Rz. 250
§ 10 Abs. 6 ErbStG beschränkt unter näheren Voraussetzungen den Abzug von Schulden und Lasten, die den steuerpflichtigen Erwerb nicht mindern dürfen. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass der Abzug dem Charakter der Erbschaftsteuer, die die echte Bereicherung eines Erwerbs erfassen will, widersprechen würde. Gleichwohl ist dieser Grundsatz vom Gesetzgeber nur unvollkommen umgesetzt worden, sodass sich aus der Kumulation von Steuerbefreiungen und Schuldenabzug Entlastungswirkungen ergeben können, die die Gleichmäßigkeit der Besteuerung ernsthaft infrage stellen. Ähnliche, sachlich nur schwer zu rechtfertigende Entlastungswirkungen können sich aus dem Zusammentreffen von Steuerbefreiungen und der nicht steuerbarem Zugewinnausgleichsforderung gem. § 5 ErbStG ergeben.
7.1.1 Überblick
Rz. 251
Das Abzugsverbot erstreckt sich zunächst auf Schulden und Lasten, die in wirtschaftlichem Zusammenhang mit Vermögensgegenständen stehen, die nicht der Besteuerung nach dem ErbStG unterliegen. In § 10 Abs. 6 S. 1–3 ErbStG sind ausschließlich ganz oder teilweise steuerbefreite Vermögensgegenstände angesprochen. § 10 Abs. 6 S. 4 und 5 ErbStG enthalten eine Konkretisierung des bereits in Satz 3 enthaltenen Grundsatzes für Vermögen, das nach § 13a ErbStG und § 13d ErbStG ganz oder teilweise steuerbefreit ist. Entbehrlich wäre die Regelung des § 10 Abs. 6 S. 6 ErbStG, wonach sich Nutzungsrechte nicht doppelt, nämlich bei Bewertung und Bereicherung, steuerlich auswirken dürfen.
Rz. 252
Nicht betroffen sind solche Gegenstände, für deren Erwerb ein Freibetrag gewährt wird. Denn diese Freibetragsregelung ändert nichts daran, dass die davon erfassten Vermögensgegenstände zunächst voll der Besteuerung unterliegen. Der Abzug von Schulden und Lasten ist hier somit nicht durch § 10 Abs. 6 ErbStG eingeschränkt.
Rz. 253
Nicht betroffen sind auch die Erwerber, denen eine Steuerbefreiung nicht gewährt wird.
7.1.2 Wirtschaftlicher Zusammenhang
Rz. 254
In den Fällen des § 10 Abs. 6 S. 1–5 ErbStG greift das Abzugsverbot nur ein, soweit Schulden und Lasten mit dem erworbenen Vermögensgegenstand in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen.
Rz. 255
Bei Pflichtteilsansprüchen besteht ein wirtschaftlicher Zusammenhang mit allen erworbenen Vermögensgegenständen unabhängig davon, inwieweit sie steuerbar oder steuerbefreit sind; bei anderen allgemeinen Nachlassverbindlichkeiten besteht dagegen kein wirtschaftlicher Zusammenhang mit einzelnen erworbenen Vermögensgegenständen.
Rz. 256
Für einen wirtschaftlichen Zusammenhang ist eine allgemeine Beziehung zwischen dem Vermögensgegenstand und der jeweiligen Schuld bzw. Last nicht ausreichend. Vielmehr muss die maßgebliche wirtschaftliche Beziehung aus der Entstehung der Schuld bzw. Last abzuleiten sein. Der wirtschaftliche Zusammenhang setzt voraus, dass die Entstehung der Verbindlichkeit ursächlich und unmittelbar auf Vorgängen beruht, die diesen Vermögensgegenstand betreffen. Zu bejahen ist der wirtschaftliche Zusammenhang z. B. dann, wenn die Schuld zum Erwerb, zur Sicherung oder zur Erhaltung eines Vermögensgegenstands eingegangen wird, etwa wenn der Entstehungsgrund einer Schuld unmittelbar aus dem Anschaffungsvorgang resultiert (z. B. Restkaufpreis). Einen solchen Zusammenhang sieht das FG Münster auch bei einem Untervermächtnis, wenn ein Sachvermächtnis mit jenem belastet wird und das Sachvermächtnis nur aus begünstigtem Vermögen besteht.
Rz. 257
Die hypothekarische Sicherung einer Schuld an einem Grundstück reicht für sich allein noch nicht aus, um den wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem Grundstück herbeizuführen.
Rz. 258
Bei einer Gesamtrechtsnachfolge ist auf die Entstehung der Schuld beim Erblasser abzustellen; der Erbfall allein begründet noch keine wirtschaftliche Beziehung zwischen Vermögensgegenstand und Schuld.