Entscheidungsstichwort (Thema)
Darlehen eines Gesellschafter-Geschäftsführers. Verzicht gegen Besserungsschein. Veranlassungszusammenhang. Einkünfteerzielungsabsicht. - Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH: VIII R 8/22)
Leitsatz (redaktionell)
1. Auch wenn ein Darlehen des Gesellschafter-Geschäftsführers der Gesellschaft aus im Gesellschaftsverhältnis liegenden Gründen gewährt worden war, kann der spätere Verzicht darauf nach den Gesamtumständen des Einzelfalls durch das zugleich bestehende Anstellungsverhältnis veranlasst sein und dann insoweit zu Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit führen, als die Darlehensforderung noch werthaltig ist.
2. Das Vorliegen deutlicher Hinweise darauf, dass die Gesellschafter trotz der zum Zeitpunkt des Darlehensverzichts bestehenden Verlustsituation reelle Chancen sahen, durch Umsatzsteigerungen der Gesellschaft zukünftig Gewinne in erheblicher Höhe zu erzielen, kann für eine Veranlassung des Verzichts durch das Gesellschaftsverhältnis sprechen.
3. Auch der Verzicht auf die Rückzahlung eines Gesellschafterdarlehens gegen Besserungsschein fällt unter die Regelung des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG und § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG. Es ist nicht geboten, den Verlust erst dann zu berücksichtigen, wenn endgültig feststeht, dass die auflösende Bedingung nicht mehr eintreten kann.
4. Die Einkünfteerzielungsabsicht kann im Rahmen des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG und § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG auch dann bejaht werden, wenn es dem Gesellschafter nicht auf die Erzielung von Zinserträgen, sondern auf die Stärkung der Gesellschaft ankommt.
5. Die „Vertrauensschutz-Rechtsprechung” des BFH, nach der die früheren Rechtsprechungsgrundsätze nach Aufhebung des Eigenkapitalersatzrechts durch das MoMiG für eine Übergangszeit weiterhin anzuwenden sind, ist einer Billigkeitsregelung im Sinne des § 163 AO vergleichbar. Sie sollte aber nicht dazu führen, dass ein Steuerpflichtiger schlechter gestellt ist, als er bei Anwendung der geltenden Gesetze, nämlich des § 20 Abs. 2 EStG und § 20 Abs. 4 EStG, stünde.
Normenkette
EStG § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 7, S. 2, Abs. 4, 8, §§ 19, 9 Abs. 1 S. 2, § 17; AO § 163
Tenor
1. Der Einkommensteuerbescheid für 2009 vom (…) in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom (…) wird dahingehend geändert, dass ein weiterer Verlust von (66% von Betrag D) EUR bei den Einkünften des Klägers aus Kapitalvermögen, die der tariflichen Einkommensteuer unterliegen, berücksichtigt wird.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Berechnung der Steuer wird dem Beklagten übertragen.
3. Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger zu 30% und der Beklagte zu 70%.
4. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Kläger vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Kläger die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leisten.
5. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Die Kläger sind Eheleute, die zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden. Die Beteiligten streiten darüber, wie der Verzicht auf ein nachrangiges unbesichertes Darlehen, das der Kläger einer Gesellschaft gewährt hatte, bei der er sowohl Gesellschafter als auch Geschäftsführer war, und Zinsen für ein diesbezügliches Refinanzierungsdarlehen bei den Einkünften des Klägers zu berücksichtigen sind.
Der Kläger hatte gemeinsam mit (…) im Jahr (…) (das Unternehmen) gegründet. Im für den Streitfall maßgeblichen Zeitraum (…) wurde der Betrieb zunächst als (…) KG geführt (KG, …). An der KG war der Kläger im Jahr 2009 mit einem Kommanditanteil von (…) EUR an der Gesamteinlage von (…) EUR, mithin zu 1x,x%, beteiligt. Als (…) übte er gleichzeitig die Funktion des Geschäftsführers der KG aus (…).
In den Jahren 2008/2009 geriet (das Unternehmen) zunehmend in finanzielle Schwierigkeiten. Nach starkem Wachstum in den Vorjahren war eine neue Produktionsstätte errichtet und das Personal aufgestockt worden. Die Investitionen waren in großem Umfang fremdfinanziert. Der Absatz konnte jedoch nicht wie geplant gesteigert werden.
Vor diesem Hintergrund stellten die Gesellschafter der KG zunächst im Januar bzw. Februar 2009 Finanzmittel von insgesamt (…) EUR als Darlehen zur Verfügung. Die Darlehenshöhe der einzelnen Gesellschafter bestimmte sich dabei nach dem Verhältnis der Einlagen. Der Kläger gewährte der KG entsprechend mit Vertrag vom 06.02.2009 (Darlehensvertrag) ein nachrangiges Darlehen über (Betrag D) EUR, das mit 4,5% zu verzinsen war. Sicherheiten waren nicht vereinbart.
Zur Rückzahlung des Darlehens enthielt der Darlehensvertrag in Nr. 4 folgende Regelung:
(Die Darlehensnehmerin) verpflichtet sich, das ihr gewährte Darlehen zum 31.07.2009 in vollem Umfang zu tilgen.
Sollte vorher ein neuer Gesellschafter in die Gesellschaft eintreten und seine Einlage erbringen, wird mit Erbringung dieser Einlage der volle Darlehensbetrag fällig.
Die Laufzeit des Darlehens verlängert sich um jeweils einen Monat, wenn sich die Rahmenbedingungen –...