Entscheidungsstichwort (Thema)
Ladung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung unter Verstoß gegen § 284 Abs. 4 Satz 3 AO ist nicht nichtig und unterbricht die Zahlungsverjährung
Leitsatz (redaktionell)
Eine Ladung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung ist nicht bereits deshalb nichtig, weil das Finanzamt zuvor nicht festgestellt hat, ob der Vollstreckungsschuldner innerhalb von drei Jahren zuvor bereits eine eidesstattliche Versicherung abgegeben hat. Die Ladung ist zwar rechtswidrig, jedoch wirksam und bewirkt daher eine Unterbrechung der Zahlungsverjährung.
Normenkette
AO § 284 Abs. 4 S. 3, Abs. 1 S. 1, § 228 S. 2, §§ 232, 229 Abs. 1 S. 1, § 231 Abs. 1 S. 1, § 218 Abs. 2 S. 1, § 125 Abs. 1
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis aufgrund Zahlungsverjährung erloschen sind.
Der Kläger und die Klägerin wurden im Jahr 1995 zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung geladen. Auf Einwendungen der Kläger wurden die Termine aufgehoben und die Verfahren eingestellt.
Nachdem im Erhebungsverfahren Streit über das Bestehen von Steueransprüchen des Beklagten (Finanzamt) entstanden war, stellte dieser mit Abrechnungsbescheid vom 22. Juli 2005 fest, dass die im Steuerkonto zur Steuernummer der Kläger geführten und bis zum 31. Dezember 1994 entstandenen Rückstände nicht aufgrund Zahlungsverjährung erloschen sind.
Der hiergegen eingelegte Einspruch der Kläger blieb erfolglos. Das Finanzamt führte in der Einspruchsentscheidung vom 17. März 2006 aus, dass die Zahlungsverjährung der streitigen Steueransprüche durch verjährungsunterbrechende Vollstreckungsmaßnahmen wiederholt unterbrochen worden sei. Insbesondere hätten die Ladungen zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung vom 16. März 1995 eine Unterbrechung der Zahlungsverjährung bewirkt. Damit sei zum 31. Dezember 1999 keine Zahlungsverjährung der bis zum 31. Dezember 1994 fällig gewordenen Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis eingetreten. Durch die Zahlungsaufforderung vom 27. September 2000 sei die Zahlungsverjährung ein weiteres Mal unterbrochen worden.
Im Jahr 2005 versuchte das Finanzamt wiederholt die streitigen Steuerrückstände zu vollstrecken. Mit Schreiben vom 21. März 2005 forderte der Vollziehungsbeamte die Kläger zur Zahlung der zu diesem Zeitpunkt offenen Rückstände auf.
Mit der vorliegenden Klage machen die Kläger geltend, dass die Zahlungsverjährung durch die Ladungen zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nicht unterbrochen worden sei. Die Ladungen vom 16. März 1995 seien nichtig gewesen. Sie seien vor Ablauf der dreijährigen Schutzfrist erfolgt. Die Verletzung des § 284 Abs. 4 Satz 3 Abgabenordnung (AO) stelle einen schwerwiegenden und offenkundigen Fehler dar, der zur Nichtigkeit der Anordnungen zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung gemäß § 125 Abs. 1 AO führe. § 284 Abs. 4 Satz 3 AO stelle eine zwingende Vollstreckungsvoraussetzung dar.
Ein Vollstreckungsaufschub vom 11. Januar 1995 bis 31. Januar 1995 sei ihnen nicht bekannt.
Die Kläger beantragen,
in Abänderung des Abrechnungsbescheids vom 22. Juli 2005 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 17. März 2006 festzustellen, dass die bis zum 31. Dezember 1994 fällig gewordenen Einkommen-und Umsatzsteuern sowie die davon abhängigen Zinsen und die bis zum 31. Dezember 1994 fällig gewordenen Säumnis-und Verspätungszuschläge aufgrund Zahlungsverjährung nach §§ 228, 232 AO erloschen sind, hilfsweise die Revision zuzulassen.
Das Finanzamt beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Finanzamt trägt vor, dass die Ladungen vom 16. März 1995 nicht nichtig seien, da ein schwerwiegender Fehler nicht vorliege. Gemäß § 284 Abs. 1 Satz 1 AO habe der Vollstreckungsschuldner der Behörde auf Verlangen ein Verzeichnis seines Vermögens vorzulegen und gemäß § 284 Abs. 3 AO über die von ihm verlangten Angaben eine eidesstattliche Versicherung abzugeben. Dabei handle es sich um eine zweistufige Ermessensentscheidung, die in einer einzigen Verfügung zusammengefasst werden könne. Die Finanzbehörde habe vor Abnahme der eidesstattlichen Versicherung zu befinden, ob aufgrund besonderer Umstände von der Abnahme abgesehen werden könne. Die Anfrage beim Amtsgericht gemäß § 284 Abs. 4 Satz 3 AO sei nicht zwingende Voraussetzung für die Aufforderung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung.
Im Übrigen sei den Klägern mit Verfügung vom 11. Januar 1995 bis 31. Januar 1995 Vollstreckungsaufschub nach § 258 AO gewährt worden.
Wegen des weiteren Sachverhalts und hinsichtlich des weiteren rechtlichen Vortrags wird auf die Einspruchsentscheidung, die Akten und die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze sowie die Sitzungsniederschriften vom 7. Mai 2008 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
1. Die Klage ist unbegründet. Die auf dem Steuerkonto der Kläger bis zum 31. Dezember 1994 fällig geword...