Entscheidungsstichwort (Thema)

Grobes Verschulden bei gekürztem Vorwegabzug

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Regelmäßig handelt grob fahrlässig, wer eine im Steuererklärungsformular ausdrücklich gestellte, auf eine bestimmten Vorgang bezogene und für ihn verständliche Frage nicht beantwortet.

2) Beruht die unvollständige Steuererklärung auf einem Rechtsirrtum infolge mangelnder steuerrechtlicher Vorschriften, ist dies dem Steuerpflichtigen dann nicht als grobes Verschulden anzulasten, wenn der Rechtsirrtum subjektiv entschuldbar ist.

3) Die Nichtbeantwortung einer ausdrücklich gestellten Frage im Steuererklärungsformular begründet auch dann grobes Verschulden, wenn der Steuerpflichtige die Beantwortung unterlässt, weil er irrtümlich glaubt, die unterlassenen Angaben hätten in seinem Anwendungsfall keine Auswirkung.

4) Ein im Mantelbogen mit "Vorruheständler" bzw. "Rentner" bezeichneter Steuerpflichtiger, der in den Jahren 2000 bis 2003 in der Anlage N, Zeilen 25 bis 30 unter der Überschrift "Ergänzende Angaben zu den Vorsorgeaufwendungen" keine Angaben gemacht hat und bei dem unzutreffend ein nur gekürzter Vorwegabzug gewährt wurde, hat grob fahrlässig gehandelt.

 

Normenkette

AO § 173 Abs. 1 Nr. 2

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 13.10.2009; Aktenzeichen X B 205/08)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Kläger einen Anspruch auf Änderung ihrer Einkommensteuerbescheide für die Veranlagungszeiträume 2000 bis 2003 dahingehend haben, dass ihnen ein ungekürzter Vorwegabzug zu gewähren ist.

Die verheirateten Kläger wurden im Streitzeitraum und in den Jahren davor zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der im Jahr 1942 geborene Kläger, ursprünglich als Ingenieur in der Chemiebranche tätig, erzielte seit dem Jahr 1997 Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit als Vorruheständler, wobei er im Jahr 1999 (Vorstreitjahr) zusätzlich Arbeitslosengeld bezog; ab April 2002 und im Jahr 2003 bezog er Alters- und Werksrente. Die Steuererklärungen erstellten die Kläger im Streitzeitraum mit Unterstützung von steuerlicher Literatur selbst. Sie gaben im Mantelbogen den ausgeübten Beruf des Klägers in den Jahren 2000 und 2001 mit „Vorruheständler” an. In den Jahren 2002 und 2003 trugen sie dort den Begriff „Rentner” ein. Die Klägerin war in diesen Jahren durchgängig Hausfrau ohne eigene Einkünfte. In der Anlage N machten die Kläger weder im Vorstreitjahr 1999, in dem im Zusammenhang mit der Zahlung von Arbeitslosengeld auch Rentenversicherungsbeiträge für den Kläger gezahlt wurden, noch in den Streitjahren in der Anlage N unter der Rubrik „Ergänzende Angaben zu den Vorsorgeaufwendungen” (Zeile 25 bis 30) Angaben.

Die amtlichen Anleitungen zur Einkommensteuererklärung lauten zur Anlage N unter der Überschrift „Ergänzende Angaben zu den Vorsorgeaufwendungen, Zeilen 25 bis 30” in den Streitjahren wie folgt: „Diese Zeilen sind von Arbeitnehmern auszufüllen, die während des ganzen oder eines Teils des Kalenderjahrs … (Anm. des erkennenden Senats: es folgt der jeweilige Veranlagungszeitraum) nicht rentenversicherungspflichtig waren. Hierzu gehören insbesondere

  • Beamte, Richter, Berufssoldaten, Beamtenpensionäre und ihre Hinterbliebenen,
  • Weiterbeschäftigte Altersrentner, Werkspensionäre mit Altersrente,
  • Geistliche und andere Personen mit beamtenähnlichen Versorgungsansprüchen,
  • Vorstandsmitglieder von Aktiengesellschaften und GmbH-Geschäftsführer (Anm. des erkennenden Senats: es folgt ab dem Jahr 2001 der Zusatz „die nicht in der gesetzlichen Rentenversicherung versichert sind”)

Diese Angaben werden zur Ermittlung der Vorsorgepauschale und zur Berechnung der Höhe der abziehbaren Vorsorgeaufwendungen benötigt.”

Nachdem den Klägern im Vorstreitjahr 1999 ein ungekürzter Vorwegabzug gewährt worden war, kürzte der Beklagte bei der Veranlagung für die Jahre 2000 und 2001 den Vorwegabzug gemäß § 10 Abs. 3 Nr. 2 Einkommensteuergesetz (EStG) um 12.000 DM (6.136,– EUR); im Jahr 2002 belief sich die Kürzung auf 5.932,– EUR und im Jahr 2003 auf 4.974,– EUR. Im Einzelnen datieren die Einkommensteuerbescheide für die Veranlagungszeiträume 2000 und 2001 vom 17.07.2003, für den Veranlagungszeitraum 2002 vom 01.07.2003 und für den Veranlagungszeitraum 2003 vom 19.07.2004. Gegen diese Bescheide legten die Kläger keinen Einspruch ein.

Im April 2005 beantragten die Kläger, die Einkommensteuerbescheide für die Veranlagungszeiträume 2000 bis 2003 dahingehend zu ändern, dass ihnen in jedem Jahr ein ungekürzter Vorwegabzug gewährt würde.

Zur Begründung führten sie aus, bei den in den Einkommensteuererklärungen angegebenen Bruttoarbeitslöhnen handele es sich um Vorruhestandsleistungen bzw. um Werksrenten. Für sie (die Kläger) seien keine Leistungen für die Zukunftssicherung im Sinne des § 3 Nr. 62 EStG erbracht worden; sie gehörten auch nicht zum Personenkreis nach § 10 c Abs. 3 Nr. 1 oder Nr. 2 EStG. Daran, dass dem Beklagten erst nachträglich die Art und Herkunft der Bruttoarbeitslöhne bekannt geworden seien, treffe sie kein Verschulden. Im Einzelnen legten sie dar, auf Grund der graph...

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