Rz. 121
Die Frage, wie Sachleistungsansprüche und -verbindlichkeiten zu bewerten sind, hatte in der Vergangenheit vor allem für den Fall Bedeutung, dass diese die Übertragung von Grundstücken zum Gegenstand hatten.
Die Rspr. des BFH zu dieser Frage hat geschwankt. Nachdem er zunächst die Auffassung vertreten hatte, dass die kaufvertragliche Verpflichtung zur Grundstücksübereignung wie das Grundstück – seinerzeit mit 140 % des Einheitswerts – zu bewerten sei, entschied der BFH in seinem Urteil vom 6.12.1989 für den Fall, dass der Erblasser einen Kaufvertrag über ein ihm gehörendes Grundstück abgeschlossen hatte, der zu seinen Lebzeiten von keiner Seite erfüllt worden war, dass für die Wertermittlung des steuerpflichtigen Erwerbs beim Erben die Verpflichtung zur Grundstücksübereignung in gleicher Höhe wie der Anspruch auf den Kaufpreis zu bewerten sei. Dadurch kam der steuerliche Vorteil aus der Bewertung des noch dem Erblasser zuzurechnenden Grundstücks mit seinerzeit 140 % des Einheitswerts noch dessen Erben zugute. Für die Fälle, in denen der Erwerber seiner Zahlungsverpflichtung bereits nachgekommen war, ließ es das Urteil dahingestellt, ob die Sachleistungsverpflichtung nach wie vor mit dem für das Grundstück geltenden Wert zu bewerten sei.
Rz. 122
In seinem Urteil vom 15.10.1997 entschied der BFH demgegenüber, dass die auf die Übertragung von Grundbesitz gerichtete, vertraglich vereinbarte Sachleistungsverpflichtung oder ein entsprechender Sachleistungsanspruch bei der Ermittlung des der Erbschaftsteuer unterliegenden Erwerbs mit dem gemeinen Wert und nicht mit dem für den Grundbesitz maßgebenden Steuerwert anzusetzen sei. Dies gelte auch dann, wenn der zugrunde liegende Veräußerungsvertrag vonseiten des Erwerbers bereits erfüllt sei.
Zugleich brachte der BFH in der Entscheidung jedoch zum Ausdruck, dass dies nicht bei einseitigen Sachleistungsverpflichtungen gelte, die zu keiner Zeit Teil eines Gegenseitigkeitsverhältnisses gewesen seien. Ansprüche aus Sachvermächtnissen seien daher nicht mit dem gemeinen Wert zu bewerten, sondern mit dem Steuerwert der Sache, auf die die vermächtnisweise erworbenen Ansprüche gerichtet seien. Daran hat er mit Urteil vom 9.4.2008 für die Dauer der durch den Beschluss des BVerfG vom 7.11.2006 zugelassenen Fortgeltung des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes aus Gründen des Vertrauensschutzes festgehalten. Eine Ausdehnung der bisherigen Beurteilung auf Forderungen aus Übernahme- oder Kaufrechtsvermächtnissen lehnte der BFH hingegen mit der Begründung ab, dass für diese – aus anderen Gründen – niemals eine entsprechende Beurteilung gegolten habe. Die Forderung aus Übernahme- oder Kaufrechtsvermächtnissen sei daher nicht mit dem Steuerwert des vermachten Gegenstands zu bewerten, sondern mit dem gemeinen Wert.
Rz. 123
Die FinVerw hält auch unter der Geltung des ErbStRG daran fest, dass Sachvermächtnisse mit dem Steuerwert des Vermächtnisgegenstands zu bewerten sind. Für andere auf einer einseitigen Sachleistungsverpflichtung beruhende Erwerbe, z. B. einem Erwerb aufgrund eines von dem Erblasser geschlossenen Vertrags mit einem Dritten (§ 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG), soll dies sinngemäß gelten. Da das ab 1.1.2009 geltende Bewertungsrecht grundsätzlich bei allen Vermögensarten auf den Ansatz des gemeinen Werts zielt, hat die Unterscheidung zwischen gemeinem Wert und Steuerwert allerdings nicht mehr dieselbe Bedeutung wie nach früherem Recht. Nur bei der Bewertung des Wirtschaftsteils des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens können sich auch in Zukunft erhebliche Abweichungen zwischen dem für erbschaftsteuerliche Zwecke ermittelten Fortführungswert und dem fiktiven Veräußerungswert i. S. d. § 9 BewG ergeben.
Rz. 124–129
einstweilen frei