Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Opfergrenze trotz unterhaltsbedürftiger Lebensgefährtin ohne Sozialhilfeanspruch
Leitsatz (redaktionell)
- § 33a Abs. 1 Satz 2 EStG ist auch auf Fälle anzuwenden, in denen Sozialhilfe nicht beantragt worden ist, diese aber im Falle eines Antrags wegen der Unterhaltsleistungen des Steuerpflichtigen abgelehnt worden wäre.
- Das Gesetz vermutet unwiderlegbar, dass der Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft den Unterhalt des bedürftigen Partners sicherstellt. Deshalb muss bei der Berechnung der Sozialhilfe das monatliche Einkommen des Lebenspartners berücksichtigt werden.
- Bei der Berücksichtigung von Unterhaltsleistungen ist die sog. Opfergrenze nicht zu berücksichtigen, wenn die unterhaltsbedürftige Lebensgefährtin aufgrund des Zusammenlebens mit dem Steuerpflichtigen keine Sozialhilfe erhält (gegen BMF-Schr. v. 28.3.2003, BStBl I 2003, 243).
Normenkette
EStG § 33a Abs. 1; BSHG § 16 S. 1, § 122; BGB § 1603
Streitjahr(e)
2003
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Abzugsfähigkeit von Unterhaltsleistungen als außergewöhnliche Belastungen.
Der Kläger lebte im Streitjahr 2003 mit seiner damaligen Verlobten und jetzigen Ehefrau Frau M geb. S in einer eheähnlichen Gemeinschaft. Die Verlobte war wegen einer chronischen Erkrankung nicht erwerbstätig und erzielte keine eigenen Einkünfte. Nach einer Bescheinigung der Landeshauptstadt Hannover erhielt sie im Streitjahr keine Hilfe zum Lebensunterhalt. Anfang 2003 hatte sie für die Zahlung des Krankenversicherungsbeitrags Sozialhilfe beantragt. Der Antrag erledigte sich in sonstiger Weise. Zahlungen wurden vom Sozialamt nicht aufgenommen. Im Mai 2004 und im November 2004 führte das Sozialamt überschlägige Probeberechnungen für die eventuelle Gewährung von Sozialhilfe durch. Dabei wurde das Einkommen des Klägers jeweils einbezogen. Beide Berechnungen ergaben keinen Sozialhilfeanspruch der Verlobten.
Der Kläger erhielt im Streitjahr einen Bruttoarbeitslohn in Höhe von 16.169 €. Außerdem erzielte er 594 € Kurzarbeitergeld, 395 € steuerfreie Arbeitgeberleistungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte und 19 € steuerfreie Auslösung. Die im Streitjahr ausgezahlte Einkommensteuererstattung für das Jahr 2002 betrug 1.129,55 €. An Abgaben hatte der Kläger Lohnsteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer in Höhe von 1.771 € und den Arbeitnehmeranteil am Gesamtsozialversicherungsbeitrag in Höhe von 3.038 € zu zahlen. Dem Kläger entstanden Werbungskosten in Höhe von 1.560 €. Der danach verbleibende Nettobetrag in Höhe von 11.937 € stand dem Kläger und seiner Verlobten für die gemeinsame Lebensführung zur Verfügung.
Der Kläger und seine Verlobte wohnten im Streitjahr in einem Einfamilienhaus im M-weg xx, xxxxx H. Sie nutzten das 1. Obergeschoss des Hauses bestehend aus einem Wohnzimmer, einem Schlafzimmer und einem Badezimmer. Das Erdgeschoss und zwei Souterainräume des Hauses wurden von der Mutter der Verlobten und ihrem Ehemann genutzt. Es handelte sich um ein Wohnzimmer, eine Küche, ein Badezimmer und ein Schlafzimmer. Das Dachgeschoss (Wohnzimmer und Schlafzimmer) wurde von dem Bruder der Verlobten bewohnt. Der Bruder durfte das von dem Kläger und seiner Verlobten genutzte Badezimmer mitnutzen. Alle Personen benutzten die im Erdgeschoss gelegene Küche. Hauptmieter des Gebäudes war die Mutter der Verlobten und ihr Ehemann. Nach den Angaben des Klägers zahlte er für sich und seine Verlobte an die Mutter Miete. Im Klageverfahren wurde ein Mietvertrag vom 1. Oktober 2004 eingereicht, der eine Neufassung eines Vertrags vom 1. Januar 1999 darstellte. In dem ursprünglichen Mietvertrag soll die Verlobte nicht Mieterin gewesen sein. Die nach dem Vertrag vom 1. Oktober 2004 geschuldete Miete betrug 200 € zuzüglich 80 € Nebenkosten. Nachdem der Bruder der Verlobten ausgezogen war, mieteten der Kläger und seine Ehefrau auch noch die Dachgeschossräume. Die geschuldete Miete betrug nunmehr 404 € zuzüglich 120 € Nebenkosten (Mietvertrag vom 1. Juni 2006). Die Miete für das gesamte Haus betrug nach einem auf den 21. Februar 2004 datierten Vertrag 650 €, zuzüglich 42,50 € für eine Garage, zuzüglich 115,79 € Nebenkosten (insgesamt 808,29 €).
In seiner Einkommensteuererklärung für 2003 machte der Kläger Unterhaltsleistungen für Miete und Lebensunterhalt seiner Verlobten in Höhe von 7.188 € geltend. Im Einkommensteuerbescheid 2003 vom 3. Mai 2004 wurden nur 2.741 € berücksichtigt. Begründet wurde die Kürzung damit, dass nach der sog. Opfergrenze nur 23 % des Nettoeinkommens des Klägers abzugsfähig seien.
Hiergegen legte der Kläger am 28. Mai 2004 Einspruch ein. Sein Nettoeinkommen würde von ihm und seiner Verlobten für Miete, Strom und Lebensunterhalt verbraucht werden. Beide müssten mit ca. 1.000 € monatlich auskommen, obwohl sich seine Verlobte als Dialysepatientin speziell ernähren müsse. Es sei unverständlich, dass im Einkommensteuerrecht Grenzen gezogen würden, ohne dass bei ande...