Gewinne aus Online-Poker
Hintergrund: Online Pokerspiel im Kinderzimmer
Der Mathematikstudent X begann in 2007 mit dem Online- Pokerspiel. Im Streit Jahr 2009 erzielte er einen Gewinn von rund 80.000 EUR. Seine Einsätze wuchsen von einstelligen US-Dollar Beträgen bis zum Höchstmaß von 50 US-Dollar. Er spielte an bis zu 4 virtuellen Tischen parallel. Die Nettospielzeit betrug für 2009 ca. 450 Stunden.
In den Folgejahren 2010 bis 2013 spielte X bei 17 Online-Portalen mit 29 verschiedenen Benutzernamen und erzielte jährliche Gewinne von 400.000 EUR bis 735.000 EUR. Die Einsätze lagen nun zwischen 25 und 300 US-Dollar. Insgesamt spielte X im Zeitraum von 2009 bis 2013 rund 780.000 "Hände" (Einzelspiele). Ab 2010 beteiligte er bei ca. 4.000 Spielen, bei denen er besonders hohe Einsätze tätigte, einen Dritten – stets dieselbe Person – zu jeweils 20 bis 30 % am jeweiligen Gewinn oder Verlust.
Das FA behandelte den im Streitjahr 2009 erzielten Gewinn (80.000 EUR) als steuerpflichtige Einkünfte aus Gewerbebetrieb.
Die Klage hatte teilweise Erfolg. Das FG ging davon aus, dass X erst seit Oktober 2009 gewerblich tätig war und in den Monaten Oktober bis Dezember einen gewerblichen Gewinn von rund 60.000 EUR erzielte.
Entscheidung: Die Überschreitung des Hobbybereichs führt zur Gewerblichkeit
X hat mit dem nachhaltig betriebenen Online-Pokerspiel den Rahmen einer reinen Hobbytätigkeit überschritten und damit der ESt und der GewSt unterliegende Einkünfte erzielt.
Nachhaltige Betätigung
X hat selbständig und mit Gewinnerzielungsabsicht gehandelt. Zudem ist er auch nachhaltig tätig geworden. Eine Tätigkeit ist nachhaltig, wenn sie objektiv erkennbar von der Absicht getragen ist, sie zu wiederholen und daraus eine ständige Erwerbsquelle zu machen (BFH v. 22.4.2015, X R 25/13, BStBl II 2015 S. 897, Rz. 22). Bei der Anzahl der Spiele (in 2009 bis 2013 mehr als 780.000) und der Spielzeit (über 5.500 Stunden) ist die Wiederholungsabsicht offensichtlich. Dass X die Gewinne nicht für seinen Lebensunterhalt ausgegeben, sondern angespart hat, steht der Nachhaltigkeit nicht entgegen.
Beteiligung am wirtschaftlichen Verkehr
Der BFH bejaht auch die Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr. Dazu ist kein formalisierter Spielvertrag mit einem Spielveranstalter erforderlich. Es genügt, dass der Spieler mit seinen Mitspielern in Leistungsbeziehungen tritt. Die Leistung des X lag in der Teilnahme an den Spielen und in der Zusage, seinen Einsatz zu erbringen. Diese Leistung bot er in einem Umfeld (Online-Pokerspielportale) an, das in besonderem Maße von der Anwesenheit spielgeneigter Personen geprägt wird. Damit trat X auch nach außen hin für Dritte erkennbar in Erscheinung. Hierfür genügt sein Auftreten, unter den jeweiligen Benutzernamen. Der BFH konnte letztlich offenlassen, ob X ausschließlich in Rechtsbeziehungen zu dem jeweiligen Portalbetreiber trat oder ob zusätzlich noch in standardisierter Form Rechtsbeziehungen zu den jeweiligen Mitspielern begründet wurden. In beiden Fällen ist eine Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr gegeben, da X jeweils über Geschäftspartner verfügte. Mit der Teilnahme am Spiel unterwarf er sich den jeweiligen Teilnahmebedingungen.
Überschreitung des privaten Hobbybereichs
Bei Tätigkeiten, die als Freizeitgestaltung ausgeübt werden und nur ausnahmsweise gewerblich sein können (wie bei Spielern oder Sportlern) ist die Abgrenzung zur gewerblichen Tätigkeit danach vorzunehmen, ob der Steuerpflichtige damit private Spielbedürfnisse gleich einem Freizeit oder Hobbyspieler befriedigt oder ob in der Gesamtschau strukturell-gewerbliche Aspekte entscheidend in den Vordergrund rücken (BFH v. 16.9.2015, X R 43/12, BStBl II 2016 S. 48, Rz. 36). Vergleichsmaßstab ist das Leitbild des Berufsspielers. Dafür, dass es X nicht mehr nur um die Befriedigung privater Spielbedürfnisse ging, sondern er das Pokerspiel zur Erzielung von Einkünften eingesetzt und es um des Entgelts willen betrieben hat, sprechen Indizien wie die planmäßige Nutzung eines bestimmten Markt's unter Einsatz von "beruflichen" Erfahrungen, die herausragenden Fähigkeiten zur Wahrscheinlichkeitsanalyse der Spielausgänge und die Anwendung einer eigenen Spielstrategie. Die erhebliche Anzahl der Spiele und der hohe Zeiteinsatz gingen weit über dasjenige hinaus, was die Allgemeinheit noch als Hobbytätigkeit ansieht.
X lebte im Streitjahr noch im elterlichen Haushalt und bewohnte dort weiterhin sein "Kinderzimmer". Dieser Raum in der elterlichen Wohnung mit "dem dortigen Computer stellt sowohl eine feste Geschäftseinrichtung als auch die Stätte der Geschäftsleitung dar. Da X parallel zu seiner Spieltätigkeit das Universitätsstudium an seinem Wohnort absolvierte, ist für eine nicht im Inland ausgeübte Tätigkeit nichts ersichtlich. Insoweit unterscheidet sich der Fall von dem eines Casino- und Turnierpokerspielers, für den eine Betriebsstätte nicht zwingend erforderlich ist und dem die Räume der Casinos und Turnierveranstalter im Regelfall nicht als eigene Betriebsstätte zuzurechnen sind (BFH v. 25.2.2021, III R 67/18, BFH/NV 2021 S. 1070).
Hinweis: Computerprogramme als Mitspieler
X hatte eingewandt, er wisse überhaupt nicht, ob es sich bei den Mitspielern um reale Personen oder um "Bots" (Computerprogramme) handele. Darauf kommt es jedoch nicht an. Denn ob X seine Gewinne aus Geschäften mit natürlichen Personen oder aus Interaktionen mit einer Software erzielt, ist für den in seiner Person zu erfüllenden Tatbestand der Gewerblichkeit unerheblich. Im Übrigen wären auch die Handlungen etwaiger "Bots" sowie ihre Gewinne und Verluste letztlich demjenigen Rechtsträger zuzurechnen, der solche "Bots" einsetzt.
BFH Urteil vom 22.02.2023 - X R 8/21 (veröffentlicht am 29.06.2023)
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