Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfassungsmäßigkeit der erstmaligen Anwendung der Neuregelung des § 50c Abs. 11 EStG
Leitsatz (redaktionell)
Es ist ernstlich zweifelhaft, ob die durch das Gesetz zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform vom 29.10.1997 in das EStG eingefügte Vorschrift des § 50c Abs. 11 EStG (Versagung einer ausschüttungsbedingten Teilwertabschreibung) auch dann anzuwenden ist, wenn der Erwerb der Anteile bereits im Kalenderjahr 1996 stattgefunden hat.
Normenkette
EStG § 50c Abs. 11, § 52 Abs. 1 S. 1; FGO § 69 Abs. 2-3
Gründe
I.
Streitig ist, ob der Antragstellerin die Teilwertabschreibung auf die von ihr im Jahre 1996 erworbenen Anteile an einer Kapitalgesellschaft gemäß § 50 c Abs. 11 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu versagen ist.
Wegen des Sachverhalts sowie der gestellten Anträge wird auf die Akten und die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze Bezug genommen.
II.
Der Antrag ist begründet.
Bei summarischer Prüfung im vorliegenden Verfahren der Aussetzung der Vollziehung bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids i. S. des § 69 Abs. 3, 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
Der Antragsgegner (das Finanzamt –FA–) hat die streitige Teilwertabschreibung unter Berufung auf § 50 c Abs. 11 EStG versagt. Nach dieser Vorschrift, die durch das Gesetz zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform vom 29. Oktober 1997 in das EStG eingefügt worden ist, ist für den (zur Anrechnung von Körperschaftsteuer berechtigten) Erwerber einer Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft eine ausschüttungsbedingte Teilwertabschreibung auf die erworbenen Anteile in dem in § 50 c EStG im einzelnen geregelten Umfang ausgeschlossen Dies gilt dann nicht, wenn die Veräußerung durch den Rechtsvorgänger bei diesem steuerpflichtig ist.
Mit der genannten Vorschrift soll eine Besteuerungslücke geschlossen werden, die sich bei der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft ergeben kann, wenn die noch nicht ausgeschütteten Beteiligungserträge (aus der Zeit vor der Veräußerung) mitveräußert werden. In diesem Fall erhöht sich der Veräußerungsgewinn, der beim nicht wesentlich beteiligten Anteilseigner steuerfrei bleibt. Beim Erwerber unterliegt die Ausschüttung der Beteiligungserträge an sich der Besteuerung. Im Ergebnis bleibt sie aber ebenfalls steuerfrei, wenn der Erwerber die Beteiligung im Betriebsvermögen hält. Denn dann kann er im Zusammenhang mit der Ausschüttung eine ausschüttungsbedingte Teilwertabschreibung vornehmen und dadurch die Zurechnung des Beteiligungsertrages im Ergebnis steuerlich rückgängig machen. Dies entsprach der Rechtslage bis zur Einfügung des § 50 c Abs. 11 EStG (vgl. dazu auch Urteil des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 23. Oktober 1996 I R 55/95, BStBl II 1998, 90). Im Ergebnis konnten dadurch steuerpflichtige Einkünfte aus Kapitalvermögen in steuerfreie Veräußerungsgewinne umgewandelt werden. Um die Besteuerung der (veräußerten) Beteiligungserträge sicherzustellen, wird nunmehr gemäß § 50 c Abs. 11 EStG die aus der Ausschüttung folgende gewinnmindernde Teilwertabschreibung beim Erwerber nicht berücksichtigt. Damit wird im Ergebnis der Erwerber steuerlich belastet, obgleich an sich nicht er, sondern der Veräußerer wirtschaftlich den Vorteil hat. Denn dieser hat die Beteiligungserträge in der Form des Kaufpreises bereits vorweg erhalten; der Erwerber dagegen hat den Beteiligungsertrag bezahlen müssen.
Aus diesen Gründen wird die Vorschrift des § 50 c Abs. 11 EStG unter dem Gesichtspunkt der fehlenden Systemgerechtigkeit (Art. 3 des Grundgesetzes –GG–) für verfassungswidrig gehalten (so Rosenthal, Neue Juristische Wochenschrift –NJW– 1998, 1105, 1109 unter b) bb). Dieser Auffassung kann sich der Senat auch bei lediglich summarischer Prüfung im vorliegenden Verfahren der Aussetzung der Vollziehung aber nicht anschließen. Wenn das Gesetz den Weg, dem Erwerber der Anteile (und nicht dem Veräußerer) die (angeschafften) Beteiligungserträge als Ertrag zuzurechnen, gegangen ist, ist dies gerade aus Gründen der Steuersystematik geschehen, um nicht in das körperschaftsteuerliche Anrechnungsverfahren einzugreifen und dadurch Systembrüche zu vermeiden (vgl. dazu auch BFH-Urteil vom 17. Mai 2000 I R 19/98, BStBl II 2000, 619, 620 unter 3. a zu § 50 c Abs. 11 EStG).
Bei summarischer Prüfung begegnet es aber Bedenken, § 50 c Abs. 11 EStG auch dann anzuwenden, wenn – wie im vorliegenden Fall – der Erwerb der Anteile bereits 1996 stattgefunden hat.
Nach § 52 Abs. 1 Satz 1 EStG in der Fassung des Jahressteuergesetzes 1997 ist § 50 c Abs. 11 EStG erstmals für den Veranlagungszeitraum 1997 anzuwenden. Dazu vertritt die Finanzverwaltung die Auffassung, ausschüttungsbedingte Gewinnminderungen für Anteile i. S. des § 50 c Abs. 11 EStG seien demnach vom Veranlagungszeitraum 1997 an nicht mehr steuerlich berücksichtigungsfähig. Die Neuregelung erfasse somit auch Anteile, die ein Anrechnungsberechtigter vor 1997 erworben habe (Schreiben des Bundesministers der Finanzen –BMF– vom 13. Juli 1998, ...