Prof. Dr. Michael Fischer
Rz. 330
Eine gemischt-freigebige Zuwendung liegt vor, wenn mit einem gegenseitigen Vertrag (z. B. Kauf) eine unentgeltliche Zuwendung in der Weise verbunden ist, dass der Differenzbetrag zwischen dem Wert der Leistung (z. B. Kaufsache) und der Höhe der Gegenleistung (z. B. Kaufpreis) als unentgeltliche Zuwendung gelten soll. Zivilrechtlich wird dies als gemischte Schenkung bezeichnet. Eine Gegenleistung kann nach allgemeinen Grundsätzen auch bei einer rechtlich-kausalen Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung vorliegen. Das ist z. B. der Fall, wenn der spätere Beschenkte vor dem Schenkungsvollzug das Grundstück des Schenkers unter Erwartung der künftigen Schenkung bebaut. Klassischer Fall der Gegenleistung ist der Kaufpreis beim sog. Freundschaftskauf, wenn dieser nicht ohnehin nach dem Willen der Parteien als vollentgeltlich zu behandeln ist. Die Übernahme dinglicher Lasten (z. B. Grundpfandrechte) stellt zivilrechtlich weder Gegenleistung noch Auflage dar. Erfolgt ein Schuldbeitritt zur Darlehensverpflichtung des Schenkers, hängt die Berücksichtigung als Gegenleistung davon ab, ob der Beschenkte die Zins- und Tilgungsleistungen auch im Innenverhältnis zu tragen hat.
Rz. 331
Voraussetzung für die Annahme einer gemischt-freigebigen Zuwendung ist zunächst, dass sich eine objektive Wertdifferenz zwischen Leistung und Gegenleistung nach bürgerlich-rechtlichen Maßstäben feststellen lässt. Bei der Bewertung der zugewendeten Leistung ist auf den Verkehrswert abzustellen. Es sind alle tatsächlichen, rechtlichen und wirtschaftlichen Umstände zu berücksichtigen, die üblicherweise vom Markt beachtet werden. Bei einem auffallenden Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung ist zu vermuten, dass eine gemischt-freigebige Zuwendung vorliegt, doch stellt sich sogleich die Frage, wann ein auffallendes Missverhältnis gegeben ist. Das FG Münster hat sich für einen Angemessenheitsspielraum von 20–25 % ausgesprochen; das FG München sieht eine Wertdifferenz von 51 % als auffällig an. Letztlich kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an, z. B. die Schwierigkeit der Wertermittlung. Liegt ein auffälliges Missverhältnis vor, ist zu vermuten, dass der Zuwendende dieses auch kannte. Ob dann noch Raum bleibt, eine freigebige Zuwendung auf subjektiver Ebene abzulehnen, hängt davon ab, ob es zusätzlich auf einen Bereicherungswillen des Zuwendenden ankommt, was der BFH im Grundsatz verneint.
Rz. 332
Für die Frage, ob Leistung und Gegenleistung ausgeglichen sind, ist schenkungsrechtlich allein auf die subjektive Äquivalenz zwischen den Vertragsteilen abzustellen. Schenkungsteuerrechtlich soll demgegenüber eine Objektivierung der Bewertung des Leistungsaustauschs nach den Maßstäben des allgemein Verkehrsüblichen erfolgen, eine Linie, die inzwischen auch von der FinVerw vertreten wird (R E 7.1 Abs. 3 S. 3 ErbStR 2019). Namentlich haben nach der Ansicht des BFH ungewöhnliche und persönliche Umstände unberücksichtigt zu bleiben. Insoweit gelte für den Verkehrswert von Leistung und Gegenleistung dasselbe, was § 9 Abs. 2 S. 3 BewG für die Ermittlung des gemeinen Werts vorschreibe. Ungewöhnliche und persönliche Umstände sind solche, mit denen der Verkehr bei Abschätzung des Werts eines Wirtschaftsguts nicht zu rechnen pflegt, die lediglich in einem Einzelfall ausnahmsweise die Preisbildung beeinflusst haben; persönliche Verhältnisse weisen darüber hinaus die Besonderheit auf, dass sie in der Person des Käufers oder Verkäufers liegen. Deswegen sind im Gesellschaftsvertrag vereinbarte Verfügungsbeschränkungen für die Übertragung der Geschäftsanteile zu den persönlichen Verhältnissen zu rechnen, die bei der Wertermittlung nicht zu berücksichtigen sind. Die Gesellschafter sind diese Bindungen im eigenen und gegenseitigen Interesse eingegangen und können sie jederzeit wieder beseitigen. Ziel der Verfügungsbeschränkungen ist der Schutz der Gesellschaft gegen das Eindringen Dritter. Dieser Schutz dient mittelbar auch den Interessen der Gesellschafter. Demgegenüber stellt der Wechsel in der Geschäftsführung eines Unternehmens keinen persönlichen Umstand dar, wenn die Wahrnehmung des Unternehmens am Markt maßgeblich von den geschäftsführenden Gesellschaftern geprägt wird und der Unternehmenswert entscheidend davon abhängt, dass diese Personen dem Unternehmen mit ihren Kenntnissen, Erfahrungen und Kontakten erhalten bleiben.
Rz. 333
Der Objektivierung der Bewertung von Leistung und Gegenleistung einschließlich des Außerachtlassens von ungewöhnlichen und persönlichen Umständen ist entgegenzuhalten, dass eine vom konkreten Willen der Parteien und damit vom Inhalt des Rechtsgeschäfts abweichende Sichtweise auf eine fiktive Besteuerung hinausläuft. Die Annahme einer gemischt-freigebigen Zuwendung setzt ebenso wie die gemischte Schenkung den übereinstimmenden Willen zur Bereicherung voraus; der Bereicherungswille grenzt mithin die entgeltliche von der unentgeltlichen Sphäre ab, soweit eine Gege...