Entscheidungsstichwort (Thema)
Änderung eines bestandskräftigen ESt-Bescheides wegen rückwirkender Gewährung von Kindergeld
Leitsatz (redaktionell)
Wird einem Steuerpflichtigen rückwirkend für ein Kind Kindergeld gewährt, kann in einem bereits bestandskräftigen Einommensteuerbescheid kein Kinderfreibetrag mehr berücksichtigt werden. Insbesondere kann eine nach dem 28.10.2004 erfolgte Erteilung und Vorlage eines Kindergeldbescheides gemäß § 175 Abs. 2 S. 2 AO nicht als rückwirkendes Ereignis i.S.v. § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO angehen werden.
Normenkette
AO § 173 Abs. 1 Nr. 2, § 174 Abs. 1-4, § 175 Abs. 1 S. 1 Nrn. 1-2, Abs. 2 S. 2; EStG § 32 Abs. 6
Nachgehend
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten darüber, ob bestandskräftige Einkommensteuerbescheide wegen der rückwirkenden Gewährung von Kindergeld zu ändern und Kinderfreibeträge zu berücksichtigen sind.
Die Kläger sind zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Ehegatten. Sie haben zwei Söhne (U, *19. Oktober 1983, N, *14. November 1981). U befand sich in den Streitjahren 2003 und 2004 in einer Berufsausbildung, N beendete seine Berufsausbildung im August 2004.
Der im März 2004 beim Beklagten eingereichten Einkommensteuererklärung 2003 hatten die Kläger – unter anderem – zwei Anlagen „Kind” beigefügt. Wegen der Höhe der Einkünfte und Bezüge der Kinder berücksichtigte der Beklagte bei der Festsetzung der Einkommensteuer 2003 im Bescheid vom 2. April 2004 keinen Kinderfreibetrag. Er setzte die Einkommensteuer, ausgehend von einem zu versteuernden Einkommen von 52.458,00 EUR, auf 10.300,00 EUR, die ev. Kirchensteuer auf 927,00 EUR und den Solidaritätszuschlag auf 566,50 EUR fest. Die Steuerfestsetzung erfolgte hinsichtlich der beschränkten Abziehbarkeit von Vorsorgeaufwendungen im Sinne des § 10 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) vorläufig gem. § 165 der Abgabenordnung (AO).
Der Einkommensteuererklärung 2004, die im März 2005 beim Beklagten einging, war keine Anlage „Kind” beigefügt. Der Beklagte setzte die Einkommensteuer mit Bescheid vom 15. April 2005, ausgehend von einem zu versteuernden Einkommen von 55.872,00 EUR, auf 10.568,00 EUR, die ev. Kirchensteuer auf 951,12 EUR und den Solidaritätszuschlag auf 581,24 EUR fest. Auch diese Steuerfestsetzung erfolgte hinsichtlich der beschränkten Abziehbarkeit von Vorsorgeaufwendungen vorläufig.
Mit Schreiben vom 17. Januar 2006 beantragten die Kläger die Änderung der Steuerbescheide 2003 und 2004 und baten um die Berücksichtigung von Kinderfreibeträgen. Zur Begründung legten sie die Bescheide der Familienkasse O vom 15. November 2005 und 10. Januar 2006 vor, in denen für N (Zeitraum Januar 2003 bis August 2004) und für U (Zeitraum Januar 2003 bis Januar 2005) rückwirkend Kindergeld festgesetzt worden war.
Der Beklagte lehnte den Änderungsantrag mit Bescheid vom 24. März 2006 ab. Zur Begründung führte er aus: Die nachträgliche Bewilligung von Kindergeld stelle weder eine neue Tatsache im Sinne des § 173 Abs. 1 AO noch ein rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 175 Abs. 1 AO dar. Eine Änderung der bestandskräftigen Einkommensteuerbescheide sei daher nicht möglich.
Hiergegen legten die Kläger erfolglos Einspruch ein (Einspruchsentscheidung vom 26. Oktober 2006).
Zur Begründung ihrer hiergegen erhobenen Klage haben die Kläger im Wesentlichen dargelegt: Die Einkommensteuerbescheide 2003 und 2004 seien teilweise vorläufig ergangen. Für sie – die Kläger – habe sich aus der Formulierung des Vorläufigkeitsvermerkes ergeben, dass es sich um eine generelle Vorbehaltsklausel für anhängige Musterverfahren gehandelt habe. Sie hätten sich darauf verlassen, dass nach höchstrichterlicher Überprüfung der Frage, welche Einkünfte und Bezüge eines Kindes bei der Gewährung von Kindergeld zu berücksichtigen seien, eine Änderung der Einkommensteuerbescheide zu ihren Gunsten möglich sei.
Des Weiteren seien die Bescheide über die Gewährung von Kindergeld als Grundlagenbescheide anzusehen. Jedenfalls sei der Beklagte gem. R 31 Abs. 4 Satz 3 der Einkommensteuerrichtlinien (EStR) verpflichtet, die Entscheidung der Familienkasse zu übernehmen. Gem. R 31 Abs. 5 Satz 2 der EStR liege ein rückwirkendes Ereignis gem. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO vor.
Die Durchführung der Günstigerprüfung könne kein Kriterium für die Änderung sein. Sie, die Kläger, seien im Bürgerbüro des Beklagten bei der Abgabe der Einkommensteuererklärung 2003 darauf hingewiesen worden, dass „die Kinder nicht in den Antrag aufgenommen” werden müssten, solange kein Kindergeld gezahlt werde. Es könne abgewartet werden, wie die Kindergeldkasse entscheide. Nur aus diesem Grunde sei keine Günstigerprüfung erfolgt.
Zudem sei die Regelung des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO einschlägig und auch der Sinn und Zweck des § 31 EStG gebiete es, die Einkommensteuerbescheide 2003 und 2004 zu ändern.
Die Kläger beantragen sinngemäß,
den Beklagten zu verpflichten,...