Entscheidungsstichwort (Thema)
§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO ist auch für Grundlagenbescheide anwendbar, bei denen das Finanzamt eine Bindungswirkung annimmt, die objektiv nicht besteht. Einkommensteuer 1988
Nachgehend
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Frage, ob der Beklagte (Bekl.) berechtigt ist, den Einkommensteuerbescheid 1988 zu ändern.
Die Kläger (Kl.) sind Eheleute und wurden im Streitjahr 1988 vom Bekl., dem Finanzamt (FA) …, gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt.
Der Kl. betreibt als Kieferorthopäde eine selbständige Praxis in B.. Dessen Einkünfte aus selbständiger Arbeit werden vom FA B. gesondert festgestellt. Der Kl. übte seine freiberufliche Tätigkeit in Praxisgemeinschaft mit einem weiteren Kieferorthopäden aus. Zwischen den beiden Praxisinhabern war vereinbart, daß die Laufenden Ausgaben anteilig nach dem Maßstab ihrer jeweiligen Umsätze getragen werden sollten. Die Höhe dieser gemeinsamen Praxisausgaben sowie deren Verteilung auf die Beteiligten wurde vom FA B. einheitlich festgestellt.
In den Jahren vor 1988 wurde die Feststellung und Veranlagung der Einkünfte des Kl. aus selbständiger Arbeit vom FA B. sowie dem BekL. wie folgt gehandhabt:
Das FA B. nahm eine einheitliche und gesonderte Feststellung der Betriebsausgaben der Praxisgemeinschaft sowie eine gesonderte Feststellung der Einkünfte des Kl. aus selbständiger Tätigkeit vor. Dabei wurde bei der gesonderten Feststellung der Einkünfte aus selbständiger Arbeit die anteilig auf den Kl. entfallenden Betriebsausgaben aus der Praxisgemeinschaft weder vom Kl. erklärt noch vom FA B. bei der Veranlagung erfaßt. Das FA B. übersandte jeweils eine Mitteilung über die gesonderte Gewinnfeststellung sowie eine Mitteilung über die einheitliche und gesonderte Feststellung der Betriebsausgaben der Praxisgemeinschaft an den BekL. als Wohnsitzfinanzamt der Kl. In den Einkommensteuererklärungen der Vorjahre erklärten die Kl. bei den Einkünften aus selbständiger Arbeit einmal den Gewinn aus der Einzelpraxis für Kieferorthopädie sowie zum anderen den Betriebsausgabenanteil des Kl. aus der Praxisgemeinschaft. Der BekL. kürzte bei den Einkommensteuerveranlagungen den Gewinn aus der Einzelpraxis um die anteiligen Betriebsausgaben aus der Praxisgemeinschaft und setzte diesen Betrag dann in zutreffender Höhe als Gewinn aus freiberuflicher Tätigkeit bei der jeweiligen Einkommensteuerveranlagung an. Im Streitjahr 1988 Liefen die Erklärungs- und Veranlagungsvorgänge beim Bekl. sowie dem FA … wie folgt ab:
Im Mai 1989 wurde von der Praxisgemeinschaft eine Erklärung zur einheitlichen und gesonderten Feststellung der Praxisausgaben beim FA B. eingereicht, die Praxisausgaben in Höhe von insgesamt ./. 483.473 DM und einen auf den Kl. entfallenden Unkostenanteil von ./. 331.738 DM auswies. Der Kl. gab auf der Anlage ESt 1, 2, 3 B als zuständiges FA sein Wohnsitz-FA mit der entsprechenden Steuernummer an. Das FA B. veranlagte die Praxisgemeinschaft antragsgemäß im Juli 1989 und übersandte zugleich eine Mitteilung über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für die Praxisgemeinschaft an den BekL. Die Mitteilung wies anteilig auf den Kl. entfallende Praxisausgaben von ./. 331.738 DM aus. Der zugrundeliegende, unter keinem Vorbehalt stehende Bescheid wurde bestandskräftig.
Im August 1989 reichte der Kl. eine Erklärung zur gesonderten Feststellung seiner Einkünfte aus selbständiger Arbeit für das Jahr 1988 beim FA B. ein, die einen Gewinn von 1.011.767 DM auswies. Der Erklärung war eine Einnahme-Überschuß-Rechnung für die kieferorthopädische Praxis beigefügt, die bei den Ausgaben einen Anteil aus der Praxisgemeinschaft von rd. 331.738 DM enthielt, der in die Gewinnermittlung eingeflossen war. Der Gewinnermittlung war der Zusatz beigefügt, daß die vorstehende Einnahme-Überschuß-Rechnung aufgrund der vorgelegten Einnahmeüberschuß-Rechnung 1988 der Praxisgemeinschaft sowie weiterer Buchführungsunterlagen erstellt worden sei. Mit Feststellungsbescheid vom September 1989 stellte das FA B. die Einkünfte aus der Einzelpraxis des Kl. antragsgemäß gesondert fest und übersandte eine entsprechende Mitteilung an den Bekl., das Wohnsitz-FR der Kl. Der Bescheid erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
Mit der Ende August 1989 abgegebenen Einkommensteuererklärung 1988 erklärten die Kl. bei den Einkünften aus selbständiger Arbeit des Kl. einen Gewinn in Höhe von 1.011.767 DM; ein zusätzlicher Betriebsausgabenanteil aus der Praxisgemeinschaft wurde nicht erklärt. Der Bekl. wertete die ihm vorliegenden Mitteilungen des FA B. über die einheitliche und gesonderte Feststellung der Betriebsausgaben aus der Praxisgemeinschaft sowie die gesonderte Feststellung der Einkünfte aus der Einzelpraxis in der weise aus, daß von dem Gewinn aus der Praxis für Kieferorthopädie von 1.011.767 DM nochmals die anteilig auf den Kl. entfa...