Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Pflicht zur Abgabe der Anlage "EÜR"
Leitsatz (redaktionell)
Der Steuerpflichtige ist mangels gesetzlicher Grundlage nicht zur Abgabe der Anlage "EÜR" verpflichtet.
Normenkette
AO § 150 Abs. 4; EStDV § 60 Abs. 4; EStG § 25 Abs. 3, § 51 Abs. 1 Nr. 1a, Abs. 4, § 4 Abs. 3; AO § 149 Abs. 1
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob das beklagte Finanzamt den Kläger (Kl.) zu Recht zur Abgabe einer „Anlage Einnahmenüberschussrechnung” (Anlage EÜR) zur Einkommensteuer 2006 aufgefordert hat.
Der in V wohnende Kl. betreibt seit 1985 in G eine Schmiede und Hufschlagschmiede. Er ermittelt seinen Gewinn gemäß § 4 Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG) durch Einnahmenüberschussrechnung.
Am 31.01.2008 reichte der Kl. seine Erklärung zur gesonderten Feststellung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb für das Jahr 2006 beim Beklagten (Bekl.) ein (Mantelbogen ESt 1 B sowie Anlage GSE). Der Erklärung war eine Einnahmenüberschussrechnung nach DATEV-Fassung beigefügt, die einen Gewinn i.H. von 27.303,58 EUR auswies.
Der Bekl. stellte den Gewinn des Kl. aus Gewerbebetrieb mit (in gewissen Punkten vorläufigem, jedoch nicht unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehendem) Feststellungsbescheid vom 15.02.2008 auf 27.303,– EUR fest. In einer Anlage zum Feststellungsbescheid wies der Bekl. den Kl. unter der Überschrift „Erläuterungen zu den Festsetzungen / Feststellungen” auf die seit dem Veranlagungszeitraum 2005 bestehende Pflicht zur Abgabe einer Anlage EÜR gemäß § 60 Abs. 4 Einkommensteuerdurchführungsverordnung (EStDV) hin und bat ihn, eine solche Anlage für das Jahr 2006 innerhalb von vier Wochen nach Erhalt des Gewinnfeststellungsbescheides nachzureichen.
Nachdem der Kl. dieser Bitte nicht Folge leistete, wies der Bekl. mit Schreiben vom 18.03.2008 auf die Anlage zum Gewinnfeststellungsbescheid 2006 hin und bat den Kl. erneut um die Abgabe der Anlage EÜR.
Mit Schreiben vom 27.03.2008 legte der Kl. Einspruch gegen die Erinnerung zur Abgabe der Anlage EÜR 2006 vom 18.03.2008 ein. Zur Begründung führte er aus: Für die Regelung des § 60 Abs. 4 EStDV und die daraus abgeleitete Aufforderung zur Abgabe einer Anlage EÜR fehle es an einer gesetzlichen Grundlage. Der Steuerpflichtige sei gesetzlich lediglich verpflichtet, seine steuerbaren und steuerpflichtigen Einkünfte auf amtlichem Vordruck zu deklarieren und die hierzu notwendigen Erläuterungen und Aufklärungen zu geben. Dieser gesetzlichen Deklarations- und Mitwirkungspflicht sei er – der Kl. – durch Abgabe der Feststellungserklärung 2006 sowie einer Gewinnermittlung nach DATEV-Fassung nachgekommen, und zwar im Ergebnis sogar in größerem Umfang als dies durch die Anlage EÜR geschehen könnte. Die Einnahmenüberschussrechnung nach DATEV-Fassung enthalte wesentlich bessere und detaillierte Informationen und Erläuterungen als eine Anlage EÜR. Die Anlage EÜR sei eine Arbeitshilfe der Finanzverwaltung, die sich allenfalls an nicht beratene und deshalb nicht mit qualifizierten Auswertungen der getätigten Geschäftsvorfälle ausgestattete Steuerpflichtige richte. Für Steuerpflichtige, die bereits eine Gewinnermittlung nach DATEV-Grundsätzen erstellt hätten, bedeute das Ausfüllen und Einreichen der Anlage EÜR dagegen einen unverhältnismäßigen Mehraufwand. Es sei nicht ersichtlich, welchen erkennbaren Mehrwert die Anlage EÜR im Vergleich zur einer DATEV-Gewinnermittlung für die Finanzverwaltung habe. Vielmehr würde die Anlage EÜR in Fällen wie dem Vorliegenden sowohl auf Seiten der Finanzverwaltung als auch auf Seiten des Steuerpflichtigen mehr Fragen aufwerfen als steuerrelevante Sachverhalte aufklären. Es sei äußerst bürokratisch, im Rahmen einer Gewinnermittlung nach DATEV-Format erst Daten detailliert zu verbuchen, in übersichtlichen Aufstellungen zusammenzufassen und zu erläutern, um die gleichen Daten anschließend in der angeforderten Anlage EÜR wieder komprimieren und dann später auf An- bzw. Nachfrage der Finanzverwaltung möglicherweise erneut aufschlüsseln zu müssen.
Auf Rückfrage des Bekl. stellte der Kl. im außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren mit Schreiben vom 28.04.2008 klar, dass sich sein Einspruch jedenfalls auch gegen die im Gewinnfeststellungsbescheid vom 15.02.2008 enthaltene Abgabeaufforderung zur Abgabe der Anlage EÜR 2006 richte.
Der Bekl. wies zunächst den Einspruch des Kl. gegen die Erinnerung zur Abgabe der Anlage EÜR vom 18.03.2008 mit Einspruchsentscheidung vom 08.05.2008 als unzulässig zurück. Die Erinnerung zur Abgabe der Anlage EÜR stelle – im Gegensatz zu der eigentlichen Aufforderung zur Abgabe des Formulars durch die Anlage zum Gewinnfeststellungsbescheid 2006 vom 15.02.2008 – keinen anfechtbaren Verwaltungsakt i.S. des § 118 Abgabenordnung (AO) dar.
Mit weiterer Einspruchsentscheidung vom 08.05.2008 wies der Bekl. diesen Einspruch gegen die im Gewinnfeststellungsbescheid 2006 enthaltene Aufforderung zur Abgabe der Anlage EÜR als unbegründet zurück. Der Gewinnfeststellungsbescheid vom 15.02.200...