Rz. 184
Wandelschuldverschreibungen sind Gläubigerrechte; sie verleihen dem Gläubiger das Recht, innerhalb bestimmter Fristen und zu bestimmten Konditionen Anteile zu beziehen, die Gläubigerstellung also in eine Gesellschafterstellung umzuwandeln. Optionsanleihen unterscheiden sich von Wandelschuldverschreibungen dadurch, dass bei Ausübung der Option zum Bezug der Anteile an der Gesellschaft nicht die Forderung in Gesellschaftsrechte umgewandelt wird, sondern die Gläubigerrechte bestehen bleiben und die Gesellschaftsrechte, die zu dem in den Optionsbedingungen genannten Preis bezogen werden, neben die Gläubigerrechte treten. Das Optionsrecht kann abgetrennt von der Forderung gehandelt werden.
Rz. 185
Wandelschuldverschreibungen und Optionsanleihen sind bis zur Ausübung der Option auf Bezug der Gesellschaftsrechte echte Verbindlichkeiten und als solche zu bilanzieren. Die gezahlten Zinsen sind Betriebsausgaben, beim Empfänger Betriebseinnahmen bzw. Einkünfte aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG. Mit Ausübung der Option wird bei der Wandelschuldverschreibung aus dem Fremdkapital Eigenkapital, die Zinszahlungen werden durch Gewinnausschüttungen ersetzt. Bilanziell erfolgt eine erfolgsneutrale Umqualifizierung (bei der ausgebenden Körperschaft von Fremdkapital in Eigenkapital, beim Inhaber von Forderungen in Wertpapiere/Beteiligungen). Bei der Optionsanleihe bleibt das Fremdkapital bestehen; zusätzlich ist die Ausgabe bzw. der Erwerb der Anteile zu bilanzieren. Werden Wandelschuldverschreibungen und Optionsanleihen gegen Aufgeld ausgegeben, ist dieser Betrag bei der ausgebenden Gesellschaft sofort und endgültig als Einlage (Aufgeld aus der Ausgabe von Anteilen) zu behandeln. Es besteht insoweit kein Schwebezustand bis zur Ausübung des Optionsrechts. Zwar ist der Berechtigte noch kein Anteilsinhaber, sondern Gläubiger, er hat das Aufgeld jedoch im Hinblick auf eine künftig mögliche Gesellschafterstellung geleistet. Das schließt die Behandlung als Gewinn bei der Kapitalgesellschaft aus. Das Aufgeld fließt der Kapitalgesellschaft nicht als Ergebnis ihrer Tätigkeit auf dem Markt zu, sondern ist eine Einlage von einem (künftigen) Gesellschafter. Steuerlich ist dieser Betrag in das steuerliche Einlagekonto einzustellen. Das gilt auch, wenn der Anleihegläubiger die Option später nicht ausübt.
Rz. 186
Handelsrechtlich ist das Aufgeld in die Kapitalrücklage nach § 272 Abs. 2 Nr. 2 HGB einzustellen, und zwar unabhängig davon, ob die Option später ausgeübt wird oder nicht. Auch hieraus kann das Ergebnis, dass das Ausgabeaufgeld keinen steuerpflichtigen Ertrag bildet, abgeleitet werden. Das Steuerrecht kann in dieser Frage nicht vom Handelsrecht abweichen. Wenn das Aufgeld auch bei Nichtausübung der Option zum Eigenkapital (Kapitalrücklage) gehört und daher nicht als Gewinn verwendet werden darf, kann eine Besteuerung als Gewinn nicht erfolgen. Sonst würde das Aufgeld durch die Steuer gemindert, müsste aber handelsrechtlich in voller Höhe in der Kapitalrücklage gebunden bleiben. Dies würde einen Wertungswiderspruch zwischen Handels- und Steuerrecht bedeuten. Wenn handelsrechtlich keine Rechtsgrundlage für eine Umbuchung in die Gewinnrücklage besteht, kann das Aufgeld auch nicht besteuert werden.
Rz. 187
Werden Wandelschuldverschreibung und Optionsanleihe nicht gegen ein Aufgeld, sondern gegen eine niedrigere Verzinsung ausgegeben, gelten die gleichen Grundsätze. Der Wert der niedrigen Verzinsung ist aufzuteilen in einen Teil, der als Aufgeld auf das Optionsrecht entfällt, und einen Teil, der dem Gläubigerrecht zuzuordnen ist. Der auf das Optionsrecht entfallende Anteil entspricht dem Aufgeld und ist (steuerneutral) in die Kapitalrücklage einzustellen. Der auf das Gläubigerrecht entfallende Anteil ist ein zusätzlicher Zins, der bei der verpflichteten Kapitalgesellschaft als Rechnungsabgrenzungsposten zu aktivieren und über die Laufzeit des Darlehens verteilt aufzulösen ist. Der Investor hat entsprechend zwei Wirtschaftsgüter zu aktivieren, die Forderung aus der Anleihe und das durch das Aufgeld erworbene Optionsrecht.
Diese Grundsätze gelten indes nicht uneingeschränkt. Im Falle einer niedrig verzinslichen Wandelanleihe mit jederzeitigem Wandlungsrecht (sog. American Call) lehnt der BFH die Annahme einer Einlage des das Aufgeld repräsentierenden Teils der Niedrigverzinsung durch den (künftigen) Gesellschafter ab. Denn wegen der Unsicherheit über den Ausübungszeitpunkt und der damit verbundenen Unsicherheit über den Umfang des Rechts zur verbilligten Kapitalnutzung liegt kein bilanzierungsfähiger Vermögensvorteil i. S. d. steuerlichen Einlagebegriffs vor, soweit der Zeitraum nach der erstmaligen Ausübbarkeit des Wandlungsrechts betroffen ist. Auch die Bildung eines aRAP durch den Emittenten unter proratarischer Erfassung einer Betriebsausgabe ist insoweit unzulässig.
Rz. 188
Wird ein Optionsrecht nicht ausgeübt, sondern kauft die Kapitalgesellschaft die Anleihe vor Verfall des Optionsrech...