Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerbescheid, Bekanntgabe; Empfangsbevollmächtigter
Leitsatz (redaktionell)
Wird dem Empfangsbevollmächtigten einer Sozietät ein Bescheid zugesandt, so gilt mit der Bekanntgabe an ihn der Bescheid mit Wirkung für und gegen alle Gesellschafter als bekannt gegeben. Ist die Bekanntgabe an den Steuerpflichtigen mit der Bekanntgabe an den Empfangsbevollmächtigten erfolgt, ist es unerheblich, wenn der Steuerpflichtige eine Bescheidabschrift tatsächlich nicht erhalten haben sollte.
Normenkette
AO § 110 Abs. 1, § 183 Abs. 1 Sätze 1, 5
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob es der Beklagte (Bekl.) zu Recht unter Bezugnahme auf die Bestandskraft des Bescheides abgelehnt hat, die Sonderbetriebsausgaben des Klägers im Rahmen der gesonderten und einheitlichen Feststellung der Einkünfte 2002 einzubeziehen.
Der Kläger (Kl.) ist Gesellschafter der Rechtsanwaltssozietät M. V. und J. in I.. Der Bekl. stellte die Einkünfte der Sozietät für 2002 im Wesentlichen entsprechend den Angaben in der Feststellungserklärung durch Bescheid vom 28.11.2003 fest. Sonderbetriebsausgaben des Kl. wurden nicht angesetzt. Insoweit enthielt die Feststellungserklärung den Hinweis, die Angaben über die Sonderbetriebsausgaben für das Jahr 2002 würden vom Kl. nachgereicht.
In der Feststellungserklärung 2002 wurde der Sozius V als Empfangsbevollmächtigter benannt. Der unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehende Feststellungsbescheid 2002 wurde mit dem Hinweis an den Empfangsbevollmächtigten bekannt gegeben, er ergehe an ihn mit Wirkung für und gegen alle Feststellungsbeteiligten. Der Vorbehalt der Nachprüfung wurde durch entsprechend adressierten Bescheid vom 06.04.2004 aufgehoben.
Mit Schreiben vom 21.05.2004, bei dem beklagten Finanzamt am 24.05.2004 eingegangen, übersandte der Kl. durch seinen Steuerberater eine Aufstellung seiner Sonderbetriebsausgaben 2002 in Höhe von 6.111,44 EUR mit der Bitte um Berücksichtigung. Der Bekl. lehnte die Änderung des Feststellungsbescheides 2002 unter Hinweis auf dessen Bestandskraft durch Bescheid vom 01.06.2005 ab.
Dagegen erhob der Kl. Einspruch und beantragte wegen Versäumens der Einspruchsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Zur Begründung trug er vor, er sei aufgrund der erheblichen Arbeitsbelastung von ca. 70 Wochenstunden nicht eher zur Zusammenstellung der Unterlagen gekommen. Erst durch den Bescheid vom 01.06.2004 habe er erfahren, dass der Vorbehalt der Nachprüfung hinsichtlich des Feststellungsbescheides 2002 aufgehoben worden sei. Der Bescheid sei Rechtsanwalt V am 13.04.2004 übersandt worden. Er habe die Bürovorsteherin, Frau E, beauftragt, den Sozien Kopien des Bescheides auszuhändigen. Das sei jedoch unterblieben, obwohl sich Frau E über Jahre hinweg als zuverlässige Mitarbeiterin erwiesen habe. Wegen ihrer Zuverlässigkeit hätten die Sozien davon ausgehen können, dass ihnen die Bescheidkopien ausgehändigt und erst dann die Originale bei den Steuerunterlagen der Kanzlei abgeheftet würden. Frau E könne sich das Versäumnis nur so erklären, dass sie durch ein Telefonat oder ein Mitarbeitergespräch abgelenkt gewesen sei und dann anschließend den Bescheid abgeheftet habe. Auf die Eidesstattliche Versicherung von Frau E. vom 17.06.2004 werde Bezug genommen.
Im Übrigen werde auf § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO verwiesen. Danach sei eine Bescheidänderung möglich, wenn den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran treffe, dass Tatsachen nachträglich bekannt geworden seien. Angesichts der Arbeitsbelastung habe er erst Ende Mai seine Sonderbetriebsausgaben zusammenstellen können und sei davon ausgegangen, eine Berücksichtigung sei wegen des Vorbehalts der Nachprüfung noch möglich. Dass der Vorbehalt bereits aufgehoben gewesen sei, habe er nicht gewusst.
Der Bekl. verwarf den Einspruch durch Einspruchsentscheidung (EE) vom 29.07.2004 als unzulässig. Er sei nach Ablauf der Einspruchsfrist erhoben worden.
Durch weitere EE vom gleichen Tag wies der Bekl. den Einspruch gegen die Ablehnung der Änderung des Feststellungsbescheides 2002 zurück. Die beantragte Änderung könne nicht auf § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO gestützt werden. Ein grobes Verschulden des Kl. sei bereits darin zu sehen, dass er die Sonderbetriebsausgaben nicht bereits in der Feststellungserklärung angegeben habe. Die Arbeitsbelastung sei letztlich kein hinreichender Grund dafür, der Erfüllung steuerlicher Pflichten geringere Bedeutung beizumessen als der Erledigung anderer Aufgaben.
Mit Schreiben vom 30.08.2004 erhob der Kl. gegen die EE Klage und verfolgt sein Begehren weiter. Ergänzend zum Vortrag aus dem Vorverfahren trägt er vor, zwar gelte der Feststellungsbescheid nach der Zugangsfiktion des § 183 AO mit der Bekanntgabe an den Empfangsbevollmächtigten auch ihm gegenüber als bekannt gegeben. Doch auch unter Geltung der Zugangsfiktion könne Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden, wenn ein ...