Rz. 81
Die Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr liegt vor, wenn eine Tätigkeit am Markt gegen Entgelt und für Dritte äußerlich erkennbar angeboten wird. Dieses Merkmal dient im Rahmen der allgemeinen Abgrenzung zwischen Gewerbebetrieb einerseits und der nicht steuerbaren Sphäre andererseits dazu, aus dem Gewerbebetrieb solche Tätigkeiten auszusondern, die zwar von einer Gewinnerzielungsabsicht getragen, jedoch nicht auf einen Leistungs- oder Güteraustausch gerichtet sind. Entscheidend ist deshalb, ob die Tätigkeit ihrer Art und ihrem Umfang nach dem Bild einer unternehmerischen Marktteilnahme entspricht. Auch für diese Abgrenzung ist somit auf das Gesamtbild der Verhältnisse und auf die Verkehrsanschauung abzustellen. An das Vorliegen des Merkmals sind keine hohen Anforderungen zu stellen.
Eine aktive, tätige Teilnahme am Wirtschaftsverkehr oder Geschäftsleben ist nicht erforderlich. Es genügt, wenn der Stpfl. durch sein Verhalten den am Markt tätigen interessierten Unternehmen seine Bereitschaft zur Leistungserbringung zu erkennen gibt.
Rz. 81a
Keine Beteiligung am Marktgeschehen stellt die (ausschließliche; Rz. 38) Ausübung hoheitlicher Tätigkeit dar. Dagegen ist die Tätigkeit mit öffentlichen Aufgaben beliehener Personen auf privatrechtlicher Grundlage Teilnahme am Wirtschaftsverkehr.
Rz. 81b
Das erforderliche Synallagma zwischen Leistungsangebot und Gegenleistung wird in der jüngeren Rspr. zur Teilnahme an Geschicklichkeitsspielen deutlich. So hat die Rspr. die Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr eines Turnierpokerspielers bejaht, dessen Preisgelder stellen im Ergebnis Einkünfte aus Gewerbebetrieb dar. Umsatzsteuerlich soll dagegen mangels hinreichendem Zusammenhang zwischen Leistung (Teilnahme) und Gegenleistung (Preisgeld) keine Steuerbarkeit anzunehmen sein. Die Grundsätze für Turnierpokerspiel wurden nunmehr auch für sog. "cash games" bestätigt. Dabei ist die Betriebstätte der Raum, in dem sich der Computer befindet, der für die Teilnahme am Spiel genutzt wird. Nach wie vor offen und in tatsächlicher Hinsicht noch zu klären ist allerdings, inwieweit die gleichen Grundsätze auch für "Blackjack" gelten. Generell sind steuerbare Einkünfte jedoch ausgeschlossen, wenn die Ergebnisse allein vom Zufall abhängen – mithin reines Glücksspiel vorliegt.
Insbesondere die derzeit bestehende Diskrepanz zwischen umsatz- und einkommensteuerlicher Rechtslage erscheint vor dem Hintergrund der weit(est)gehend ähnlichen Voraussetzungen der §§ 15 Abs. 2 EStG, 2 Abs. 1 UStG problematisch. Erforderlich ist für beide Normen ein Leistungsaustausch, der sich im Zusammenhang zwischen Leistungsangebot und Gegenleistungen zeigt (Rz. 81; siehe Abschn. 1.1. UStAE). Die Frage dieses Leistungsaustausches ist tatsächlicher Natur, wird sie also für die USt – wie vorliegend – verneint, dann sprechen Denkgesetze dafür, in der ESt entsprechend zu verfahren (und "vice versa"). Bezüglich der offenen Fälle lässt sich zumindest der BFH-Entscheidung zur USt entnehmen, dass Gewinne aus "cash games" wohl ebenfalls nicht umsatzsteuerbar sein sollen. Auch in der ESt spricht wenig dafür, "cash games" anders zu behandeln als Turniere. Darauf, ob ihnen derselbe Unterhaltungscharakter beigemessen wird wie Pokerturnieren, kommt es m. E. nicht an, denn "cash games" weisen bereits im Gesamtbild deutlich mehr Elemente einer Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr auf: So sind die Einsätze ("blinds") und Gegnerzahl zumeist konstant, der Spieler kann jederzeit ein- und aussteigen und die Zahl der Wiederholungen (Runden) ist – im Gegensatz zur endlichen Zahl im Rahmen eines Turniers – grundsätzlich unbegrenzt (insb. bei online-Spielen). Dies indiziert, dass dem Geschicklichkeitselement beim "cash game" eine gegenüber Turnieren nochmals deutlich gesteigerte Bedeutung zukommt, da sich die Gesetze der Wahrscheinlichkeitsrechnung aufgrund der immer höheren Zahl an Spielwiederholungen umso mehr auswirken und der Spieler umso mehr auf den Eintritt bestimmter Ereignisse vertrauen kann. Bei lebensnaher Betrachtung lässt sich die Teilnahme am "cash game" von der Teilnahme an einem (anderen) beliebigen Markt kaum noch unterscheiden.
Rz. 82
Die Beteiligung am allgemeinen Verkehr setzt grundsätzlich voraus, dass sich der Stpfl. mit seiner Leistungsbereitschaft an den allgemeinen Markt wendet, also an eine unbestimmte Vielzahl von in Betracht kommenden Abnehmern und nicht nur von vornherein und ausschließlich an einen in sich abgeschlossenen Kreis von bestimmten Personen. Die Allgemeinheit i. d. S. kann zwar eine auch begrenzte Zahl von Personen umfassen, die betroffenen Personen dürfen aber nicht individuell in der Weise bestimmt sein, dass der Stpfl. nur ihnen gegenüber Leistungen erbringen will. Geschäftsbeziehungen mit mehreren, ggf. ständig wechselnden Kunden sprechen für das erforderliche Teilhaben am Marktgeschehen, sind aber kein unerlässliches Erfordernis. Selbs...