Entscheidungsstichwort (Thema)
Prozesskosten als außergewöhnliche Belastungen
Leitsatz (amtlich)
Die Kosten eines Beschwerdeverfahrens im Zusammenhang mit einem Erbscheinsverfahren mit dem Ziel der Rückgängigmachung der Erbenstellung sind als außergewöhnliche Belastung gem. § 33 Abs. 1 EStG abzugsfähig, wenn das Verfahren nicht mutwillig oder ohne Aussicht auf Erfolg war. Hieran ändert auch nichts daran, dass die Erbschaft hätte, auch ausgeschlagen werden können. Das Gericht folgt insoweit der neueren Rechtsprechung des VI. BFH-Senats zur Berücksichtigung von Prozesskosten.
Normenkette
EStG 2010 § 33 Abs. 1; FamFG § 351 Abs. 1 u. 3; BGB § 1954
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Berücksichtigung von Rechtsanwaltskosten als außergewöhnliche Belastungen nach § 33 des Einkommensteuergesetzes –EStG-.
Die Kläger sind Eheleute, die zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden.
Der Kläger erzielte aus einer Mitunternehmerschaft sowie als Unternehmensberater Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Des Weiteren erzielte er als Geschäftsführer Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit. Die Klägerin erzielte als Rechtsanwältin Einkünfte aus selbständiger Arbeit, aus einer Mitunternehmerschaft und aus der Veräußerung von Gesellschaftsanteilen Einkünfte aus Gewerbebetrieb sowie aus der Beteiligung an einer Grundstücksgemeinschaft in B Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung.
Im Rahmen der Einkommensteuererklärung 2010 machten die Kläger Aufwendungen für die Führung eines Prozesses als außergewöhnliche Belastungen geltend. Die angegebenen Rechtsanwaltskosten beliefen sich auf 6.242,- € und resultierten aus der angestrebten Rückgängigmachung einer Erbenstellung der Klägerin. Der Erbfall war mit dem Tod des Vaters der Klägerin im Jahre 1999 eingetreten.
Der Beklagte berücksichtigte diese Kosten im Einkommensteuerbescheid 2010 vom 24. Januar 2012 nicht. Er begründete dies damit, dass die Aufwendungen in die Vermögenssphäre fielen, worunter auch die aus Anlass eines Erbschaftsstreites entstandenen Prozesskosten gehörten.
Im Einspruchsverfahren machten die Kläger geltend, dass die angefallenen Prozesskosten nicht in die Vermögenssphäre fielen, sondern es hier um die Feststellung ginge, dass eine Erbenstellung nicht vorliege und somit auch kein Vermögenserwerb bestehe, mit dem eine Gefährdung ihrer Existenzgrundlage verbunden gewesen wäre. Hierzu legten die Kläger die Forderung der ...-Bank in Höhe von 668.840,72 € sowie die Forderung des ...-Amts von B in Höhe von 20.967,00 € vor, welche sich gegen die insgesamt fünf Erbinnen richteten. Hinzu kamen laut Auskunft der Kläger noch weitere Forderungen aus im Nachlass enthaltenen Beteiligungen. Aufgrund der Überschuldung des Nachlasses sei ein Verfahren zur Feststellung der Erbenstellung geführt worden, in welchem festgestellt werden sollte, dass keinerlei Ansprüche mehr gegen die potentiellen Erben geltend gemacht werden könnten, da die Erbenstellung rückgängig gemacht worden sei. Die Überschuldung des Nachlasses hätte hier eine Privatinsolvenz nach sich gezogen und die Existenzgrundlage aller Erben gefährdet. Aufgrund des geführten Verfahrens seien die Erbscheine sämtlicher Erben mit Beschluss vom 26. November 2010 eingezogen und die Erbenstellung somit rückgängig gemacht worden.
Der Beklagte wies den Einspruch mit Entscheidung vom 18. Juni 2012 als unbegründet zurück.
Nach § 33 Abs. 1 EStG könne einem Steuerpflichtigen, dem zwangsläufig höhere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes erwüchsen, die Einkommensteuer dadurch ermäßigt werden, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung übersteige, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werde. Aufwendungen erwüchsen zwangsläufig, wenn der Steuerpflichtige sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen könne (§ 33 Abs. 2 EStG). Prozesskosten, insbesondere Kosten eines Zivilprozesses seien grundsätzlich nicht als äußergewöhnliche Belastung absetzbar, und zwar unabhängig davon, ob sie in der Kläger- oder Beklagtenstellung erwüchsen. Bei den Kosten eines Zivilprozesses spreche eine Vermutung gegen ihre Zwangsläufigkeit. Für die Betrachtung der Zwangsläufigkeit sei nicht auf die - regelmäßig vorliegende -Zwangsläufigkeit der Zahlungsverpflichtung abzustellen. Hinzukommen müsse vielmehr, dass der Steuerpflichtige dem Prozess aus einer rechtlichen oder sittlichen Verpflichtung oder aus tatsächlichem Zwang nicht habe ausweichen können. Lediglich unter besonderen sehr engen Voraussetzungen könnten Prozesskosten als außergewöhnliche Belastung angesehen werden, wenn der Steuerpflichtige Gefahr liefe, ohne den Prozess seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse im Üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen könnte. Die ...