Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine verfassungswidrige Benachteiligung von in häuslicher Gemeinschaft lebenden Geschwistern im Vergleich zu Ehegatten oder eingetragenen Lebenspartnern
Leitsatz (redaktionell)
1) Der für Ehegatten und eingetragene Lebenspartner geltende persönliche Freibetrag, Erbschaftsteuertarif und die Steuerbefreiung des Famlienheims steht in häuslicher Gemeinschaft lebenden Geschwistern nicht von Verfassungs wegen zu, da die Ermittlung einer vergleichbaren Nähebeziehung für Geschwister zuverlässig nicht möglich ist.
2) Das FG lässt die Revision mit Rücksicht auf die Frage zu, ob die Tarifsenkung in der Steuerklasse II durch das Wachstumsbeschleunigungsgesetz auch schon auf Erwerbe in 2009 anzuwenden ist.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 4, 5 Nr. 6b
Nachgehend
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Steuerbefreiung des Familienheims für Ehegatten und Lebenspartner nach § 13 Abs. 1 Nr. 4 b Erbschaftsteuergesetz (ErbStG), die für Ehegatten und Lebenspartner geltende Steuerklasse I nach § 15 ErbStG sowie der für sie geltende Freibetrag nach § 16 ErbStG auch für in Haushaltsgemeinschaft lebende Geschwister gilt.
Die Kläger sind Geschwister. Mit notariellem Erbvertrag vom 02.04.1982 setzten sich die Kläger gemeinsam mit dem Erblasser, ihrem Bruder Herrn A, sowie einer weiteren, bereits am 25.08.1993 verstorbenen Schwester, Frau B, gegenseitig zu Erben ein mit der Maßgabe, dass der Erstversterbende die übrigen vier Geschwister zu gleichen Teilen, der Zweitversterbende die übrigen drei Geschwister zu gleichen Teilen, der Drittversterbende die restlichen zwei Geschwister zu gleichen Teilen und der Viertversterbende den Längstlebenden zum alleinigen Erben einsetze.
Mit notariellem Erbergänzungsvertrag vom 30.06.2005 bestimmten die Kläger gemeinsam mit dem Erblasser, dass Erbe des Längstlebenden die C e.V. in D werden sollte.
Am 23.02.2009 verstarb der Erblasser.
Auf der Grundlage der von den Klägern eingereichten Erbschaftsteuererklärungen erließ der Beklagte am 22.06.2010 gegenüber den Klägern Erbschaftsteuerbescheide und setzte dabei die Erbschaftsteuer in Höhe von jeweils 29.370 EUR fest. Zum erbschaftsteuerpflichtigen Erwerb gehörte dabei im Wesentlichen das Grundvermögen des Erblassers. Der Umfang des steuerpflichtigen Erwerbs der Kläger ist in betragsmäßiger Höhe zwischen den Beteiligten unstreitig.
Gegen diese Erbschaftsteuerbescheide legten die Kläger fristgerecht Einspruch ein und machten dabei geltend, dass die Bescheide gegen verfassungsrechtlich geschützte Grundsätze verstießen. Die Bescheide stellten einen schwerwiegenden Eingriff in die Grundrechte der Kläger auf Schutz der Familie nach Art. 6 Grundgesetz (GG), auf Gleichbehandlung nach Art. 3 GG und auf Schutz des Eigentums nach Art. 14 GG dar. Die Kläger hätten zu ursprünglich fünf Geschwistern ihr Leben lang in einer Lebens- und Versorgungsgemeinschaft gelebt und gewohnt. Keines der Geschwister habe je geheiratet oder Kinder bekommen. Das Erwerbsleben hätten sie gemeinsam auf ihren Ländereien verbracht.
Die Geschwister hätten in einem gemeinsamen Haus gewohnt und ihr Leben gemeinsam gestaltet. Die Geschwister hätten füreinander gesorgt und sich in ihrem alltäglichen Leben unterstützt. Sie hätten gemeinsames Eigentum aufgebaut und ihre Altersversorgung aufeinander abgestimmt.
Gemäß § 2 Lebenspartnerschaftsgesetz werde die im Erbschaftsteuergesetz in den Freibeträgen begünstigte Lebenspartnerschaft wie folgt definiert:
„Die Lebenspartner sind einander zur Fürsorge und Unterstützung sowie zur gemeinsamen Lebensführung verpflichtet. Sie tragen füreinander Verantwortung.”
Im Bereich der Verantwortungsübernahme füreinander und im Bereich Fürsorge, Unterstützung und gemeinsame Lebensführung sei die Lebensweise der Geschwister mit der einer eingetragenen Lebenspartnerschaft identisch.
Sowohl nach dem Wortlaut der für die Lebenspartnerschaft geltenden Regelung als auch nach ihrem Sinn und Zweck sei es allein vertretbar, die Geschwister erbschaftsteuerlich wie Lebenspartner und nicht wie Geschwister zu behandeln. Die Lebensweise der Kläger als Geschwister übersteige das übliche Verhältnis von Geschwistern zueinander. Das Gesetz gehe von einer geschwisterlichen Beziehung aus, wenn jeder Geschwisterteil im Laufe seines Lebens eine eigene Familie gegründet habe und sein eigenes Leben eigenständig und unabhängig von seinen Geschwistern führe. Deshalb würden Geschwister in die Steuerklasse II eingeordnet. Steuerrechtlich privilegiert würden nur Ehegatten, deren Abkömmlinge sowie eingetragene Lebenspartner. Das Gesetz wolle offensichtlich eine enge familiäre Bindung erbschaftsteuerrechtlich begünstigen. Diese bestehe jedoch im vorliegenden Fall nun einmal gerade zwischen den Klägern als Geschwister, die sich wie Lebenspartner umeinander kümmerten.
Es sei nicht ersichtlich, warum eine gemeinsame Lebensführung und Planung unter Geschwistern nicht auch erbschaftsteuerlich privilegiert werden könne. G...