Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftung für entstehende Mietzinsansprüche infolge der „Freigabe” einer Zahnarztpraxis
Normenkette
GG Art. 12; BGB § 535 Abs. 2, § 546a; InsO § 35 Abs. 2
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.
Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
Der Kläger ist Zwangsverwalter des Grundstücks X. In dem auf diesem Grundstück befindlichen Gebäude hatte ein Dr. X Räumlichkeiten gemietet und betrieb dort eine Zahnarztpraxis. In dem Verfahren 2 O 349/07 vor dem Landgericht Krefeld erklärte der Kläger in der Klageschrift wegen der ausstehenden Mieten für August bis November 2007 die fristlose Kündigung des Mietverhältnisses gegenüber Herrn Dr. X. Die Klageschrift wurde Herrn Dr. X am 14.11.2007 zugestellt. Zuvor war bereits ein Antrag zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Herrn Dr. X gestellt worden. Mit Beschluss vom 12.11.2007 bestellte das Amtsgericht Krefeld den Beklagten zum vorläufigen Insolvenzverwalter und traf Anordnungen nach §§ 21, 22 InsO. Hierbei wurde insbesondere ein Zustimmungsvorbehalt hinsichtlich von Verfügungen des Schuldners über Gegenstände seines Vermögens angeordnet (sogn. schwacher vorläufiger Insolvenzverwalter). Am 01.02.2008 wurde dann durch Beschluss des genannten Gerichts das Insolvenzverfahren eröffnet. Zum Insolvenzverwalter wurde der Beklagte bestellt. Bereits im Februar 2008 gab der Beklagte die zahnärztliche Praxis des Insolvenzschuldners aus dem Insolvenzbeschlag frei. Die Erklärung der Freigabe teilte der Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 18.02.2008 mit und wies gleichzeitig daraufhin, dass ab dem 01.03.2008 fällig werdende Mieten vom Insolvenzschuldner selbst zu tragen seien. Im ersten Quartal 2009 forderte der Kläger den Beklagten mehrfach auf, die Praxisräume zu räumen. Mit Schreiben vom 29.04.2009 untersagte der Beklagte dem Kläger die Entfernung der Betriebs- und Geschäftsausstattung aus den Praxisräumen, da diese zu Insolvenzmasse gehören würden.
Der Kläger macht Nutzungsentschädigung für die Praxisräume vom 01.01.2009 bis 31.07.2009 in Höhe der ursprünglichen Bruttomiete von monatlich 1.350,00 EUR geltend. Er ist der Ansicht, der Kläger habe ihm die Mieträume vorenthalten und schulde daher die begehrte Nutzungsentschädigung.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 9.450,00 EUR zuzüglich 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 05.08.2009 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage anzuweisen.
Der Beklagte ist der Ansicht, infolge der „Freigabe” der Praxis hafte er ab diesem Zeitpunkt nicht mehr für die entstehenden Mietzinsansprüche. Ferner habe der Insolvenzschuldner die Praxisräume bereits vollständig mit Betriebs- und Geschäftsausstattung übernommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet. Ein Anspruch des Klägers auf Zahlung der begehrten Geldsumme besteht nicht.
Dabei muss nicht entschieden werden, ob das Mietverhältnis am 01.01.2009 bereits beendet war und damit ein Anspruch auf Nutzungsentschädigung gemäß § 546a BGB überhaupt in Betracht kommt oder dieser sich vielmehr auf Zahlung von Mietzins nach § 535 Abs. 2 BGB richtet. Insoweit spricht zwar viel dafür, dass das Mietverhältnis am relevanten Stichtag noch bestand, denn die Kündigung in dem vorangegangenen Klageverfahren vor dem Landgericht Krefeld war gemäß § 112 Abs. 1 InsO unwirksam, da sie dem Insolvenzschuldner jedenfalls erst nach Insolvenzantragstellung zuging und der Ausspruch einer weiteren Kündigung nicht behauptet wurde. Entscheidend ist hier jedoch, dass die Zahnarztpraxis bereits im Februar 2008 gemäß § 35 Abs. 2 InsO aus dem Insolvenzbeschlag freigegeben wurde. Dies führt nämlich dazu, dass die Insolvenzmasse ab dem Zeitpunkt der Freigabe nicht mehr für Verbindlichkeiten aus dem Mietverhältnis über die Praxisräume im Sinne des § 55 InsO haftet und damit sowohl der Anspruch aus § 535 Abs. 2 BGB als auch der Anspruch aus § 546a BGB ausgeschlossen sind.
Das Gericht ist der Auffassung, dass die „Freigabe” nach § 35 Abs. 2 InsO jedenfalls diejenigen Vertragsverhältnisse und Betriebsmittel umfasst, ohne die eine selbstständige Erwerbstätigkeit nicht möglich ist (so auch Ahrens NZI 2007, 624; Ries ZInsO 2009, 2031). Hierzu muss auch stets das aus gewerblichen Gründen eingegangene und genutzte Mietverhältnis des Insolvenzschuldners gehören, denn ohne dieses wird der Schuldner seine selbstständige Tätigkeit in den seltensten Fällen fortsetzen können. Die gegenteilige, in der Literatur vertretene Auffassung (Wischemeyer ZInsO 2009, 2123), überzeugt nicht. Soweit darauf verwiesen wird, der Insolvenzverwalter könne weiteren Masseverbindlichkeiten aus bereits bestehenden Dauerschuldverhältnissen nur durch eine Kündigung nach § 10...