Prof. Dr. Gerrit Frotscher
Rz. 29
§ 4h EStG bezweckt, den Abzug von Zinsaufwendungen beim zur Zahlung Verpflichteten einzuschränken ("Zinsschranke"). Maßgebliches Tatbestandsmerkmal ist daher der Begriff der "Zinsaufwendungen". Wegen der Bedeutung dieses Begriffs im Rahmen der Vorschrift enthält § 4h Abs. 3 S. 2 EStG eine Legaldefinition dieses Begriffs und S. 4 der Vorschrift eine Sonderregelung für Auf- und Abzinsungsbeträge. Das Gesetz unterscheidet nicht zwischen kurz- und langfristigen Zinsaufwendungen und auch nicht zwischen gewinnabhängigen und nicht gewinnabhängigen Zinsaufwendungen. Ebenfalls nicht unterschieden wird nach dem Empfänger der Zinsaufwendungen. Solche Aufwendungen an nahestehende Personen werden ebenso behandelt wie Zahlungen an Dritte. Insoweit enthält jedoch § 8a KStG für Körperschaften eine Einschränkung.
Rz. 30
Zinsaufwendungen sind nach Abs. 3 S. 2 nur solche Aufwendungen, die den "maßgeblichen Gewinn" gemindert haben. Da der "maßgebliche Gewinn" auf dem Begriff des "steuerpflichtigen Gewinns" beruht, bedeutet dies, dass nur Zinsaufwendungen zu berücksichtigen sind, deren Abzug im Rahmen des im Inland stpfl. Gewinns in Betracht kommt (Rz. 109). Keine "Zinsaufwendungen" i. S. d. § 4h EStG sind daher Zinsaufwendungen, die einer ausl. Betriebsstätte zuzuordnen sind, wenn nach dem jeweiligen DBA die Freistellungsmethode gilt. Zinsaufwendungen i. d. S. liegen dagegen vor, wenn die ausl. Betriebsstätte der Anrechnungsmethode unterliegt, da dann der Gewinn der Betriebsstätte zum stpfl. und damit zum "maßgeblichen" Gewinn gehört. Die Anrechnungsmethode kann anwendbar sein, weil entweder kein DBA besteht, das DBA eine Aktivitätsklausel enthält oder wenn bei passiven Einkünften der ausl. Betriebsstätte wegen § 20 Abs. 2 AStG die Anrechnungsmethode gilt. Bei inländischen Einkünften eines beschr. Stpfl. liegen Zinsaufwendungen vor, soweit sie einer inländischen Betriebsstätte zugeordnet werden können. Nach § 15 BsGaV werden der Betriebsstätte in erster Linie diejenigen Zinsaufwendungen zugeordnet, die durch direkt zuordenbare Verbindlichkeiten verursacht sind. Ggf. werden diese Verbindlichkeiten und damit die Zinsaufwendungen gekürzt, wenn dies aufgrund der Zuordnung von Dotationskapital erforderlich ist. Sind der Betriebsstätte über die direkt zuordenbaren Verbindlichkeiten weitere Verbindlichkeiten zuzuteilen, werden ihr auch diese Zinsaufwendungen zugeordnet, und zwar anteilig in Höhe der durchschnittlichen Zinsaufwendungen aus allen, von dem Unternehmen aufgenommenen indirekt zuzuordnenden Darlehen.
Rz. 30a
Soweit "Zinserträge" im Rahmen der Zinsschranke von Bedeutung sind (Rz. 37), gelten nach § 4h Abs. 3 S. 3 EStG entsprechende Grundsätze. Zinserträge, die steuerlich einer der Freistellungsmethode unterliegenden ausl. Betriebsstätte zuzuordnen sind, werden für die Zinsschranke daher nicht berücksichtigt. Soweit der ausl. Betrieb der Zinsschranke unterliegt, weil die Anrechnungsmethode anzuwenden ist, werden auch ihm zuzurechnende Zinserträge erfasst.
Rz. 30b
Für die Anwendung der Zinsschranke ist der Nettozinsaufwand des Abzugsjahrs zu erhöhen um Zinsvorträge vorangegangener Wirtschaftsjahre, die in diesen vorangegangenen Wirtschaftsjahren nicht abgezogen werden konnten. Die vorgetragenen Zinsaufwendungen sind also ebenso zu behandeln wie die Zinsaufwendungen des laufenden Jahrs. Daraus ist der Betrag der in diesem Jahr abzugsfähigen Zinsaufwendungen zu ermitteln. Der Zinsvortrag ist zeitlich nicht beschränkt, vorgetragene Zinsen verfallen also nicht (Rz. 54).
Rz. 31
Das Gesetz stellt an den Empfänger der Zinsaufwendungen keine besonderen Anforderungen. Das bedeutet, dass alle Zinsaufwendungen i. S. d. § 4h Abs. 3 S. 2 EStG unter die Vorschrift fallen. Der Empfänger der Zinsaufwendungen braucht also weder eine nahe stehende Person noch, bei Personengesellschaften, ein Gesellschafter zu sein. Es ist auch ohne Bedeutung, ob die Zinsen bei dem Empfänger zu gewerblichen Einkünften oder zu Einkünften aus Kapitalvermögen gehören, der beschr. Steuerpflicht unterliegen oder mangels einer beschr. Steuerpflicht im Inland steuerlich nicht erfasst werden. Die Vorschrift erfasst also sowohl Zinszahlungen an Gewerbebetriebe (z. B. Banken), an Private (z. B. Privatdarlehen) als auch an Ausländer.
Rz. 31a
§ 4h EStG entfaltet keine Rechtswirkungen für den Empfänger der Zinsen. Das bedeutet, dass der Empfänger die Zinseinnahmen als betriebliche Einkünfte oder als Einkünfte aus Kapitalvermögen nach § 20 EStG versteuern muss, auch wenn die Zinsen bei dem Leistenden nicht abzugsfähig sind. Abzugsfähigkeit bei dem Leistenden und Versteuerung bei dem Empfänger können daher zeitlich auseinander fallen, sodass es zu einer "zeitlichen Doppelbesteuerung" der Zinsen kommt. Soweit die Zinsaufwendungen bei dem Leistenden endgültig nicht abziehbar sind, kommt es zu einer tatsächlichen "wirtschaftlichen" Doppelbesteuerung.