Entscheidungsstichwort (Thema)
Neue Tatsache für die spätere höhere Steuer bei Entschädigungszahlungen
Leitsatz (redaktionell)
- Ist bei einer Entschädigungszahlung für Gehaltsausfälle zweier Jahre nicht erkennbar, dass die Entschädigung in zwei Raten gezahlt werden soll, liegt insoweit eine neue Tatsache vor, die für die spätere höhere Steuer kausal ist.
- Dies gilt auch dann, wenn der Sachbearbeiter vor Erlass des ursprünglichen Steuerbescheides eine vom Rechenzentrum maschinell erstellte Hinweismeldung nicht befolgte, die ihn dazu aufforderte, im Hinblick auf ermäßigt zu besteuernde Einkünfte beim Steuerpflichtigen weitere Unterlagen anzufordern.
Normenkette
AO § 173 Abs. 1 Nr. 1, § 175; EStG § 3 Nr. 9, § 24 Nr. 1b, § 34 Abs. 2 Nr. 2
Streitjahr(e)
1998, 2000
Nachgehend
Tatbestand
Die Kläger werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger, geboren am xx.8.1942, war bei der X Aktiengesellschaft (X AG) angestellt. Mit Vertrag vom 23.03.1998 schloss er mit der X AG, wie im Übrigen auch 74 weitere Arbeitnehmer, eine Vereinbarung zur Ermöglichung eines vorgezogenen Ruhestandes. Nach Nr. 1 Abs. 1 des Vertrages sollte der Kläger ab dem 01.04.1998 bis zur Beendigung seines Arbeitsverhältnisses einen unbezahlten Übergangsurlaub erhalten. Gleichzeitig wurde das bestehende Arbeitsverhältnis aus betrieblichen Gründen im unmittelbaren Anschluss an den Übergangsurlaub mit dem Ziel vorgezogener Versorgung wegen Arbeitslosigkeit mit Ablauf des 31.8.2000 im gegenseitigen Vernehmen aufgehoben (Abs. 2). Der Kläger verpflichtete sich in Nr. 1 Abs. 3 des Vertrages, sich frühestens am 01.04.1999, jedoch spätestens am 06.04.1999 bei dem für seinen Wohnort zuständigen Arbeitsamt arbeitslos zu melden und Arbeitslosengeld zu beantragen. Zusätzlich hatte er rechtzeitig einen Antrag auf Altersrente zu stellen.
Nr. 2 des Vertrages bestimmte, dass das Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der X AG mit Beginn des vereinbarten Übergangsurlaubs endete. Das Arbeitsverhältnis sollte, ohne dass der Kläger während des Übergangsurlaubs seine Beschäftigung bei der X AG wieder aufnehmen konnte, formal bis zum Ende des Übergangsurlaubs fortbestehen (nämlich bis zum Ablauf des 31.08.2000). Nach Nr. 3 Abs. 1 des Vertrages sollte der Kläger mit Beginn des Übergangsurlaubs als finanzielle Hilfe für die berufliche oder private Umorientierung von der X AG eine Einmalzahlung in Höhe von 94.468,09 DM brutto erhalten. Nach Nr. 3 Abs. 2 des Vertrages erhielt der Kläger des Weiteren aus Anlass der vereinbarten Aufhebung des Arbeitsverhältnisses zwecks Inanspruchnahme von Altersrente eine Abfindung von 36.000 DM brutto. Der Kläger sollte diesen Betrag als Ausgleich für die Aufhebung des Arbeitsverhältnisses erhalten. In Nr. 3 Abs. 5 des Vertrages war schließlich bestimmt, dass die Einmalzahlung und die Abfindung die Leistungen der Arbeitslosenhilfe ersetzen sollten. Beziehe der Kläger gleichwohl Arbeitslosenhilfe, so habe er der X AG die entsprechenden Zahlungen zu erstatten. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vertrages wird auf diesen verwiesen (Bl. 16 ff der FG-Akte).
Bereits in den Jahren 1990 bis 1995 hatte die X AG nach dem beschriebenen Verfahren Arbeitnehmer in den Vorruhestand entsandt. Anlässlich einer Lohnsteueraußenprüfung für diese Jahre waren die sofortige Einmalzahlung (Umorientierungshilfe) sowie die spätere Abfindung als eigenständige Sachverhalte angesehen worden mit der Folge, dass die Umorientierungshilfe als ermäßigt zu besteuernde Entschädigung im Sinne der §§ 24 Nr. 1b, 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG angesehen wurde. Mit Schriftsatz vom 06.11.2000 teilte das Betriebsstättenfinanzamt F. im Rahmen einer weiteren Lohnsteueraußenprüfung bei der X AG für die Folgejahre dieser als Arbeitgeber mit, an der Einschätzung werde nicht mehr festgehalten. Beide Zahlungen beruhten vielmehr auf einem einheitlichen Lebenssachverhalt und seien als Ratenzahlungen anzusehen. Damit entfalle eine Zusammenballung der Einkünfte im Sinne des § 34 EStG; eine ermäßigte Besteuerung sei nicht mehr vorzunehmen. In Bezug auf die erste Zahlung (Umorientierungshilfe) bestünden keine Bedenken, hier den Freibetrag nach § 3 Nr. 9 EStG zu gewähren. Auf den Schriftsatz wird verwiesen (Bl. 20 der FG-Akte).
Das an der Lohnsteueraußenprüfung mitwirkende Bundesamt für Finanzen erstellte am 11.07.2002 ebenfalls einen Bericht über die Feststellungen nebst rechtlicher Würdigung, auf den wegen der Einzelheiten verwiesen wird (Bl. 20 ff der FG-Akte).
In der Anlage N zur Einkommensteuererklärung 1998 gab der Kläger in Zeile 10 (ermäßigt zu besteuernde Einkünfte) den Betrag von 94.468 DM an. Hierbei folgte er den Angaben in der Lohnsteuerkarte.
Das Finanzamt wandte sich hierauf schriftlich an den Kläger, um den Grund für die Zeit der Nichtbeschäftigung vom 1.4. bis 31.12.1998 zu ermitteln. Hierauf gab der Kläger am 21.07.1999 an, er habe auf Grund einer Vereinbarung mit seinem Arbeitgeber Übergangsurlaub beziehungsweise Sonderurlaub...