vorläufig nicht rechtskräftig
Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt
Entscheidungsstichwort (Thema)
Diätetisches Lebensmittel – umsatzsteuerliche Einordnung
Leitsatz (redaktionell)
- Entscheidend für die Einreihung in die KN ist nicht eine möglicherweise objektive Eigenschaft des Produkts. Vielmehr kommt es darauf an, ob in einer Aufmachung des Erzeugnisses für den Einzelverkauf verdeutlicht wird, dass dieses zu therapeutischen/prophylaktischen Zwecken dient. Hierfür sind allein die Angaben auf der inneren oder äußeren Umschließung der Ware entscheidend.
- Neuwaren i. S. der Position 3004 der KN sind Erzeugnisse, die genau umschriebene therapeutische/prophylaktische Eigenschaften aufweisen und deren Wirkungen auf ganz bestimmte Funktionen des menschlichen Organismus konzentriert sind.
Normenkette
KN Pos. 2106; KN Pos. 3004; UStG 2005 § 12 Abs. 2 Nr. 1; KN Kap 21
Streitjahr(e)
2005
Nachgehend
Tatbestand
Die Klägerin ist Organträgerin zur Organgesellschaft L GmbH (nachfolgend: GmbH). Die GmbH stellt Arzneimittel und Nahrungsergänzungsmittel her und veräußert diese. Zu den Produkten, die hergestellt und vertrieben werden, gehört das Produkt „v00”. Streitig ist, ob die Lieferung dieses Produkts dem Regelsteuersatz oder dem begünstigten Steuersatz unterliegt.
V00 wird in einer Faltschachtel angeboten, in der entweder 30 oder 90 Dragees des Produkts enthalten sind. Der Faltschachtel wird jeweils eine schriftlich verfasste Verbraucherinformation beigegeben. Wegen des äußeren Erscheinungsbildes der Verpackung und der Verbraucherinformation wird auf die Seiten 45, 46 der Gerichtsakte verwiesen. Nach den Aufdrucken auf der Verpackung wird v00 als ergänzende bilanzierte Diät beschrieben, die zur diätetischen Behandlung von Gefäßerkrankungen infolge eines erhöhten Homocysteinspiegels dient. Die Inhaltsstoffe werden angegeben. Es wird die Verzehrempfehlung gegeben 1 Dragee pro Tag zu verzehren. Die Verpackung erhält die weiteren Hinweise: „Aufgrund der besonderen Ernährungserfordernisse bei der diätetischen Behandlung von Gefäßerkrankungen infolge eines erhöhten Homocysteinspiegels ist der Gehalt an Vitamin B12 erhöht. V00 ist kein vollständiges Lebensmittel. … Mit einer gezielten diätetischen Versorgung mit den Vitaminen Folsäure, B6 und B12 können Patienten mit einem erhöhten Homocysteinspiegel sinnvoll ihre Ernährung ergänzen. V00 enthält diese wertvollen Vitamine in bilanzierter und sinnvoller Kombination, wie sie durch eine Ernährungsumstellung nicht zu erreichen wären. Mit der diätetischen Zufuhr dieser Vitamine können erhöhte Homocysteinspiegel günstig diätetisch Beeinfluss werden.”
Aus der beigefügten Verbraucherinformation ergibt sich, dass pro Dragee in dem Produkt v00 8 mg an Vitamin B6, 100 µg an Vitamin B12 und 800 µg an Folsäure enthalten ist.
Die Klägerin erklärte die mit dem Produkt v00 erzielten Umsätze als solche mit dem begünstigten Steuersatz von 7 v.H. Dabei stufte sie das Produkt als Lebensmittelzubereitung, die unter Zollnomenklatur 2106 einzuordnen sei, ein.
Nach einer in 2009 stattgefundenen Außenprüfung nahm der Beklagte an, dass die Umsätze dem Regelsteuersatz unterlägen. Entsprechend erhöhte der Beklagte diesbezüglich die Umsatzsteuer um 32.814,98 €. Das Erzeugnis sei in Position 3004 der kombinierten Nomenklatur (KN) einzuordnen.
Hiergegen richtet sich nach erfolglosem Einspruchsverfahren die Klage.
Das Präparat v00 sei keine Arzneiware. Arzneiwaren seien Arzneimittel im Sinne des § 2 AMG bzw. des Artikel 1 Ziffer 2 der Richtlinie 2001/83/EG. Es handele sich vielmehr um ein diätetischen Lebensmittel gemäß § 1 Abs. 4 a i.V.m. § 21 DiätVO. Es handele sich hierbei um ein Erzeugnis das für die diätetische Behandlung von Patienten bestimmt sei. Es diene der Ernährung von Patienten mit einem sonstigen medizinisch bedingten Nährstoffbedarf, für deren diätetische Behandlung Modifikationen der normalen Ernährung, andere Lebensmittel zur besonderen Ernährung bzw. Kombinationen aus beiden nicht ausreichend seien. Der Hinweis auf der Verpackung, wonach das Produkt zur diätetischen Behandlung von Gefäßerkrankungen bestimmt sei, stelle keine Formulierung her, die die Klägerin selbst bestimmt gewählt habe. Vielmehr sei dies eine Vorgabe durch § 21 Abs. 2 Ziffer 1 DiätVO. Diese beruhe auf den entsprechenden Vorgaben der europäischen Richtlinie 1999/21/EG. Es bleibe dennoch dabei, dass es sich bei dem Produkt um ein Lebensmittel handele und nicht um Arzneimittel. Der juristisch relevante Unterschied bestehe darin, dass Arzneimittel/Arzneiwaren eine pharmakologische Wirkung gemäß Artikel 1 Ziffer 2 b der Richtlinie 2001/89/EG aufwiesen, die diätetischen Lebensmittel hingegen ernährungsphysiologisch bzw. diätetisch ihre Wirkung entfalteten. Es könne das streitige Produkt deshalb nicht als Arzneiware im Sinne der Position 3004 der KN eingereiht werden. Es werde auch auf die EG-Verordnung 17177/2001 verwiesen, die in ...