rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindergeldanspruch aufenthaltsrechtlich geduldeter Ausländer; Erfüllungswirkung von Leistungen anderer Träger von Sozialleistungen nach § 107 SGB X; Ausschlußfrist nach § 111 SGB X
Leitsatz (redaktionell)
1) Der Kindergeldanspruch aufenthaltsrechtlich lediglich geduldeter Ausländer, die nicht im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung oder Aufenthaltserlaubnis gemäß § 62 Abs. 2 EStG sind, ergibt sich nicht aus dem Gesetz, sondern aus dem Bewilligungsbescheid. Rechtsgrundlage für Anspruchsberechtigte aus dem ehemaligen Jugoslawien ist Art. 2 Abs. 1 Nr. 1d i.V.m. Art. 28 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über die Soziale Sicherheit vom 12.10.1968 in der Fassung des Änderungsabkommens vom 30.9.1974.
2) Erbringt ein nachrangig verpflichteter Leistungsträger - hier eine Gebietskörperschaft - Sozialleistungen für Kinder, ohne daß die Voraussetzungen des § 103 Abs. 1 SGB X erfüllt sind, ist der vorrangige Leistungsträger - hier die Agentur für Arbeit (Familienkasse) - gegenüber dem leistenden Leistungsträger erstattungspflichtig. Soweit ein solcher Erstattungsanspruch des nachrangigen gegen den vorrangigen Leistungsträger besteht, gilt der Anspruch des Steuerpflichtigen auf Kindergeldzahlung gegenüber dem vorrangigen Leistungsträger gemäß § 107 Abs. 1 SGB X als erfüllt.
3) Die zwölfmonatige Ausschlußfrist des § 111 SGB X, nach deren Ablauf die Tilgungswirkung des § 107 Abs. 1 SGB X entfällt, beginnt mit Entstehung des Erstattungsanspruchs. Im Falle der konstitutiven Kindergeldbewilligung durch Bescheid entsteht der Erstattungsanspruch erst mit der Bescheiderteilung.
Normenkette
EStG § 62 Abs. 2; EStG 2000 § 74 Abs. 3; SGB X § 103 Abs. 1, § 107 Abs. 1, § 111; Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über die Soziale Sicherheit vom 12.10.1968 i.d.F. des Änderungsabkommens vom 30.09.1974 Art. 2 Abs. 1. Nr. 1d, Art. 28
Tatbestand
Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines Abrechnungsbescheides.
Die in P (Jugoslawien) geborene Klägerin lebte in den Jahren 1999 und 2000 auf Grund einer Aussetzung der Abschiebung (Duldung) mit ihren Kindern B (geboren 01.07.1987) und R (geboren 05.03.1989) in d. Die Stadt d (Fachbereich Soziales) hat ihr ab Juni 1999 in mehreren Bescheiden, auf deren Inhalt Bezug genommen wird, Leistungen nach den §§ 1 und 3 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylBLG) gewährt. Die Klägerin arbeitete seit Juni 1999 in einem Hotel in d. Deshalb setzte die Stadt d bei der Berechnung der Hilfe zum Lebensunterhalt ab Juli 1999 von dem Bedarfsbetrag der Klägerin und ihrer Kinder ihr abzüglich Freibetrag nach § 7 Abs. 2 AsylBLG Erwerbseinkommen ab. Eine Berücksichtigung von Kindergeldbeträgen erfolgte nicht. Die Auszahlung erfolgte an Gläubiger der Klägerin (Vermietungsgesellschaft, Stadtwerke u. a.). Ein ggf. verbleibender Restbetrag wurde der Klägerin überwiesen.
Auf Grund eines Antrages vom 11.06.2001 bewilligte der Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 06.07.2001 rückwirkend Kindergeld für die Zeit Juni bis Dezember 1999 (insgesamt 3.500,00 DM) von Januar bis Dezember 2000 (insgesamt 6.480,00 DM). Die Nachzahlung belief sich laut Bescheid vom 10.07.2001 somit auf 9.980,00 DM. Ab Januar 2001 sollten laufende Zahlungen erfolgen.
Am 14.09.2001 ging beim Beklagten eine Leistungsanzeige der Stadt d gemäß § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X ein. Die Anzeige galt hinsichtlich der festgestellten monatlichen Hilfeleistung zugleich als Antrag auf Erstattung.
Mit Bescheid vom 16.10.2001 stellte der Beklagte gegenüber der Klägerin fest, dass ihr Kindergeldanspruch für den Zeitraum von Juni 1999 bis Dezember 2000 in Höhe von 9.980,00 DM (das sind 5.102,69 EUR) nach § 74 Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG) 2000 i. V. m. § 107 SGB X als erfüllt galt. Nach Aktenlage hat die Stadt d von Juni bis Dezember 1999 gegenüber der Klägerin insgesamt 5.667,00 DM an Leistungen nach dem AsylBLG erbracht. Im Jahre 2000 waren es 7.261,98 DM. Gegen den Abrechnungsbescheid vom 16.10.2001 legte die Klägerin erfolglos Einspruch ein (Einspruchsentscheidung vom 24.02.2003).
Im nachfolgenden Klageverfahren macht die Klägerin geltend, der Beklagte habe ihr gegenüber einen Kindergeldanspruch in Höhe von 9.980,00 DM bewilligt. Dieser Anspruch sei nicht durch Leistungen des Sozialamtes der Stadt d erfüllt worden. Der Stadt d stehe kein Erstattungsanspruch in dieser Höhe zu. Sie habe bislang nicht nachgewiesen, ob und in welcher Höhe sie Kindergeldzahlungen erbracht habe.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
unter Änderung der angefochtenen Bescheide festzustellen, dass der festgesetzte Anspruch auf Kindergeldzahlung in Höhe von 9.980,00 DM (5.102,69 EUR) fortbesteht.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er meint, das Sozialamt der Stadt d habe gemäß § 74 Abs. 3 EStG i. V. m. § 104 Abs. 3 SGB X einen Anspruch auf Erstattung in der streitigen Höhe. Dieser Anspruch richte sich gegen ihn. Deshalb sei v...