Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfassungsmäßigkeit bei "unechten" Verlusten, Eigentumsgarantie, Halbteilungsgrundsatz, Vertrauensschutz
Leitsatz (redaktionell)
1) Die Verlustausgleichsbeschränkung nach § 2 Abs. 3 EStG verstößt zumindest bei sog. "unechten" Verlusten nicht gegen das objektive Nettoprinzip, wenn dem Steuerpflichtigen ohne Berücksichtigung der den Verlust begründenden erhöhten Abschreibungen ein ausreichender und disponibler Gesamtbetrag der Einkünfte verbleibt.
2) Eine nach Anwendung des § 2 Abs. 3 EStG verbleibende Gesamtbelastung von 40,8% des Gesamtbetrags der Einkünfte oder 42,3% des zu versteuernden Einkommens führt zu keinem Eingriff in die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG.
3) Der Halbteilungsgrundsatz hat für die Einkommensteuer keine Bedeutung.
4) Die Änderung des § 2 Abs. 3 EStG stellt eine verfassungsrechtlich zulässige tatbestandliche Rückanknüpfung (unechte Rückwirkung) dar. Ein schützenswertes Vertrauen des Steuerpflichtigen auf den Fortbestand der uneingeschränkten Verlustverrechnungsmöglichkeit kann auch im Hinblick auf bereits mehrere Jahre vor der Gesetzesänderung erfolgte wirtschaftliche Dispositionen nicht angenommen werden.
Normenkette
EStG § 2 Abs. 3; GG Art. 3, 3 Abs. 1, Art. 14, 14 Abs. 1, Art. 20, 20 Abs. 3; EStG § 2
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist die Verfassungsmäßigkeit des beschränkten Verlustausgleichs gemäß § 2 Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG) in der Fassung des Steuerentlastungsgesetzes (StEntlG) 1999/2000/2002.
Die Kläger (Kl.) werden als Eheleute zusammen zur Einkommensteuer (ESt) veranlagt. Sie verfügten im Streitjahr 1999 über positive Einkünfte aus Gewerbebetrieb, selbständiger und nicht selbständiger Arbeit sowie aus Kapitalvermögen in Höhe von insgesamt 1.699.659,– DM.
Der Kl. hat gemeinsam mit seinem Bruder in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) das sog. T-center in E erstellt. Die Planungen hierfür erfolgten bereits im Kalenderjahr 1995, wegen Schwierigkeiten bei der Umsetzung wurde das Objekt jedoch erst zum 01.07.1999 fertig gestellt. Aus der Beteiligung (90 v. H.) an diesem Gebäude, in dem u. a. ein Altenheim betrieben wird, entstand dem Kl. im Streitjahr ein Verlust in Höhe von 2.269.370,70 DM. Die anteiligen Einnahmen aus der Beteiligung betrugen 646.261,20 DM, die Ausgaben 2.915.631,90 DM. Hiervon entfielen u. a. auf Schuldzinsen 1.522.456,20 DM und auf erhöhte Abschreibungen nach § 7 Abs. 5 EStG 1.231.600,50 DM. Wegen der Einzelheiten wird auf die von der T-center C GbR mit der Feststellungserklärung eingereichte „Anlage V” und die „Anlage zur Feststellungserklärung 1999” verwiesen.
Der Beklagte (Bekl.) berücksichtigte von dem erklärten Verlust aus Vermietung und Verpachtung gemäß § 2 Abs. 3 EStG i. d. F. des StEntlG 1999/2000/2002 lediglich einen Betrag von insgesamt 949.829,– DM als Verlustausgleich, errechnete ein zu versteuerndes Einkommen von 723.115,– DM und setzte die Einkommensteuer auf 304.608,– DM fest. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den ESt-Bescheid 1999 vom 06.07.2000 ergänzend Bezug genommen.
Hiergegen legten die Kl. Einspruch ein, mit dem sie die Auffassung vertraten, die vom Bekl. vorgenommene eingeschränkte Verlustverrechnung gemäß § 2 Abs. 3 EStG stelle einen erheblichen Eingriff in ihre wirtschaftliche Leistungsfähigkeit dar. Es könne nicht zu ihren Lasten gehen, dass der Gesetzgeber mit einer neuen Gesetzesvorschrift die Verlustverrechnung derart reduziere. Insoweit stünde ihnen Vertrauensschutz zu.
Im Rahmen des Einspruchsverfahrens erließ der Bekl. am 03.08.2000 einen gemäß § 164 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) geänderten ESt-Bescheid, der gemäß § 365 Abs. 3 AO zum Gegenstand des Einspruchsverfahrens wurde.
Mit Einspruchsentscheidung (EE) vom 08.08.2000 wies er den Einspruch als unbegründet zurück. Seiner Auffassung nach sei nicht erkennbar, inwieweit die Einführung der Mindestbesteuerung durch Beschränkung des Verlustabzugs gegen verfassungsrechtliche Normen verstoße. Der Gesetzgeber sei befugt, neue Gesetze zu erlassen, wobei er keine Rücksicht auf die Freizügigkeit der Dispositionsfreiheit eines jeden Steuerbürgers nehmen könne. Die Kläger müssten sich insoweit an den allgemeinen Kriterien des Unternehmerrisikos messen lassen.
Mit der hiergegen am 24.08.2000 erhobenen Klage tragen die Kl. vor, sie hätten die Absicht gehabt, durch die Anfangsverluste des T-centers ihre hohen Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu kompensieren, um die so ersparten Steuerzahlungen neu zu investieren. Sie planten, ein weiteres Altenpflegeheim zu eröffnen, wodurch zahlreiche Arbeitsplätze geschaffen würden. Das für dieses Altenpflegeheim erforderliche Startkapital sollte zum Teil aus den ESt-Erstattungen 1998 und 1999 resultieren. Auf Grund der Gesetzeslage sei man nun gezwungen, teures Fremdkapital aufzunehmen.
Die Kl. sind der Auffassung, § 2 Abs. 3 EStG stelle einen ...