Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufrechnung gegen Ansprüche auf Kindergeld. Kindergeld
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Abrechnungsbescheid ist nicht zu beanstanden, wenn die Voraussetzungen (hier: Fälligkeit der Gegenforderung) für eine dem Bescheid zugrundeliegende Aufrechnung erst im Zeitpunkt des Ergehens der Einspruchsentscheidung erfüllt sind.
2. Über den gesetzlichen Wortlaut hinaus ist nach § 75 EStG gegen den Anspruch auf Kindergeld auch eine Aufrechnung mit dem Steuererhöhungsanspruch, der sich als Folge der Günstigerprüfung (§ 31 EStG) aus dem Wegfall des Kinderfreibetrags bzw. aus einer nachträglichen Anrechnung von Kindergeld bei der Einkommensteuer ergibt, zulässig.
Normenkette
EStG § 75; AO §§ 47, 226, 218 Abs. 2
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob gegen den Anspruch auf Kindergeld mit Steuererhöhungsforderungen aus dem Wegfall von Kinderfreibeträgen aufgerechnet werden darf.
Der Kläger wurde mit seiner Ehefrau für 1997 und 1998 zur Einkommensteuer zusammenveranlagt. Am 04. August 2000 ergingen geänderte Bescheide, in denen bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit bisher nicht erfasste Ausgleichszahlungen für verfallene Urlaubsansprüche berücksichtigt wurden. In den Bescheiden (festgesetzte Einkommensteuer für 1997 10.220,– DM, für 1998 532,– DM) sind für die beiden Söhne des Klägers … geb. 06. November 1980, und … geb. 27. Juni 1985) jeweils Kinderfreibeträge in Höhe von 6.912,– DM je Kind ohne Rückforderung von Kindergeld zum Abzug gebracht worden.
Mit Bescheid vom 05. September 2001 bewilligte der Beklagte (…) dem Kläger auf dessen Antrag für die Zeit von Juli 1997 (§ 66 Abs. 3 EStG a. F.) bis Juli 1998 (Übersiedlung des Klägers mit seiner Familie in die U. S.A.) für beide Söhne Kindergeld in Höhe von (440,– DM × 13 =) 5.720,– DM und teilte dies gleichzeitig dem (früheren) Wohnsitzfinanzamt des … mit. Das Finanzamt erhöhte daraufhin in geänderten Bescheiden für 1997 und 1998 vom 26. Oktober 2001 die Einkommensteuerfestsetzungen um die zurückzufordernden Kindergeldbeträge (d. h. für 1997 um 6 × 440,– DM = 2.640,– DM; festgesetzte Einkommensteuer nunmehr 10.220,– DM + 2.640,– DM = 12.860,– DM; für 1998 um 7 × 440,– DM = 3.080,– DM; festgesetzte Einkommensteuer nunmehr 532,– DM + 3.080,– DM = 3.612,– DM) und forderte die Zahlung der Erhöhungsbeträge bis spätestens 29. November 2001.
Auf Ersuchen des Finanzamts …erklärte der Beklagte mit Bescheid vom 28. September 2001 gegenüber dem Kläger gegen dessen Kindergeldanspruch die Aufrechnung mit den Steuernachforderungen. Weiter heißt es in dem Schreiben: „An Sie wird deshalb für diese Zeit (sc. Juli 1997 bis Juli 1998) kein Kindergeld ausgezahlt.” Der Einspruch blieb erfolglos (Einspruchsentscheidung vom 02. Januar 2002).
Mit der Klage wendet sich der Kläger gegen den vorgenannten Bescheid.
Der Kläger beantragt sinngemäß, den Bescheid vom 28. September 2001 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 02. Januar 2002 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, an den Kläger Kindergeld in Höhe von 5.720,– DM (= 2.924,59 EUR) auszuzahlen.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Er beurteilt die Verfügung vom 28. September 2001 als Abrechnungsbescheid nach Aufrechnungserklärung und hält die Voraussetzungen einer Aufrechnung für gegeben.
Weitere Einzelheiten ergeben sich aus den gewechselten Schriftsätzen sowie aus den Behördenakten, auf die verwiesen wird.
Das Gericht entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2 FGO).
Entscheidungsgründe
Die Klage ist im Ergebnis unbegründet.
1. Verfahrensrechtliche Mängel führen nicht zum Erfolg der Klage.
1.1 Soweit der Beklagte im Bescheid vom 28. September 2001 die Aufrechnung erklärt und den Einspruch als zulässigen Rechtsbehelf bezeichnet hat, entspricht dies nicht verfahrensrechtlichen Vorgaben. Die Aufrechnungserklärung der Behörde ist die rechtsgeschäftliche Ausübung eines Gestaltungsrechts und für sich allein kein Verwaltungsakt (BFH – Urteil vom 25. April 1989 VII R 84/86, BFH/NV 1990, 344 m. w. Nw.). Wurde die Aufrechnungserklärung unzulässigerweise als Verwaltungsakt erlassen, so ist dieser auf Anfechtung hin aufzuheben (BFH – Urteil vom 02. April 1987 VII R 148/83, BStBl. II 1987, 536).
Eine Aufhebung bedarf es insoweit im Streitfall aber nicht. Die Frage, ob ein Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis, zu dem auch der Anspruch auf Kindergeld als Steuervergütungsanspruch zählt (§§ 31 EStG i. V. m. 218 Abs. 1 AO) durch Aufrechnung erloschen ist (§ 47 i. V. m. § 226 AO), ist mittels eines Abrechnungsbescheides (§ 218 Abs. 2 AO) zu treffen (BFH – Urteil vom 28. Juli 1987 VII R 145/83, BFH/NV 1988, 213), gegen den Einspruch und Anfechtungsklage erhoben werden kann (Tipke/Kruse: AO/FGO, Komm., § 218 AO RNr. 32 m. w. Nw.). Der Beklagte hat in der Verfügung vom 28. September 2001 ausgeführt, dass der Kindergeldanspruch in Höhe des aufgerechneten Betrages als e...