Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfassungsmäßigkeit der Verlustausgleichsbeschränkung des § 2 Abs. 3 S. 3 EStG i.d.F des StEntlG 1999/2000/2002
Leitsatz (redaktionell)
1. Es bestehen ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Verlustausgleichsbeschränkung des § 2 Abs. 3 S. 3 EStG i.d.F des StEntlG 1999/2000/2002 insoweit, als der vertikale Verlustausgleich auch bei „echten” Verlusten eingeschränkt sowie das objektive Nettoprinzip verletzt wird und die Regelung zu einer Mindestbesteuerung im Existenzminimum führt und dadurch auch das subjektive Nettoprinzip verletzt.
2. Der Senat neigt dazu, im Bereich der Mindestbesteuerung auch einen Verlust infolge degressiver Abschreibung als „echten” Verlust anzusehen und weder im Bereich der „echten” Verluste noch im Bereich der positiven Einkünfte die nach steuerlichen Vorschriften ermittelten Einkünfte nach dem Gesichtspunkt tatsächlicher Zahlungsflüsse zu korrigieren. Liquiditätsgesichtspunkte können insoweit allenfalls im Bereich von Billigkeitsmaßnahmen (Stundung, Erlass) Berücksichtigung finden.
Normenkette
EStG 2001 § 2 Abs. 3 S. 3, § 7 Abs. 5, § 10d; FGO § 69 Abs. 3 S. 1, Abs. 2 S. 2; GG Art. 3, 6, 20; AO §§ 222, 227
Tenor
1) Der Einkommensteuerbescheid 2001 vom 12. Februar 2004 in Gestalt der Änderungsbescheide vom 16. März 2004 und 29. März 2004 wird bis einen Monat nach Ergehen der Einspruchsentscheidung in Höhe von … EUR von der Vollziehung ausgesetzt.
2) Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsgegner.
3) Die Beschwerde wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Verfassungsmäßigkeit der Beschränkung des Verlustausgleichs.
I.
Der Antragsteller (ASt) erzielte im Streitjahr als … Einkünfte aus selbstständiger Arbeit in Höhe von … DM. Daneben erzielte er Einkünfte aus gewerblichen Beteiligungen in Höhe von ./. … DM, aus nichtselbstständiger Arbeit in Höhe von … DM, aus Kapitalvermögen in Höhe von ./. … DM und aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von ./. … DM. Der Verlust aus gewerblichen Beteiligungen resultierte in Höhe von … DM aus dem Ausfall von kapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen und der Inanspruchnahme des ASt aus Gesellschafterbürgschaften aufgrund der Beteiligung an der X-GmbH. Hiervon erfolgten im Streitjahr eine Bürgschaftsinanspruchnahme in Höhe von … DM, eine neue Darlehensgewährung in Höhe von … DM, eine Darlehensrückzahlung an den ASt in Höhe von … DM und der Ausfall eines vereinbarten Zinsanspruchs in Höhe von … DM. Die negativen Kapitaleinkünfte ergaben sich jeweils ca. zur Hälfte einerseits aus Zinsen für Refinanzierungsdarlehen zur Abdeckung von Gesellschafterdarlehen und Bürgschaftsinanspruchnahmen im Zusammenhang mit der X-GmbH und andererseits aus Zinsen für Darlehen, die zur Finanzierung von Festgeldanlagen und Lebensversicherungsdepots genutzt wurden. Die negativen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung beruhen auf folgenden Positionen:
Der Antragsgegner (das Finanzamt -FA-) erkannte die geltend gemachten negativen Einkünfte in der vorgenannten Höhe mit unter Vorbehalt der Nachprüfung ergangenem Bescheid vom 12. Februar 2004 dem Grunde nach an, wandte aber die Verlustausgleichsregelung des § 2 Abs. 3 S. 2 – 5 Einkommensteuergesetz (EStG) idF des Steuerentlastungsgesetzes 1999, 2000, 2002 vom 24. März 1999 (BGBl I S. 402) an. Dies führte zur Berücksichtigung von negativen Einkünften in Höhe von … DM und zur Nichtberücksichtigung anteiliger Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von ./. … DM, aus Kapitalvermögen in Höhe von ./. … DM und aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von ./. … DM (Gesamtbetrag der nicht berücksichtigten negativen Einkünfte ./. … DM, Gesamtbetrag der Einkünfte nach Anwendung des Verlustausgleichs 249.836 DM). Hiergegen erhob der ASt nach Aktenlage fristgerecht Einspruch. Mit Änderungsbescheid vom 16. März 2004 hob das FA den Vorbehalt der Nachprüfung auf. Mit weiterem nach § 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Abgabenordnung ergangenem Teilabhilfebescheid vom 29. März 2004 gab das FA dem Einspruch des ASt im Bereich der Sonderausgaben statt. Die Steuer wurde auf … EUR, der Nachzahlungsbetrag unter Anrechnung bereits erbrachter Vorauszahlungen in Höhe von … EUR auf … EUR festgesetzt. Über das weitere Einspruchsbegehren, das sich gegen die Beschränkung des Verlustausgleichs wendet, hat das FA bislang nicht entschieden. Das Verfahren ruht im Hinblick auf beim Bundesfinanzhof anhängige Vergleichsfälle.
Den im Rahmen des Einspruchsverfahrens gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung lehnte das FA – ohne Angabe von Gründen – mit Bescheid vom 18. März 2004 ab. Über den hiergegen gerichteten Einspruch hat das FA bislang nicht entschieden.
Mit seinem Antrag nach § 69 Abs. 3 Finanzgerichtsordnung (FGO) verfolgt de...