rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Bauzeitzinsen als Herstellungskosten eines im Privatvermögen befindlichen vermieteten Mehrfamilienhauses
Leitsatz (redaktionell)
1. Bauzeitzinsen und die dazugehörigen Nebenkosten sind zumindest immer dann den Herstellungskosten zuzuordnen, wenn eine Berücksichtigung als vorweggenommene Werbungskosten in den Herstellungsjahren nicht möglich ist, in den Folgejahren durch Eintritt der Vermietungsabsicht Absetzungen für Abnutzung als Werbungskosten aber anzuerkennen sind.
2. Es besteht kein sachlicher Differenzierungsgrund dafür, die Bauzeitzinsen nur bei bilanzierenden Steuerpflichtigen als Herstellungskosten zu behandeln.
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1 S. 3 Nrn. 1, 7, § 7 Abs. 1, 5; HGB § 255 Abs. 2-3
Nachgehend
Tenor
1. Der Einkommensteuerbescheid für 2008 vom 13. November 2009, geändert mit Bescheid vom 22. Dezember 2009, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 21. Juli 2010 wird dahingehend geändert, dass bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung des Objekts in P, S-Str. eine Abschreibung für Abnutzung gemäß § 7 Abs. 5 EStG in Höhe von 17.797,97 EUR berücksichtigt wird. Die Berechnung der Einkommensteuer für das Streitjahr wird dem Beklagten übertragen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger zu 3/4, der Beklagte zu 1/4.
3. Das Urteil ist für die Kläger im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Kläger die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leisten.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Strittig ist die Höhe der Herstellungskosten für ein von den Klägern vermietetes Objekt in P, S- Str., und damit verbunden die Bemessungsgrundlage der Abschreibung für Abnutzung (AfA).
Die im Streitjahr zusammen veranlagten Kläger erzielten Einkünfte aus unselbständiger und selbständiger Tätigkeit sowie aus Vermietung und Verpachtung.
Der Kläger erwarb im Jahr 2001 in P, S- Str. ein unbebautes Grundstück zu einem Kaufpreis von 415.000 DM. Das Grundstück wurde ab dem Jahr 2002 mit einem Mehrfamilienhaus bebaut. Das Gebäude wurde im Januar 2008 fertig gestellt. Laut Angaben der Kläger in der Einkommensteuererklärung für 2001 und Schreiben der Kläger vom 9. März 2005 sollte das Haus verkauft werden. Für den Fall, dass bis Ende Juni 2005 ein Verkauf nicht möglich sein sollte, sollte das Objekt vermietet werden.
Für die Finanzierung des Grundstücks nahm der Kläger im Jahre 2001 einen Kredit von 400.000 DM (umgerechnet 204.209,97 EUR) bei der Bank auf. Auf dem Grundstück wurde dafür eine Grundschuld im Jahre 2001 in Höhe von 600.000 DM bestellt.
Für die Bestellung der Grundschuld wurden mit Rechnungen vom 09. November 2001 und 09. Januar 2002 für die Löschung eines bestehenden und die Eintragung des Grundpfandrechtes Kosten von insgesamt 795,51 EUR durch die Justizkasse berechnet. Notarkosten fielen dafür in Höhe von 486,34 EUR an.
Am 22. Mai 2003 und 9. Februar 2004 nahm der Kläger jeweils Wohnungsbaudarlehen in Höhe von 170.000 EUR bzw. 60.000 EUR auf. Laut der vom Kläger vorgelegten Zweckerklärung für Grundschulden wurden für das Grundstücks- und die beiden Gebäudedarlehen neben der Grundschuld in Höhe von 600.000 DM (306.779,83 EUR) eine Grundschuld von 128.000 EUR eingetragen.
Finanzierungszinsen für das Mehrfamilienhaus wurden in den Jahren 2001 bis Juni 2005 bei den Einkommensteuerveranlagungen der Kläger nicht als vorweggenommene Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung berücksichtigt. Erst ab 1. Juli 2005 wurden die Darlehenszinsen als Werbungskosten anerkannt.
In der Einkommensteuererklärung für 2008 machten die Kläger eine AfA von 5 % in Höhe von 22.920 EUR geltend. Dieser lag eine Bemessungsgrundlage in Höhe von 458.390,00 EUR zu Grunde. In dieser waren neben den Baukosten auch Aufwendungen an die Justizkasse in Höhe von 1.350 EUR sowie Notarkosten in Höhe von 2.267 EUR für Grundschuldbestellung, Grunderwerbsteuer in Höhe von 7.426 EUR und Darlehenszinsen für die Jahre 2001 bis 2007 in Höhe von insgesamt 107.900,37 EUR für die Herstellung des Gebäudes enthalten. Wegen der Einzelheiten wird auf die Aufstellung in den Finanzamtsakten (Dauerunterlagen) verwiesen. Das Finanzamt minderte die Bemessungsgrundlage um die angefallenen Darlehenszinsen in den Jahren 2001 bis 2007 und gewährte die AfA nach § 7 Abs. 5 Einkommensteuergesetz (EStG) zeitanteilig für 9 Monate in Höhe von 13.144 EUR.
Gegen den Einkommensteuerbescheid vom 13. November 2009 legten die Kläger Einspruch ein. Sie wandten ein, dass der Verlust aus selbständiger Arbeit der Klägerin versehentlich nicht angesetzt worden sei, sämtliche Schuldzinsen zu den Herstellungskosten zu rechnen seien sowie die AfA nach § 7 Abs.5 EStG nicht zeitanteilig zu kürzen sei. Im Verlauf des Einspruchsverfahrens wurde den Klägern mitgeteilt, dass zur AfA-Bemessungsgrundlage weder ...