmbH habe sich in Gründung befunden. Deshalb habe sie bei der Rechnungsstellung noch keine gültigen Steuernummern angeben können. Eine Rechnung könne jedoch jederzeit gemäß § 31 Abs. 5 Satz 1 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) berichtigt werden, wenn sie nicht alle Angaben des § 14 Abs. 4 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) enthalte. Dies sei zwischenzeitlich geschehen und es lägen alle Rechnungen mit den erforderlichen Angaben vor. Ferner werde auf das EuGH-Urteil vom 15. Juli 2010 (C-368/09, DStRE 2010, 964) verwiesen. Mit Schreiben vom 04. Juli 2011 teilte der Antragsgegner der Antragstellerin mit, dass im Juni 2011 berichtigte Rechnungen in Kopie eingereicht worden seien. Vorsteuern seien gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG i. V. m. § 14 Abs. 4 UStG erstmalig in dem Voranmeldungszeitraum abziehbar, indem eine Rechnung vorgelegt werde, in der alle Pflichtangaben enthalten seien. Das von der Antragstellerin genannte EuGH-Urteil vom 15. Juli 2010 führe nicht zu einer anderen Bewertung. Es sei nicht einschlägig. Zudem handele es sich bei der A GmbH um eine Scheinfirma, die zur Erteilung von sogen. Abdeckrechnungen gegründet worden sei. Es fehle deshalb auch an der Unternehmereigenschaft des Rechnungsausstellers und damit an einer weiteren Voraussetzung des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG. Mit Bescheid vom 04. Juli 2011 lehnte der Antragsgegner den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ab. Über die Einsprüche ist noch nicht entschieden worden. Die Antragstellerin hat am 08. August 2011 beim Gericht um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht. Der Antragsgegner habe keine nachprüfbaren Tatsachen vorgelegt, die auf Scheingeschäfte hindeuteten. Er gehe nur aufgrund bloßer Vermutungen davon aus, dass sie Teil einer Dienstleistungskette sei. Die Leistungen seien nachweislich erbracht und bezahlt worden. Der A GmbH seien guten Gewissens und im guten Glauben Aufträge erteilt worden. Diese seien ordnungsgemäß abgewickelt, in Rechnung gestellt und bezahlt worden. Ob die A GmbH ihrerseits in Zusammenarbeit mit ihren Subunternehmern in betrügerische Aktivitäten verwickelt gewesen sei, entziehe sich der Kenntnis ihrer Geschäftsführung. Jedenfalls habe die A GmbH offenbar die Umsatzsteuern ordnungsgemäß abgeführt. Die zurückverlangten Beträge seien erheblich und existenzgefährdend.