Entscheidungsstichwort (Thema)
Grunderwerbsteuer bei Übertragung von Anteilen an grundbesitzender Gesellschaft. Vertragsübersendung durch Notar löst Fristbeginn für die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen aus. grundsätzliche Bedeutung des Vertrags. Kenntnisse der Ertragsteuerstelle sind der Grunderwerbsteuerstelle zuzurechnen. Aussetzung der Vollziehung betreffend Feststellung von Besteuerungsgrundlagen
Leitsatz (redaktionell)
1. Zu einer Anlaufhemmung nach § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO führen nur Anzeigen, zu denen der Steuerpflichtige selbst verpflichtet ist, nicht dagegen die Anzeigepflicht des Notars nach § 18 GrEStG.
2. Der Beginn der Feststellungsfrist ist nur so lange hinausgeschoben, bis das Finanzamt von allen für die Entstehung der Steuerschuld wesentlichen Umständen Kenntnis erlangt. Die Frist beginnt daher auch dann zu laufen, wenn dem Finanzamt durch Übersendung einer beglaubigten Abschrift des Vertrages durch den beurkundenden Notar eine Übertragung von Gesellschaftsanteilen im Sinne von § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG bekannt wird.
3. Wegen der grundsätzlichen steuerrechtlichen Bedeutung der Urkunde für die Besteuerung der betreffenden Gesellschaft ist diese der Grunderwerbsteuerstelle auch dann bekannt, wenn sie in der „Allgemeinen Akte” einer anderen – hier der mit Ertragsteuern befassten – Stelle des zuständigen Finanzamts abgelegt wird und sich dort befindet.
Normenkette
AO 1977 § 170 Abs. 1, 2 S. 1 Nr. 1, § 169 Abs. 2 Nr. 2, § 181 Abs. 1 S. 1; GrEStG 1983 §§ 17, 1 Abs. 3 Nr. 1, § 19 Abs. 1 Nr. 4, § 18; FGO § 69 Abs. 3, 2 S. 2
Tenor
Der Bescheid über die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für die Grunderwerbsteuer vom 17. Dezember 2003 wird bis zum Ablauf eines Monats nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung ausgesetzt.
Die Kosten des Verfahrens hat der Antragsgegner zu tragen.
Die Beschwerde wird zugelassen.
Der Streitwert beträgt 1.847,00 EUR.
Tatbestand
I.
Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob die Frist für die gesonderte Feststellung für Besteuerungsgrundlagen für die Grunderwerbsteuer zum Zeitpunkt der Festsetzung am 17. Dezember 2003 bereits abgelaufen war.
Die Rechtsvorgängerin der Antragstellerin, die …, war u.a. Eigentümerin der in den Orten Schwerin, Fürstenberg und Ziesendorf belegenen Grundstücke. Die … wurde durch Gesellschaftsvertrag vom 21. Juli 1990 errichtet und am 21. Dezember 1990 in das Handelsregister des Amtsgerichts Schwerin … eingetragen. Gesellschafter der waren Herr K. Herr L. Herr Br. und Herr Bö. mit einer Beteiligung von jeweils 25 v. H. des Stammkapitals. Durch Geschäftsanteilsübertragungsvertrag vom 18. Juli 1995 (Urkundenrolle 1393/95 der …) veräußerten Herr K. Herr Otto Br. und Herr Bö. ihre Geschäftsanteile an die …. Durch Geschäftsanteilsübertragungsvertrag vom 17. September 1996 veräußerte Herr L. seinen Geschäftsanteil an der … ebenfalls an die … (Urkundenrolle 2018/96 der …). Unter VI Buchst. e) dieses Vertrages haben die Unterzeichneten erklärt, dass zum Vermögen der Gesellschaft Grundbesitz gehört. Mit Schreiben vom 23. September 1996, das am 25. September 1996 beim Finanzamt S. einging, übersandte die Notarin eine beglaubigte Ablichtung des Kauf- und Abtretungsvertrages vom 17. September 1996. Das Schreiben war adressiert an den Antragsgegner, Körperschaftssteuerstelle. Das Schreiben wurde in die Allgemeine Akte der … abgeheftet. Mit Kurzmitteilung vom 04. Oktober 1996 übersandte der Antragsgegner eine Kopie des notariellen Vertrages an das Finanzamt P. Auf dem Schreiben der Notarin vom 23. September 1996 finden sich folgende handschriftliche Vermerke:
- Original …;
- Kopie …;
- KM fertigen für Herrn L..
Durch Verschmelzungsvertrag vom 01. Juli 1997 (Urkundenrolle 1108/97 der …) wurden die … und die … miteinander verschmolzen. Durch notarielle Urkunde vom 17. November 1997 (Urkundenrolle 1840/97 der …) wurde die … formwechselnd in die … umgewandelt.
Der Antragsgegner führte bei der Antragstellerin eine Betriebsprüfung durch. Im Anschluss an die Betriebsprüfung übersandte die Betriebsprüfungsstelle des Antragsgegners der Grunderwerbsteuerstelle des Antragsgegners eine Kontrollmitteilung unter Beifügung von Seite 11 des Betriebsprüfungsberichtes. Darin wurde auf die Anteilsübertragungen aus dem Jahre 1996 und deren Grunderwerbsteuerbarkeit hingewiesen.
Mit Bescheid vom 17. Dezember 2003 über die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für die Grunderwerbsteuer setzte der Antragsgegner gem. § 17 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG) die Besteuerungsgrundlage mit 1.815.600,00 DM fest. Mit Schreiben vom 09. Januar 2004 legte die Antragstellerin Einspruch mit der Begründung ein, dass die Festsetzungsverjährung bereits am 31. Dezember 2000 eingetreten sei. Es sei auch keine Ablaufhemmung gem. § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Abgabenordnung (AO) eingetreten, da die beurkundende Notarin ihre Anzeigepflicht gegenüber dem Grundbuchamt und dem Antragsgegner nachgekommen sei. Mit Schreiben vom 02. Februar 2004 beantragte die Ant...