Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerfreiheit für Schwimmschulen. Unterrichtserteilung durch die Gesellschafter einer GbR
Leitsatz (redaktionell)
1. Umsätze einer GbR aus dem Betrieb einer Schwimmschule sind nach nationalem Umsatzsteuerrecht nicht steuerfrei.
2. Die Steuerbefreiung der Umsätze aus Kinderschwimmkursen ergibt sich jedoch aus Art. 132 Abs. 1 Buchst. j der MwStSystRL. Die Vermittlung grundlegender Schwimmtechniken ist Schulunterricht i. S. d. Unionsrechts.
3. Die Steuerbefreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL findet nicht nur für den von einem Einzelunternehmer, sondern auch für den durch die Gesellschafter einer GbR erteilten Unterricht Anwendung.
Normenkette
UStG § 4 Nr. 21 Buchst. a, b, Nr. 22 Buchst. a, b; EGRL 112/2006 Art. 132 Abs. 1 Buchst. J
Nachgehend
Tenor
1. Die Umsatzsteuerbescheide für 2007 bis 2009, jeweils vom 22. November 2011, für 2010 vom 3. September 2012 und für 2011 vom 12. August 2013 und die Einspruchsentscheidung vom 30. Juni 2017, jeweils in Gestalt der Änderungsbescheide für 2007 bis 2011 vom 21. Dezember 2017 werden aufgehoben.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob Umsätze aus dem Betrieb einer Schwimmschule steuerfrei sind.
Die Klägerin ist eine zum 1. Januar 2007 gegründete GbR, an der die Herren X und Y zu gleichen Teilen beteiligt sind. Zweck der Gesellschaft ist der Betrieb einer Schwimmschule. Sie führt die Bezeichnung Z-Schwimmschule GbR.
Im Rahmen einer bei der Klägerin für die Zeiträume 2007 bis 2009 durchgeführten Umsatzsteuer-Sonderprüfung wurde festgestellt, dass von der Klägerin im wesentlichen Kurse für Kinder (Goldfisch, Seepferdchen und Kaulquappe) angeboten wurden. Die Vergütung für ihre Tätigkeit erhielt die Klägerin direkt von den Kursteilnehmern.
Beim Schwimmkurs Kaulquappe werden Kindern ab vier Jahren die Grundlagen der Brust- und Rückenschwimmlage vermittelt. Bei den beiden weiterführenden Kursen Seepferdchen und Goldfisch werden die erlernten Grundlagen und Techniken des Schwimmens vertieft.
Der Prüfer vertrat die Auffassung, dass diese Leistungen weder nach § 4 Nr. 21 noch nach § 4 Nr. 22 Umsatzsteuergesetz (UStG) steuerfrei seien.
Die für 2007 bis 2009 von der Klägerin als steuerfrei erklärten Umsätze wurden deshalb mit Umsatzsteuerbescheiden vom 22. November 2011 unter Herausrechnung der in den von der Klägerin für die Kurse vereinnahmten Beträgen enthaltenen Umsatzsteuer mit einem Betrag von … EUR (2007), … EUR (2008) und … EUR (2009) der Besteuerung unterworfen. Abziehbare Vorsteuerbeträge wurden nicht in Ansatz gebracht (vgl. Prüfungsbericht vom 31. Oktober 2011).
Für die Streitjahre 2010 und 2011 ergingen am 3. September 2012 und 12. August 2013 entsprechende Änderungsbescheide, mit denen Nettoumsätze der Klägerin zu 19 % in Höhe von … EUR (2010) und … EUR (2011) der Besteuerung unterworfen wurden.
Mit den dagegen eingelegten Einsprüchen berief sich die Klägerin auf die Steuerfreiheit für die Umsätze aus dem Betrieb der Schwimmschule nach EU-Recht und machte hilfsweise Vorsteuerbeträge in Höhe von … EUR (2007), … EUR (2008), … EUR (2009), … EUR (2010) und … EUR (2011), insgesamt … EUR, geltend.
Mit Einspruchsentscheidung vom 30. Juni 2017 wies der Beklagte (das Finanzamt) die Einsprüche als unbegründet zurück.
Mit der hiergegen erhobenen Klage macht die Klägerin im Wesentlichen Folgendes geltend:
Die Umsätze aus dem Betrieb der Schwimmschule seien nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. j der Richtlinie 2006/112/EG (MwStSystRL) steuerfrei. Bei dem streitgegenständlichen Schwimmunterricht handle es sich um Schulunterricht, der von einem Privatlehrer erbracht werde. Schulunterricht im Sinne der genannten Vorschrift sei nach der Rechtsprechung des europäischen Gerichtshofs (EuGH) nicht auf eine öffentliche oder ähnliche Schule beschränkt. Es genüge, dass der Unterricht Tätigkeiten einschließe, bei denen Kenntnisse und Fähigkeiten der Schüler entwickelt werden, sofern diese Tätigkeiten nicht den Charakter einer reinen Freizeitgestaltung hätten. Der Bundesfinanzhof (BFH) habe sich dem ausdrücklich angeschlossen. Schulsport sei ein reguläres Unterrichtsfach an allen Schulen in Deutschland und Schwimmen gehöre als selbstverständlicher Bestandteil zwingend zu diesem Schulsport. Außerdem verweist sie auf einen Beschluss des Finanzgerichts Köln vom 31. Mai 2010 (4 V 312/10 zu einem eine Schwimmschule betreibenden Einzelunternehmer) und ein Urteil des BFH vom 24. Januar 2008 (V R 3/05) zum Fall einer privaten Tanzschule (Einzelunternehmerin).
Hilfsweise werde die Anerkennung der geltend gemachten Vorsteuer...