Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Billigkeitserlass bei der erstmaligen Festsetzung von Umsatzsteuer auf Leistungen eines Schönheitschirurgen
Leitsatz (redaktionell)
Nach der EuGH-Rechtsprechung (EuGH v. 20.9.2000 - Rs. C-384/98, EuGHE 2000, I-6795 = UR 2000, 432) und der Rechtsprechung des BFH (BFH v. 15.7.2004 - V R 27/03, BStBl. II 2004, 862) sind nur diejenigen ärztlichen Leistungen von der Umsatzsteuer befreit, die der medizinischen Behandlung einer Krankheit oder einer anderen Gesundheitsstörung dienen. Eine abweichende Umsatzsteuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen für 1997 kommt jedenfalls in NW nicht in Betracht. Etwaige Vertrauenstatbestände, die durch Erlasse und Verfügungen anderer Landesfinanzbehörden als NW in Bezug auf die Steuerfreiheit von medizinisch nicht indizierten Leistungen ergangen sind, können nicht als Rechtsgrundlage für einen Erlass der USt in NW herangezogen werden.
Normenkette
UStG § 4 Nr. 14; GG Art. 3; RL 77/388/EWG Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c; AO § 163
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über eine abweichende Festsetzung der Umsatzsteuer aus Billigkeitsgründen.
Der Kläger ist seit 1991 als Facharzt für Chirurgie und Plastische Chirurgie selbständig tätig. Anlässlich einer Umsatzsteuersonderprüfung für das Jahr 1996 und die Voranmeldungszeiträume Januar bis August 2003 vertrat der Prüfer die Auffassung, dass ärztliche Leistungen des Klägers nur insoweit gem. § 4 Nr. 14 Umsatzsteuergesetz – UStG – von der Umsatzsteuer befreit seien, als es sich um Heilbehandlungen handele. Heilbehandlungen im Sinne der Befreiungsvorschrift lägen nach der Rechtsprechung des EuGH jedoch nur vor, wenn die Leistungen des Arztes der medizinischen Betreuung von Personen durch das Diagnostizieren und Behandeln von Krankheiten oder anderen Gesundheitsstörungen dienten. Die Umsatzsteuerbefreiung für ästhetisch-plastische Leistungen eines Chirurgen hänge demzufolge davon ab, ob die Leistungen medizinisch indiziert seien oder nicht. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Prüfungsbericht vom 30. April 2004 Bezug genommen. Obwohl der Kläger nach Auffassung des Prüfers in 1996 steuerpflichtige Umsätze in Höhe von 79.688,34 DM ausgeführt hatte, wurde eine USt für 1996 wegen der Kleinunternehmerregelung (§ 19 UStG) nicht erhoben. Im Jahre 2004 führte der Beklagte erneut eine USt-Sonderprüfung beim Kläger durch. Entsprechend den Ausführungen im Prüfungsbericht vom 12. April 2005 setzte der Beklagte mit Bescheid vom 26. April 2005 die USt für 1997 i.H.v. 4.307,63 EUR zzgl. Zinsen fest. Über den Einspruch gegen diesen Bescheid ist bislang nicht entschieden.
Bereits vor Ergehen des USt-Bescheides beantragte der Kläger mit Schreiben vom 24. März 2005 die für 1997 festzusetzende Umsatzsteuer gem. § 163 i.V.m. § 227 AO aus Billigkeitsgründen zu erlassen. Zur Begründung verwies er auf die BFH-Entscheidung vom 15. Juli 2004 (V R 27/03, BStBl II 2004,862). Im Urteil des EuGH vom 14. September 2002 (Rs. C-384/98 – in Slg. 2000, I – 6795, UR 2000, 432)) sei erstmals entschieden worden, dass nach Art. 13 Teil A Abs. 1 c der 6. EG-Richtlinie Leistungen eines Arztes umsatzsteuerfrei seien, wenn sie der medizinischen Betreuung von Personen durch das Diagnostizieren und Behandeln von Krankheiten oder anderen Gesundheitsstörungen dienten. Vor Bekanntwerden dieser Entscheidung sei in der Finanzverwaltung die Frage der Umsatzsteuerpflicht von ärztlichen Leistungen, auch von solchen, die nicht der Behandlung von Krankheiten dienten, nicht in Erwägung gezogen worden. Insbesondere seien in Nordrhein-Westfalen keine USt-Festsetzungen erfolgt. Die OFD Münster habe sich erstmals in einer Kurzinformation vom 21. Februar 2004 entsprechend der Verfügung vom 20. Juni 2002 zur Frage der Umsatzbesteuerung der Tätigkeit eines ästhetisch-plastischen Chirurgen geäußert. Die Finanzverwaltung in NRW habe zudem erst in 2003 erste USt-Sonderprüfungen bei plastisch tätigen Chirurgen durchgeführt. Auch in den BMF-Schreiben vom 13.2.2001 (BStBl I 2001, 157) und vom 8. November 2001 (BStBl I 2001, 826) sei die Umsatzsteuerpflicht von Schönheitsoperationen nicht erwähnt. In den Bundesländern Baden-Württemberg und Bayern sei aus Gründen des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit der Steuerpflichtigen zur Vermeidung einer unvorhersehbaren Belastung mit USt-Zahlungen der Beginn der Steuerpflicht durch Erlasse der OFDen München, Nürnberg und Karlsruhe geregelt worden. Nach diesen Erlassen gelte die USt-Pflicht für die genannten Leistungen erst ab dem 1.1.2003. Für den Geltungsbereich der OFD Münster könne unter dem Aspekt des Gleichheitsgebotes keine andere Verfahrensweise zur Anwendung kommen. Gleiche Sachverhalte dürften nicht ungleich behandelt werden. Aus Billigkeitsgründen müssten die Steuerpflichtigen in den Ländern, in denen keine entsprechenden Erlasse oder Verfügungen ergangen seien, gleich behandelt werden. Er habe die USt für 1997 überhaupt nicht in seine Disposition einbezogen und könne sie für die steuerpflichtigen Leistungen im nachhine...